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Bis zu 100 Millionen Euro notwendig - Bürgermeister Föll gegen "Schwimmoper" im Neckarpark.

Stuttgart - In Stuttgarts Bädern versickern Millionengelder. Im ersten Halbjahr 2011 machten sie rund 5,9 Millionen Euro Verlust. Teure Sanierungen waren mitschuldig daran - doch der Sanierungsaufwand bleibt riesig. Die Bugwelle beläuft sich auf bis zu 100 Millionen Euro. Die Kommunalpolitik sucht eine Strategie.

Sich Bäderstadt nennen, ist nicht schwer - Bäderstadt sein dagegen sehr. Die Schwimmhallen und Freibäder kosten viel Geld. Die meisten Hallenbäder in Stuttgart sind um die 40 Jahre alt. Das ist in anderen Städten nicht besser. "Aber andere Kommunen machen richtig viel - jetzt muss Stuttgart sich auch entscheiden", meint ein Bäderexperte im Rathaus.

Die Defizite: In den vergangenen Jahren kostete der Betrieb der Bäder um die zehn Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2011 sind schon 5,9 Millionen Euro aufgelaufen - rund 1,25 Millionen Euro mehr als 2010. Das liegt an aufwendigen Sanierungen im Mineralbad Leuze und im Hallenbad Zuffenhausen für insgesamt 2,14 Millionen Euro. Beim Leuze gingen auch noch die Einnahmen stark zurück: Mit einem Besucherminus von bis zu 25 Prozent hatte man wegen der Arbeiten zwar gerechnet, tatsächlich sind es aber weit über 30 Prozent.

Das neueste Gutachten: Wenn man den Bestand beibehalte und den Weiterbetrieb sichere, dürften Sanierungskosten zwischen 79,4 und 101,8 Millionen Euro entstehen, hat ein Beraterbüro errechnet. Würde man das Mineralbad Berg, das Freibad Sillenbuch und eines der sanierungsbedürftigen Hallenbäder schließen, könnten auch 52,4 bis 68,2 Millionen Euro reichen. Eine mittlere Variante sieht vor, dass alle Bäder sparsam betrieben werden, in Berg ein Gesundheitsbad entsteht und das Freibad Sillenbuch nach einer Einfachsanierung in private Trägerschaft übergeht.

Das Angebot und die bisherigen Anstrengungen halten die Gutachter für gut bis vorbildlich. Bei Gesundheit, Wellness und Ruhe erkennen die Gutachter aber ebenso Steigerungsmöglichkeiten wie bei Freizeit- und Familienangeboten.

Das einzige Neubauvorhaben ist zurzeit das Sporthallenbad im Neckarpark mit 50-Meter-Becken. Darauf setzen auch die Gutachter. In der Kommunalpolitik hat es viele Unterstützer, in Sportkreisen ist jüngst allerdings der Bau eines zweiten Beckens gefordert worden. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) lehnt dies entschieden ab.

Für ein zweites Becken ist kein Geld da

Sinn und Zweck des Vorhabens sei es nicht, ein großes Veranstaltungsbad für deutsche oder internationale Meisterschaften oder eine "Schwimmoper" zu realisieren, sagte Föll unserer Zeitung. Es gehe darum, Ersatz für das sanierungsbedürftige Hallenbad Cannstatt (drohende Kosten: rund sechs Millionen Euro) zu schaffen und sich die Erneuerung der Traglufthalle über dem 50-Meter-Becken im Inselbad zu ersparen. Die Finanzierung stehe und falle mit der Nutzung für den Wasserball. Danach würden die Zuschüsse für die Stadt bemessen - rund vier Millionen Euro.

Bedenken gegen die gemeinsame Nutzung des einzigen Beckens durch Schwimmschüler und Leistungssportler wies Föll zurück: "Mitteleuropäern muss zuzumuten sein, im 24 oder 25 Grad warmen Wasser sowohl Sport zu betreiben wie auch schwimmen zu lernen." Das ist Fölls Antwort auf Alexander Wolff, den Vorsitzenden des Schwimmerbunds Schwaben 1895 Stuttgart. Auch dessen Sorge, dass die von den Sportschwimmern oder Wasserballern ausgelösten Wellen Schwimmschülern gefährlich werden, versteht Föll nicht: "Im 25-Meter-Becken ist gleichzeitiges Schwimmen und Planschen auch kein Problem."

Ein zweites Becken würde die bisher auf 13,7 Millionen Euro geschätzten Investitionskosten für das Sportbad um zwei bis zweieinhalb Millionen Euro erhöhen, glaubt Föll. Es würde aber auch die Betriebskosten ausufern lassen. Ob der Platz am geplanten Standort ausreiche, wisse man auch noch nicht. Fazit: Wer ein zweites Becken wolle, mache die Finanzierung des Sportbads schwieriger. Die von den Schwimmvereinen eingesetzten Arbeitsgruppen könnten zwar über die Details der Konzeption noch tüfteln. "Wir haben aber kein unbegrenztes Zeitfenster." Wenn man die Chance verpasse, werde vielleicht lang nichts mehr möglich sein. In wenigen Wochen wird es darum gehen, ob die Planungsmittel in Höhe von 1,1 Millionen Euro in den Stadthaushalt 2012/2013 eingestellt werden.

Die strategischen Fragen: Konsequenzen aus dem Gutachten wollen die Kommunalpolitiker im ersten Halbjahr 2012 ziehen. Am Freitag machten in nichtöffentlicher Sitzung des Bäderausschusses dem Vernehmen nach aber bereits alle Fraktionen klar: "Die Schließung des Mineralbads Berg kommt nicht infrage." Die Schließung des Freibads Sillenbuch gilt ebenfalls als nicht realistisch. Bei den Wünschen der Stuttgarter für den Bürgerhaushalt stand die Erhaltung des Freibädles ganz oben auf der Liste - und OB Wolfgang Schuster verwies alle Schließungsgerüchte ins Reich der Fabel. Zudem stellte sich Föll bisher stets auf den Standpunkt, dass er außer dem Hallenbad Cannstatt keine Einrichtung schließen möchte.

Die Herausforderung der Stuttgarter Bäderbetriebe durch bestehende Freizeitbäder (wie das Fildorado in Filderstadt) oder neue Bäder (wie in Backnang und Sinsheim) soll bei den strategischen Überlegungen mitbedacht werden.

Der Auftrag an die Bäderbetriebe: Ihre Chefin Anke Senne steht seit Freitagvormittag auch im Wort, am 9.Dezember einen Vorschlag für ein einfacheres Tarifsystem vorzulegen. Das bisherige System halten die Gutachter für aufgebläht.