Dekra-Chef Stefan Kölbl Foto: dpa

Vor Krisen scheinbar unberührt wächst der Stuttgarter Prüfkonzern Dekra seit 12 Jahren kontinuierlich. Nach dem VW-Skandal dringt das Unternehmen auf mehr unabhängige Auto-Prüfungen.

Stuttgart - Europas größtes Test- und Sicherheitsunternehmen Dekra will im kommenden Jahr kräftig zulegen. Für das Unternehmen böten sich „enorme Wachstumschancen“ in den drei Lebensbereichen „Verkehr, bei der Arbeit und zu Hause“, sagte Dekra-Chef Stefan Kölbl am Donnerstag Abend am Stuttgarter Stammsitz. Dekra bedient diese drei Märkte mit Dienstleistungen im Prüf-, Ausbildungs- und Sicherheitsbereich. Ziel des 1925 gegründeten Betriebs sei es, „ein globaler Partner für eine sicherere Welt zu werden“, sagte der Dekra-Chef. Die Chancen dafür stehen zumindest nicht schlecht, denn im laufende Geschäftsjahr lief es blendend.

Laut vorläufiger Zahlen werden die Stuttgarter das Jahr mit einem satten Wachstum und einem Umsatzrekord abschließen. Nach Worten Kölbls werde der Konzernumsatz im Jahr 2015 nach vorläufigen Zahlen auf 2,7 Milliarden Euro steigen. Das entspreche einem Anstieg um sieben Prozent im Vergleich zum ebenfalls starken Vorjahreswert. Beim Gewinn gebe es eine ähnliche Entwicklung, sagte Kölbl, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Elf von zwölf Geschäftsbereichen wiesen aktuell starkes Wachstum aus. Lediglich die Ausbildungssparte sei „etwas unter die Räder gekommen“, sagte Kölbl. Hier stagnieren die Geschäfte.

15000 neue Mitarbeiter in sechs Jahren

Die technische Prüfgesellschaft Dekra ist im 90. Jahr ihres Bestehens damit – gemessen am Umsatz – das größte Branchenunternehmen auf den europäischen Kontinent und weltweit die Nummer vier.

Dem schnellen Umsatzwachstum entspricht ein hohes Tempo bei Neueinstellungen. Allein im bisherigen Verlauf des Jahres stellte der Stuttgarter Prüfriese 2400 neue Mitarbeiter weltweit ein. In den vergangenen sechs Jahren schlägt damit ein Plus von 15 000 Mitarbeitern zu Buche. Insgesamt beschäftigt man nun mehr als 37 000 Menschen in 50 Ländern – die Hälfte davon im Ausland.

Industrie 4.0 wird auch für Dekra immer wichtiger

Um immer komplexere Fahrzeugsysteme – etwa autonom fahrende Autos – auch in Zukunft auf Herz und Nieren prüfen zu können, stärt Dekra durch Zukäufe seine IT-Kompetenz. Eine spanische und eine Taiwanesische IT-Firma hat man sich in den vergangenen Monaten einverleibt und zudem mit einem weiteren nationalchinesischen Unternehmen ein Joint-Venture gegründet, das sich mit der immer stärkeren Verschmelzung des Internets mit Fahrzeugsystemen beschäftigen soll. Ziel sei es, die „störungsfreie Kommunikation“ bei zukünftigen Automobilen zu gewährleisten.

Nach dem VW-Abgasskandal sieht Kölbl „großen Handlungsbedarf sowohl bei den Zulassungsstandards für Fahrzeuge sowie bei den verantwortlichen Behörden wie dem Kraftfahrtbundesamt (KBA). Die Typzulassung von Autos müsse „realitätsnäher und unabhängiger“ ablaufen, sagte Kölbl. Tests sollten verstärkt durch externe Prüfer und nicht mehr durch die Hersteller vorgenommen werden. Auch beim Abgasausstoß sowie bei den Prüfverfahren sieht der Dekra-Chef einiges im Argen. Bei Neufahrzeugen dürfe der Schadstoffausstoß beispielsweise nicht mehr direkt im Auspuff gemessen werden, sondern müsse aus einer IT-Schnittstelle des Bordcomputers ausgelesen werden. Eine Praxis, die Kölbl hart kritisierte.