Nicht nur der Tunnelbau für Stuttgart 21 läuft rund um die Uhr Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Sowohl Landesbischof Frank Otfried July als auch die Projektgegner kritisieren die Sonntagsarbeit beim Bahnprojekt Stuttgart 21. Der eine aus kirchlichen, die anderen aus juristischen Gründen.

Stuttgart - Der evangelische Landesbischof Frank Otfried July hat in seiner Neujahrsbotschaft vor einer Aushöhlung des Sonntagsschutzes durch wirtschaftliche Interessen gewarnt. Mit Sorge betrachte die Kirche nicht nur „die ausufernden verkaufsoffenen Sonntage, sondern auch den sonntäglichen Betrieb von Großbaustellen wie Stuttgart 21“. Das ist Wasser auf die Mühlen der Projektgegner, wenngleich die Motive unterschiedlich sind – denn ihrer Meinung nach verfügt die Bahn über keine gültige Genehmigung für Sonntagsarbeit.

Der Konzern missachte den landesgesetzlich geregelten Sonn- und Feiertagsschutz „nachhaltig grob“, schreibt Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, jetzt in einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Sämtliche Behörden erklärten sich für unzuständig, „der Rechtsschutz der Kirchen und der durch sonntägliche Sprengungen persönlich verletzten Menschen“ bleibe dadurch „ständig auf der Strecke“. Kretschmann müsse deshalb eingreifen.

Strafanzeige gegen die Bahn

Mittlerweile haben die Projektgegner auch Strafanzeige gegen die Bahn erstattet – in Person von Rechtsanwalt Ulrich Ebert. Konkret geht es dabei um Arbeiten am Totensonntag sowie an den ersten drei Adventssonntagen. „Es heißt immer, die Bahn habe alle Genehmigungen. Die aber hatte sie noch nie“, sagt Ebert. Man rede dabei nicht vom Arbeitszeitgesetz, das die Arbeitnehmer schütze, sondern vom Feiertagsgesetz. Die Behörden hätten es geschafft, „ein heilloses Wirrwarr zu produzieren“.

In der Tat ist die Klärung der Zuständigkeiten nicht einfach. Ein Projektsprecher weist nur darauf hin, dass „sämtliche Bauarbeiten mit Genehmigung der zuständigen Behörden erfolgen“. An den christlichen Hauptfeiertagen über Weihnachten und Ostern ruhten die Arbeiten komplett, auch in den Tunneln, die ansonsten rund um die Uhr vorangetrieben werden.

Doch wer ist zuständig? Das Eisenbahn-Bundesamt jedenfalls will es nicht sein. „Es gilt, dass die Bahn die Regelungen des Sonn- und Feiertagsgesetzes beachten muss. Da es sich um ein Landesgesetz handelt, ist das Eisenbahn-Bundesamt nicht die für seinen Vollzug zuständige Behörde“, sagt ein Sprecher. Die Überwachung dieser gesetzlichen Regeln liege beim Ordnungsamt der Stadt.

Stadt: „Arbeiten erlaubt“

Dort sieht man dagegen „keine Regelungskompetenz“ – hat aber eine rechtliche Auffassung. Und die lautet, so Sprecherin Jana Braun, dass das Feiertagsgesetz „nicht zur Anwendung kommt“. Das Eisenbahn-Bundesamt habe die Arbeiten, besonders den Tunnelbau, in der Planfeststellung rund um die Uhr genehmigt. Dies entfalte eine „Konzentrationswirkung“, weitere öffentlich-rechtliche Genehmigungen seien dadurch nicht erforderlich. „Nach allgemein herrschender Rechtsauffassung gilt das auch mit Blick auf die Bestimmungen des Feiertagsgesetzes.“ Zudem hätten die Firmen Ausnahmegenehmigungen für ihre Arbeitnehmer laut Arbeitszeitgesetz. Die Stadt kommt zum Fazit: „Im Ergebnis erlauben Planfeststellung und Arbeitszeitgesetz das sonn- und feiertägliche Arbeiten auf den Tunnelbaustellen von S 21.“ Zur selben Auffassung gelangt das Innenministerium.

Im Bischofsbüro betont man derweil, die Aussage Julys habe sich generell gegen die wirtschaftlich motivierte Arbeit an Sonntagen gerichtet. Mit den juristischen Streitigkeiten um die Genehmigung bei Stuttgart 21 habe das nichts zu tun. Zumindest am Rande aber wohl mit einem anderen Punkt: Immer wieder höre man aus Stuttgarter Gemeinden Beschwerden über den Baulärm. Der störe oft nicht nur die Anwohner, sondern auch Gottesdienste oder Kirchenkonzerte.