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Ein Kommissar nennt Polizeieinsatz im Schlossgarten "überzogen" und wird kritisiert.

Stuttgart - War es eine maßlose Übertreibung oder ein ehrlicher Rückblick? Kritische Äußerungen eines Mannheimer Polizisten über den Einsatz mit Wasserwerfern und Pfefferspray gegen Stuttgart-21-Gegner am 30. September sorgen für neue Verwirrung.

Der Polizeikommissar, zugleich führendes Mitglied der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hatte sich zuletzt kritisch zu dem Einsatz im Schlosspark geäußert und ihn als "überzogen" bezeichnet. Im "Hamburger Abendblatt" wurde er gar mit den Worten zitiert: "Wir werden von der Politik immer mehr missbraucht und verheizt." Und weiter: "Wenn man scharfe Kampfhunde, ich meine die Polizei-Spezialeinheiten, mit zu einer Demonstration nimmt und sie dann auch noch ohne ersichtlichen Grund von der Leine lässt, dann beißen sie ohne Erbarmen zu. Dafür wurden sie gedrillt."

Unbestätigten Informationen zufolge hat der Beamte intern inzwischen betont, diese Aussagen nicht gemacht zu haben. Der Mannheimer Polizeipräsident Gerhard Klotter sagte jetzt, der Beamte sei befragt worden. Bis zur Klärung des Sachverhalts würden keine dienstrechtlichen Maßnahmen ergriffen. Fakt ist aber: Der Beamte wird bis auf weiteres nicht mehr außerhalb von Mannheim eingesetzt.

Als Nestbeschmutzer beschimpft

Inzwischen toben hinter den Kulissen heftige Auseinandersetzungen. Nach Gewerkschaftsangaben wird der Polizist auch von eigenen Kollegen kritisiert und als Nestbeschmutzer beschimpft. Landeschef Rüdiger Seidenspinner machte am Mittwoch in einem offenen Brief die Politik mitverantwortlich für die Entwicklung. "Der Einsatz der Polizei hat das Gegenteil von dem erreicht, was er bewirken sollte: Statt eine Konfliktsituation zu befrieden, hat der Einsatz zur weiteres Eskalation geführt und zu einem Riss, der quer durch das Bundesland, durch Familien und die Polizei führt." Der Einsatz war rechtmäßig, schreibt Seidenspinner, die Demonstranten waren keineswegs ausnahmslos friedlich, letztendlich sei "der Polizeieinsatz zu diesem Zeitpunkt aber politisch unklug" gewesen. Die Gewerkschaft der Polizei habe deshalb das Recht, "die politischen Folgen eines auch rechtmäßigen Einsatzes zu hinterfragen". Politik und Polizeiführung dürften keinen Druck auf Beamte machen, "die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen".

So sieht das auch die SPD. Landtags-Fraktionschef Claus Schmiedel hat die Landesregierung nun gewarnt, "kritische Polizisten maßregeln zu wollen". Die Gewerkschaft ihrerseits zieht bereits die Konsequenzen. Bis zur Aufarbeitung der Thematik im Landtags-Untersuchungsausschuss werde man "keine öffentliche Bewertung mehr vornehmen", sagte Seidenspinner.