Die Bahn hat nach der Kostenexplosion bei Stuttgart 21 die sogenannte Sprechklausel gezogen, um mit den Projektpartnern über die Verteilung der Zusatzkosten zu verhandeln. Foto: www.7aktuell.de | Florian Gerlach

Die Deutsche Bahn hat nach der Kostenexplosion bei Stuttgart 21 die so genannte Sprechklausel gezogen, um mit den Projektpartnern über die Verteilung der Zusatzkosten zu verhandeln.

Stuttgart - Gut zwei Wochen vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung der Bahn zu Stuttgart 21 verstärkt der Konzern den Druck auf die Projektpartner. Nach der Kostenexplosion für den geplanten Tiefbahnhof samt Anbindung an die Schnellbahnstrecke nach Ulm hat der Bahn-Vorstand nach dpa-Informationen die sogenannte Sprechklausel gezogen. Damit eröffnet der Staatskonzern offiziell die Verhandlungen mit dem Land Baden-Württemberg, der Stadt und der Region Stuttgart über die Verteilung von Kosten über den bisherigen Finanzrahmen von 4,5 Milliarden Euro hinaus. Zu einer Klärung mit Hilfe der Sprechklausel hatte auch der Aufsichtsrat den Vorstand aufgefordert.

Dabei geht es um 1,1 Milliarden Euro „Kalkulationsabweichungen“, die zu übernehmen der Bahnvorstand bislang anbietet; allerdings muss darüber noch der Aufsichtsrat voraussichtlich am 5. März abstimmen. Hinzu kommen noch Kostenrisiken in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, etwa infolge des S-21-Schlichterspruchs und der neuen Variante des Filderbahnhofs. Hier pocht der Konzern auf eine finanzielle Beteiligung der Projektpartner.

Hermann: "Sprechen bedeutet nicht zahlen"

Das Instrument Sprechklausel war im Finanzierungsvertrag festgehalten worden; sie wird aber völlig unterschiedlich interpretiert. Das Land weigert sich bislang, mehr als die zugesagten 930 Millionen Euro beizusteuern. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte stets betont: „Sprechen bedeutet nicht zahlen“. Ein Handlungszwang bestehe nicht.

Auch der neue Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn hatte mehrfach betont, dass die Kommune nicht mehr als die bereits in Aussicht gestellten knapp 292 Millionen Euro beisteuern werde. Nach Überzeugung der S-21-Bauherrin Bahn enthält die Sprechklausel aber eine Beteiligung der Projektpartner an Zusatzkosten. Bahn-Chef Rüdiger Grube hatte sich diese Auffassung auch von einem Gutachten bestätigen lassen.

Der Bundestagsabgeordnete Norbert Barthle (CDU) hatte eine Klage des Bundes gegen Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt ins Gespräch gebracht. „Wenn das Land und die Stadt die Mehrkosten nicht mitragen wollen, sollte sich der Bund überlegen, ob er die Vertragstreue der Projektpartner einklagt.“

Bahn-Vorstand Volker Kefer war am Montag offiziell in die Gespräche über einen Kostenbeitrag des Landes mit Hermann gegangen. Am Dienstag will er die Stadt Stuttgart und den Verband Region Stuttgart konsultieren. Sollten sich Land und Stadt weiter weigern, sich an den Mehrkosten zu beteiligen, könnte die Bahn vor Gericht ziehen. Hermann hatte einen Rechtsstreit prophezeit : „Sollte die Bahn von der Sprechklausel Gebrauch machen, reden wir natürlich, aber die Entscheidung fällt dann vor Gericht.“

Geißler für Weiterbau

Der frühere Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler hat unterdessen seinen Vorschlag einer Kombi-Lösung aus Kopf- und Tiefbahnhof wieder ins Gespräch gebracht. „Man sollte, wenn jetzt dieses Projekt zur Debatte steht, auf jeden Fall diese Kombi-Lösung ernsthaft prüfen. Das erwarte ich von allen Beteiligten“, sagte er in Stuttgart. Dazu müssten die Beteiligten vom hohen Ross herunterkommen und kompromissbereit sein.

Der Stuttgarter Flughafen unterstrich mit Blick auf Überlegungen im Bahn-Aufsichtsrat, er erwarte, dass die Bahn Fernverkehrszüge über den Airport schickt. „Der Kern des Stuttgart 21 zugrundeliegenden Konzeptes ist es, den Flughafen mit ICE- und Interregio-Zügen anzubinden“, sagte Geschäftsführer Walter Schoefer. Das sei auch im Finanzierungsvertrag festgehalten. Damit reagierte er auf Gedankenspiele im Aufsichtsrat, Stuttgart 21 abzuspecken, etwa durch Verzicht auf einen ICE-Halt am Landesflughafen.

Was ist die Sprechklausel zu Stuttgart 21?

Sie war immer wieder im Gespräch, die Sprechklausel zu Stuttgart 21. Nun hat sie mit der Bahn einer der S-21-Projektpartner wirklich gezogen. Die Voraussetzung dafür ist erfüllt. Denn der bisherige Finanzierungsrahmen von 4,5 Milliarden Euro wird auch nach Prognose des Konzerns überschritten.

Die Regelung im Finanzierungsvertrag für das Bahnprojekt Stuttgart 21 zum Thema Kostenüberschreitung ist denkbar mager. Dies ist wohl auch ein Grund dafür, dass die Projektpartner diesen Passus sehr unterschiedlich interpretieren. Im Paragrafen acht, Absatz vier, des Vertrags steht: „Im Fall weiterer Kostensteigerungen nehmen die Eisenbahninfrastrukturunternehmen und das Land Gespräche auf.“

Die unterschiedlichen Auffassungen zu Inhalt und Folgen der Sprechklausel könnten auch zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führen. Dann müssten Richter entscheiden, wie der Passus im Vertrag zu verstehen ist. Bislang hatte die Bahn allerdings betont, den Konflikt nicht vor dem Kadi zu lösen.