Ob im Terminal (links) oder auf dem Vorfeld – der Flughafen Stuttgart wirkt wie beinahe ausgestorben. Foto: Eyckeler/Flughafen Stuttgart

Pandemie kostet Airport monatlich Millionen. Geschäftsführer Schoefer fordert Entschädigung.

Stuttgart - An größere Reisen denkt in Zeiten von Corona wohl fast niemand. Ein Riesenproblem für Airlines und Airports. Ein Rundgang durch den Stuttgarter Flughafen zeigt, wie dramatisch die Lage ist.

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"Bitte lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt", hallt es mit fast ohrenbetäubendem Lärm durch das Terminal 3 des Stuttgarter Flughafens. Das Kuriose daran: Hier hat niemand am Lautstärkeregler gespielt, es ist nur sonst so gut wie keine Lärmquelle - etwa durch reges Passagiertreiben - zu vernehmen. Seit dem Lockdown durch das grassierende Coronavirus hat sich der Airport der Landeshauptstadt zu einer Geisterstadt verwandelt - verwaiste Check-in-Schalter, geschlossene Einkaufsläden und kaum ein Passagier zu sehen.

"Wir sind aus dem Himmel gefallen und hart aufgeschlagen", bringt Walter Schoefer die Situation am Flughafen auf den Punkt. Der Geschäftsführer der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) beobachtet aus dem Fenster die Bauarbeiten der neuen Stadtbahnverbindung in die City, die Ende 2021 bereits in Betrieb gehen soll. Doch auch wenn hier alles nach Plan läuft, ist das nur ein kleiner Trost für Schoefer. Ein Blick auf die Abflugtafel im Terminal erklärt die Sorgen des Geschäftsführers: ein Flug nach Palma de Mallorca und am Abend noch einer nach Hamburg, das war’s für diesen Tag.

FSG in wirtschaftlichen und finanziellen Nöten

"5 bis 10 Flugbewegungen haben wir im Schnitt am Tag aktuell. Normalerweise starten und landen 350 bis 400 Flieger täglich in Stuttgart", sagt Schoefer. Doch seit die Corona-Pandemie die Welt in Atem hält, ist für viele nicht an Flugreisen zu denken. Und selbst wenn - durch die Reisewarnungen und -beschränkungen der verschiedenen Länder ist ein normaler Flugbetrieb gerade überhaupt nicht möglich.

Das bringt die FSG um ihren Geschäftsführer in wirtschaftliche und finanzielle Nöte. Von 2200 Mitarbeitern des FSG-Konzerns befinden sich mittlerweile 1800 in Kurzarbeit. Die wenigen Flüge, die noch starten, werden alle im Terminal 3 - dem größten - abgefertigt. In den drei weiteren Terminals herrscht kein Betrieb. Die Klimaanlagen sind in diesen Abschnitten heruntergefahren, lediglich die Notbeleuchtung ist eingeschaltet. Auch einige geplante Investitionen müssen erst einmal auf Eis gelegt werden: zum Beispiel die Modernisierung des Terminal 4. "Das tut schon sehr weh", meint Schoefer.

Bis zu 10 Millionen Euro kostet der Flughafen monatlich

Es gibt aber auch Investitionen, die nicht aufgeschoben werden können. So wird gerade die Landebahn für 30 Millionen Euro teilerneuert. Bereits bestellte Elektro-Fahrzeuge müssen bezahlt werden, Maßnahmen beim Brandschutz dürfen ebenfalls nicht aufgeschoben werden. Zudem nicht aufs Eis legen will der FSG-Chef das Engagement des Flughafens zur Förderung von synthetischen Kraftstoffen, um die Fliegerei künftig weniger umweltschädlich zu machen.

Hinzu kommen noch die laufenden Kosten: "Alles in allem müssen wir monatlich bis zu 10 Millionen Euro berappen, um den Flughafen einfach nur am Laufen zu halten" erklärt FSG-Chef Schoefer. Das ist viel Geld, vor allem wenn aktuell fast keine Einnahmen erzielt werden. Grund genug für den Flughafen-Chef, sich an die Bundesregierung zu wenden.

Für ein baldiges Wiederhochfahren des Betriebs sehen sich die Verantwortlichen bestens gerüstet

Eigentlich stehen dem Flughafen in Stuttgart keine Liquiditätshilfen aufgrund der Corona-Krise zu. Schoefer fordert deswegen Unterstützung vom Staat. Seine Begründung: "Wir müssen uns an die sogenannte verordnete Betriebspflicht halten. Das heißt, der Flughafen hat die Pflicht, geöffnet zu bleiben, und die geplanten Flüge abzufertigen." Nun lässt sich ein Flughafen in dieser Größe mit maximal zehn Flügen pro Tag nicht annähernd wirtschaftlich erfolgreich unterhalten. Und so hofft Schoefer, dass Berlin wenigstens für die anfallenden Vorhaltekosten aufkommt - man befindet sich im Dialog.

Geht es nach ihm, würde Schoefer liebend gern wieder zurück zum Normalbetrieb. "Unsere Mitarbeiter warten nur darauf, zurück aus der Kurzarbeit zu kommen." Für ein baldiges Wiederhochfahren des Betriebs sieht sich der Airport bestens gerüstet: "Die Reinigungsfrequenzen haben wir deutlich erhöht, Desinfektionsmittel-Spots wurden errichtet und der Betriebsarzt hat vorgegeben, wo Plexiglasscheiben für den Spuckschutz installiert werden müssen", zählt Schoefer nur einige der getroffenen Maßnahmen auf, zu denen seit dem 11. Mai auch eine Maskenpflicht für den gesamten Flughafen bis zum Betreten des Fliegers gehört - von da an müssen die Airlines entscheiden.

Die Lust am Reisen vergeht nicht

Täglich kommt der Flughafen-Chef ins Büro - viel Zeit verbringt er am Telefon, betreibt Krisenmanagement. Nicht nur die eigenen Mitarbeiter müssen versorgt werden. "Es ist eine große Herausforderung, zu schauen, dass niemand in der großen Flughafenfamilie während der Krisen-Zeit über Bord geht." Die Rede ist etwa von den Autovermietungen, Reisebüros oder Geschäften, die am Airport ebenfalls ihr Geld verdienen - aber eben nur, wenn auch Passagiere da sind.

Trotz vieler Sorgen, wagt Geschäftsführer Schoefer einen vorsichtig optimistischen Blick in die Zukunft. "Ich denke, dass viele Menschen nach der Krise auch ihr Reiseverhalten überdenken werden. Innerdeutsche Flüge sowie Geschäftsreisen gehen wahrscheinlich zurück. Aber die Lust am Reisen, vergeht nicht. Der Wunsch nach Mobilität wird wieder kommen."