Stuttgart - Seit Monaten zelten Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 im Schlossgarten. Inzwischen beklagen immer mehr Kritiker die Zustände im Park. Auch die Wilhelma-Gärtner beschweren sich. Doch die Stadt steckt in der Zwickmühle.

Noch immer stecken die Bilder vom Polizeieinsatz am 30. September in vielen Köpfen. Damals ist der Mittlere Schlossgarten zum Brennpunkt geworden. Inzwischen ist dort ein bisschen Ruhe eingekehrt. Weitere Arbeiten im Park sind erst für den nächsten Herbst angekündigt. Doch manche Projektgegner trauen der Ruhe nicht - und haben ihren Lebensmittelpunkt in den Schlossgarten verlegt.

Der Abschnitt vom Leitnersteg bis zum Biergarten gleicht einem Campingplatz. Zahlreiche Zelte sind aus Planen und Gestängen zusammengebastelt, Transparente hängen an den Bäumen, Dixi-Klos stehen im Gebüsch. Es wird diskutiert, gegrillt und gefeiert. Auf mehreren Bäumen haben sich Aktivisten der Umweltorganisation Robin Wood eingerichtet. Rund 50 Menschen sind permanent hier - Projektgegner ebenso wie einige Obdachlose. "Wir haben hier nicht nur Aktivisten, sondern auch Menschen, die es gewohnt sind, draußen zu leben", umschreibt es eine Frau.

Derzeit werden Unterschriften für Sammelbeschwerde gesammelt

Die Stadt hofft vielmehr auf die Einsicht der Betroffenen - und die Hilfe der Projektgegner. Vor einigen Tagen gab es Gespräche mit dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. "Das Problem ist offensichtlich", sagt dessen Sprecher Gangolf Stocker, "wenn Familien dort vorbeikommen, kriegen sie einen Schreck." Im Park habe sich eine Szene etabliert, mit der man nichts zu tun habe, dennoch habe man den Leuten vorgeschlagen, die Zelte jetzt abzubauen.

Die CDU-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat hat jüngst eine Anfrage an die Stadtverwaltung gerichtet. Der Schlossgarten sei Teil des Erholungsraums für alle Bürger und Aushängeschild für Stuttgart, biete derzeit aber "einen katastrophalen Anblick" durch "zerlumpte, unschöne Zeltbauten". Die Stadträte wollen deshalb wissen, ob die Zelte erlaubt sind und falls nicht, warum man sie nicht entfernt.

Frisch verlegter Rasen wurde herausgerissen

Darauf hat Alfons Nastold vom Amt für öffentliche Ordnung eine klare Antwort. Am Anfang habe das Land die Dauermahnwache mit einem Zelt genehmigt, "alles andere ist illegal". Die Beschwerden von Bürgern beider Lager häuften sich, auch die Gärtner der Wilhelma, die sich um die Pflege des Schlossgartens kümmern, haben offiziell Beschwerde bei der Stadt eingelegt. Manche Arbeiten seien schlicht nicht mehr möglich. Zudem wurde frisch verlegter Rollrasen herausgerissen und über den Zaun in die Baustelle des Grundwassermanagements geworfen. "Da läuft manches aus dem Ruder", sagt auch Nastold.

Doch die Stadt steht vor einem Problem. Bereits zweimal hat die Polizei vor Monaten die Zelte unter großem Widerstand abgeräumt. Kurz darauf waren sie wieder da. "Solche Aktionen müssen dauerhafte Wirkung haben", sagt Nastold deshalb. Zudem scheuen die Behörden derzeit weitere Bilder von Polizeieinsätzen im Schlossgarten - auch wegen der Friedenspflicht während der Schlichtung. "Wir bedauern, dass es durch die übermäßige Beanspruchung zu Beschädigungen kommt", heißt es aus dem Finanzministerium vorsichtig. "Wie es weitergeht, ist offen", so Nastold, "aber eine große Aktion wird es erst einmal nicht geben."

Die Stadt hofft auf Einsicht

Die Stadt hofft vielmehr auf die Einsicht der Betroffenen - und die Hilfe der Projektgegner. Vor einigen Tagen gab es Gespräche mit dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. "Das Problem ist offensichtlich", sagt dessen Sprecher Gangolf Stocker, "wenn Familien dort vorbeikommen, kriegen sie einen Schreck." Im Park habe sich eine Szene etabliert, mit der man nichts zu tun habe, dennoch habe man den Leuten vorgeschlagen, die Zelte jetzt abzubauen.

Die IG Bürger für Stuttgart 21 attackiert die Parkschützer. Sie hätten in den vergangenen Wochen den Park nicht geschützt, sondern "verschmutzt und zerstört, und zwar mehr, als es die Bauarbeiten für Stuttgart 21 je tun werden". Doch auch die Parkschützer-Initiative distanziert sich jetzt vom Zeltlager. "Das hat mit uns nichts mehr zu tun", beteuert Sprecher Matthias von Herrmann. Die Situation sei nicht schön, man führe auch Gespräche, man könne aber "niemandem Vorschriften machen".

Nach einem freiwilligen Rückzug sieht es derzeit nicht aus. "Wir werden bleiben, bei Wind und Wetter", sagt ein Mann und fegt mit dem Besen das Laub von den Zeltplanen. "Wir bleiben auf den Bäumen", sagt auch Kei Andrews von Robin Wood. Sie seien Wachtposten, um die Entwicklung zu beobachten. Man traue der Ruhe nicht: "Bei Großprojekten wird viel versprochen."