Für weitere Gleise müsste der Tiefbahnhof der Länge nach aufgerissen, oder sie müssten in zwei neue Tunnel gelegt werden. Foto: Kraufmann

Die Bahn kommentiert die Verbesserungswünsche ihres Experten Gerhard Heimerl nicht.

Stuttgart - Gerhard Heimerl, der Ideengeber zu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof, hat Verbesserungen für das Bahnprojekt Stuttgart21 angemahnt. Der Bauherr Bahn hält sich bedeckt. Die Projektgegner sehen ihre Kritik bestätigt.

Heimerl hatte am Mittwoch in unserer Zeitung mehrere Stellen der geplanten Infrastruktur als verbesserungswürdig angesprochen und für Ausbauoptionen geworben. Dazu zählen zum Beispiel die bei Wendlingen vorgesehene Einfädelung der von Tübingen kommenden Neckartalbahn in die ICE-Strecke Wendlingen-Ulm. Nach bisheriger Planung muss hier jeder von Tübingen kommende Zug das nach Ulm führende Gleis kreuzen, um Richtung Stuttgart gelangen zu können. Mit einer vergleichsweise einfachen Unterfahrung der ICE-Strecke wäre die Kreuzungssituation zu lösen.

Bahn will eingleisige Engstelle weiten

Der frühere Leiter des Verkehrswissenschaftlichen Institutes der Uni Stuttgart, der in der laufenden Schlichtung zu Stuttgart 21 für die Bahn als Experte am Tisch sitzt, hat früh auf mögliche Konfliktstellen hingewiesen. Diese können die Leistungsfähigkeit des neuen Systems reduzieren. Zur eingleisigen und niveaugleichen Anbindung bei Wendlingen schrieb Heimerl bereits 1996 an die Bahn: "Ich halte das nach wie vor für nicht tauglich/empfehlenswert für eine zukunftsorientierte Planung. Zumindest sollte man dort, wo man nach heutigen Betriebsanforderungen meint, mit einer Sparlösung auskommen zu können, die Option einer späteren leistungsfähigen Lösung offen halten". An anderer Stelle spricht er von einer "Kette von Zwangspunkten".

Die Bahn AG lehnte am Mittwoch jede Stellungnahme ab. Die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 werde von Schlichter Heiner Geißler am Samstag aufgerufen, danach sehe man weiter, so die Auskunft aus dem Stuttgart-21-Kommunikationsbüro. Für die Infrastruktur in Wendlingen hat die Bahn Baurecht. Eine Änderung würde ein erneutes so genanntes Planfeststellungsverfahren auslösen, womit Zeit verloren ginge.

Auf Druck des Landes und der Projektgegner, die Berechnungen öffentlich gemacht hatten, will die Bahn eine eingleisige Engstelle am Flughafen weiten. Zwischen der Neubaustrecke und dem neuen Flughafen-Fernbahnhof soll ein zweites Gleis für voraussichtlich 35 Millionen Euro gebaut werden. Auch dies hatte Heimerl bereits 1996 als "sinnvolle Option" erkannt.

"Stuttgart 21 ist auf Kante genäht"

Dass der neue Tiefbahnhof und das Tunnelsystem bei steigender Belegung auch Schwächen zeigen könnten, hat Ulrich Müller, der frühere Verkehrsminister des Landes, eingeräumt. Der CDU-Politiker sprach Mitte November auf einer Parteiveranstaltung in Radolfzell. "Wir bekommen ein hocheffizientes, aber auch hoch störanfälliges System", sagte Müller laut dem Südkurier. Bis 2020 - dann soll der neue Bahnhof in Betrieb gehen - gebe es aber noch Gelegenheiten für Verbesserungen.

An Müllers früherem Arbeitsplatz gibt man sich weniger verschlossen als bei der Bahn. "Sollten Verbesserungen notwendig werden, räumt Karl Franz, der Sprecher von Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) ein, dann werde man reagieren. "Dann muss das aber auch von allen, auch den Grünen, getragen werden", sagt Franz mit Blick auf mögliche Mehrkosten. "Akut" müsse man das zweite Gleis zum Flughafen machen und vielleicht die von Geißler angesprochene Behindertenfreundlichkeit im Bahnhof verbessern. Außerdem müssen man "bei der weiteren Umsetzung der Tunnelbauten Voraussetzungen treffen, um die Gleise von Feuerbach und Bad Cannstatt zum Bahnhof zu verbinden". - Auch das hatte Heimerl vorgeschlagen.

"Stuttgart 21 ist auf Kante genäht"

Das Aktionsbündnis der Tiefbahnhof-Gegner sieht seine bisherige Kritik durch Heimerls Vorstoß bestätigt. "Stuttgart 21 ist auf Kante genäht, wenn nun ein paar Probleme gelöst werden, stellt das unsere grundsätzliche Kritik nicht ab", sagt Brigitte Dahlbender, die Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz. Dass Heimerl als Option auch für eine Bahnhofsbreite werbe, die zehn statt acht Gleise aufnehme, hält Dahlbender für "aberwitzig".

"Warum wird nicht gleich ordentlich geplant?", sagt Werner Korn, Geschäftsführer des Verkehrsclub Deutschland. Man teile Heimerls Kritik und Anregungen. Bei der Bahn habe man sich offenbar keine Gedanken darüber gemacht, was es koste, nachträglich weitere Gleise zu bauen. Entweder müssten rechts und links am Tiefbahnhof je ein eingleisiger Tunnel gebaut oder es müssten die Außenwände der 420 Meter langen Station aufgerissen werden. Die Bahn bestätigte diese beiden Varianten. "Das Erfordernis ist aber nicht da", sagte eine Sprecherin.