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Bei den Unternehmern in der Region Stuttgart ist der Verdruss über die Verkehrspolitik groß.

Stuttgart - Bei den Unternehmern in der Region Stuttgart ist der Verdruss über die Verkehrspolitik groß. Im Straßenneubau müsse wieder was gehen, fordern sie. Um das Geld zu beschaffen, nehmen sie selbst die Straßenmaut in Kauf – manche sogar die City-Maut.

 

Rund 70 Prozent der Unternehmer in der Region lehnen es ab, die knappen Geldmittel nur in den Straßenunterhalt zu stecken und den Neubau zu stoppen. Das vermeldete die Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart als Ergebnis einer Umfrage, an der 523 Unternehmen teilnahmen. Dieses Resultat richtet sich nach Auffassung der IHK gegen den Kurs, den die Landesregierung ausgerufen habe – „auch wenn es Anzeichen gibt, dass sie von dieser strikten Haltung wieder etwas abweicht“. Die Regierung warf der IHK trotzdem umgehend eine Falschdarstellung vor.

Neu- und Ausbauten auch bei den Bundesstraßen

Gegen die Reparatur der Landesstraßen haben die Unternehmer sicher nichts einzuwenden, gaben doch 35 Prozent von ihnen den Landesstraßen nur die Note 6 oder 5. Weitere 35 Prozent vergaben die Note 4. Wegen der Reparaturen dürfe der Neubau von Straßen aber nicht aufs Jahr 2015 oder später vertagt werden, so die IHK.

Die Unternehmen fordern Neu- und Ausbauten auch bei den Bundesstraßen und den Autobahnen. Die wurden zwar weit weniger schlecht beurteilt als die Landesstraßen, sieben bis acht Prozent erkannten aber auch hier akuten Handlungsbedarf. Gefordert werden unter anderem der Albaufstieg der Autobahn 8 zwischen Mühlhausen und Hohenstadt sowie die Erweiterung der A 81 zwischen den Anschlussstellen Mundelsheim und Zuffenhausen von sechs auf acht Fahrspuren, aber auch der Ausbau der A 81 zwischen Sindelfingen-Ost und Gärtringen von vier auf sechs Spuren. Für Bundes- und Landesstraßen meldeten die Unternehmer ebenfalls Wünsche an. Dafür sei zwar Geld vom Bund notwendig, das Land müsse sich aber ernsthaft dafür starkmachen, dass die Projekte in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden, forderte die IHK.

Würde der Bund die Einnahmen aus der Mineralölsteuer komplett für Straßen ausgeben und nicht anderswo versickern lassen, bräuchte man sich gar keine Gedanken zu machen, so die IHK. Doch von 50 Milliarden Euro würden lediglich 15 Milliarden für die Straßen verwendet, sagten IHK-Präsident Herbert Müller und der Hauptgeschäftsführer Andreas Richter am Donnerstag bei der Vorstellung der Umfrage. Weil sich daher im Straßenbau zu wenig tut und die Staus in der Region Chefs und Mitarbeiter nerven, wären mehr als 70 Prozent der Umfrageteilnehmer bereit, für die Firmenfahrzeuge auf allen Fernstraßen Maut zu bezahlen. Bedingung: dass der Ertrag nur in den Aus- und Neubau von Straßen fließt. Bei den Transportdienstleistern liege die Zustimmungsquote sogar bei fast 75 Prozent, bei den Handelsunternehmen nur bei knapp 55 Prozent.

Ja zur Maut auf Autobahnen

Erwartungsgemäß abgelehnt wurde von den meisten Befragten die Idee einer City-Maut – für die freilich erst noch eine Rechtsgrundlage geschaffen werden muss. 53 Prozent sprachen sich gegen das Kassieren für die Fahrt in Innenstädte aus, 47 Prozent waren nicht abgeneigt. Doch die Befürworter möchten ganz unterschiedlich über die Einnahmen verfügen. Die meisten von ihnen würden das Geld nur für Straßen ausgeben. 46 Prozent der Befürworter könnten sich auch vorstellen, den Radverkehr oder Bahnen und Busse damit zu finanzieren.

Von der Beurteilung der City-Maut wurde auch der IHK-Präsident überrascht. „Die Not mit den Staus im Raum Stuttgart muss schon gewaltig sein“, sagte Müller. Die IHK wollte sich trotzdem nicht mit der City-Maut anfreunden. Dazu hätten sie auch kein Mandat von der IHK-Vollversammlung, sagten Müller und Richter. Auch zur flächendeckenden Maut auf allen Fernstraßen habe die IHK noch keine Meinung. Die Maut auf Autobahnen aber unterstützt sie. Man brauche ein zusätzliches Finanzierungssystem für den Straßenbau. Anfangs könne man das über die Vignette regeln, später mit anderen Instrumenten. Dann könnte die Maut auch helfen, mit gestaffelten Tarifen das Verkehrsaufkommen über den Tag hinweg etwas zu entzerren. Eine Doppelbelastung der Autofahrer durch Mineralölsteuer und Maut müsse vermieden werden. „Aber unterm Strich muss nachher mehr Geld im Topf für den Straßenbau sein“, so die IHK-Oberen. Verteilt werden müsse es künftig nach Verkehrszahlen und Bedarf, nicht nach einem Finanzschlüssel für die Bundesländer.

Da er in Sachen Maut selbst Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) als Wackelkandidaten einschätzt, forderte Müller Ministerpräsident Kretschmann zur Offensive auf. Mit seiner starken Verankerung in der Bevölkerung des Landes könnte er in Berlin noch viel stärker auftreten. „Zu sagen, wir haben kein Geld für Straßenbau, reicht nicht“, sagte Müller.

Das Verkehrsministerium unter Winfried Hermann (Grüne) griff die IHK an. Sie erkläre erneut „wider besseres Wissen“, dass die Regierung keine neuen Straßen bauen lasse. Im Moment würden im Land neue Bundesstraßen für 900 Millionen Euro und neue Landesstraßen für 180 Millionen gebaut. Richtig sei, dass man im Moment mangels Geld keine neuen Baustellen eröffne, weil das die Fertigstellung der laufenden Projekte verzögern würde.