Einem Gutachten zufolge gibt es für den Tiefbahnhof von Stuttgart 21 derzeit „kein genehmigungs- und funktionsfähiges Brandschutzkonzept“. Foto: dpa

Bahn-Vorstand Volker Kefer äußert sich im Interview zu den Mehrkosten aus dem neuen Brandschutzkonzept. Er will an der Architektur des Bahnhofs festhalten.

Stuttgart - Ein Gutachten zum Brandschutz hat die Sicherheits- und Kostendebatte um Stuttgart 21 neu entfacht. Im Interview nimmt Volker Kefer, Vorstand der Deutschen Bahn für Infrastruktur, Stellung.

Ein jüngst öffentlich gewordenes Gutachten im Auftrag der DB AG kommt zu dem Schluss, dass es für den Tiefbahnhof von Stuttgart 21 derzeit „kein genehmigungs- und funktionsfähiges Brandschutzkonzept“ gibt. Was bedeutet das?
Das ist keine neue Erkenntnis. Jeder weiß, dass das bereits genehmigte Brandschutzkonzept aus der Planfeststellung von 2003 überarbeitet werden musste, weil die Vorschriften inzwischen verschärft wurden. Diese Überarbeitung läuft derzeit. Zum aktuellen Arbeitsstand lag im Sommer ein Gutachten vor. Zu diesem Gutachten haben wir eine Expertise beauftragt. Diese enthält kritische Hinweise, denen wir jetzt nachgehen. Aber genau das ist ja genau der Sinn, wenn man eine zweite Meinung einholt. Dass dieses Thema gerade jetzt zugespitzt wird und hohe Wellen schlägt in Stuttgart, dürfte auch dem OB-Wahlkampf geschuldet sein.

Das Eisenbahn-Bundesamt hat bereits 2010 ein neues Brandschutzkonzept verlangt, das der veränderten Gesetzeslage Rechnung trägt. Warum ist es der DB bisher nicht gelungen, diese Aufgabe abzuarbeiten? Wo sie doch in wenigen Monaten konkret mit dem Bau des Bahnhofs beginnen wollen?

Nach der Volksabstimmung Ende 2011 haben wir angefangen, ein neues Brandschutzkonzept zu erarbeiten. Wir entwickeln es gemäß den Anforderungen der Feuerwehr, der Brandschutzbehörden und des DRK weiter und haben auch ein Gutachten eingeholt. Bis Mitte 2013 haben wir Zeit. Sollten sich Änderungen für den Rohbau des Bahnhofs ergeben, werden wir diese bis dahin berücksichtigen.

Verzögert das fehlende bzw. zu verbessernde Brandschutzkonzept den Zeitplan für die (Ausführungs-)Planung, die Genehmigung, den Bau bzw. die Fertigstellung des Tiefbahnhofs?
Nein. Ich gehe davon aus, dass das fertige Brandschutzkonzept keine grundlegenden Umplanungen des Architektenentwurfs erfordern wird.

Einige zentrale Kritikpunkte der Schweizer Gutachter wie zu wenige und zu lange Fluchtwege und - vor allem - die ungenügende Entrauchung der Bahnhofshalle beziehen sich unmittelbar auf die Architektur des Tiefbahnhofs. Lassen sich diese Kritikpunkte im Rahmen des bisherigen Entwurfs von Ingenhoven umsetzen?
Die Schweizer Gutachter haben in ihrer Expertise Vergleiche zwischen öffentlichen Einrichtungen und dem neuen Bahnhof gezogen, die nach Meinung unserer Experten so nicht übertragbar sind. Wir erarbeiten gemeinsam mit den vom Eisenbahn-Bundesamt zertifizierten Experten ein Konzept, dass nach deutschem Recht genehmigungsfähig ist. Dazu sind die Hinweise aus der Schweiz sehr hilfreich, aber sicherlich kein Grund, die Architektur des Tiefbahnhofs in Frage zu stellen. Wir werden versuchen, so nahe wie möglich am Entwurf von Ingenhoven festzuhalten. Der neue Hauptbahnhof in Stuttgart wird auch in architektonischer Hinsicht ein außergewöhnlicher Bahnhof sein.

Ist eine mechanische Entrauchung der Bahnhofshalle durch zusätzliche „Lüfter“ an der Decke möglich? Wird man an der bisher bekannten, gestaltgebenden Betondecken- und Lichtaugenkonstruktion festhalten können? Festhalten wollen?
Auch hier gilt: Wir besprechen alle Aspekte mit den Experten und am Ende wird ein genehmigungsfähiges Konzept vorgelegt. Ich will mich an Spekulationen nicht beteiligen.

Welchen finanziellen Mehraufwand bedeuten die Nachbesserungen am Brandschutzkonzept, wenn alle Kritikpunkte der Schweizer Gruner AG aufgegriffen und umgesetzt würden?
Das kann ich derzeit noch nicht sagen. Wir müssen erst genau analysieren, welche Punkte aus dem der aktuellen Expertise zum Brandschutzkonzept in die weitere Planung übernommen werden, und welche nicht. Darüber werden wir uns auch intensiv mit dem Schweizer Gutachter austauschen. Eines steht aber fest: Wir werden Stuttgart 21 nur mit einem Brandschutzkonzept realisieren, das den neuesten gesetzlichen und fachlichen Ansprüchen voll gerecht wird.

Sind die Mehrkosten für den verbesserten Brandschutz in der bisherigen Chancen-/Risikenbetrachtung enthalten, oder sind es neue Positionen?
Die Betrachtung der Chancen- und Risiken, mit der wir zurzeit noch arbeiten, stammt von Ende 2011, also vor der Volksabstimmung. Das hier diskutierte Thema Brandschutzkonzept ist darin noch nicht enthalten.

Verkehrsminister Winfried Hermann sagt, dass absehbare Mehraufwendungen für das Brandschutzkonzept die DB tragen müsse. Teilen Sie diese Auffassung?
Wir sind der Ansicht, dass mögliche Mehrkosten aus einer Überarbeitung des Brandschutzes zum allgemeinen Projektrisiko zählt, also durch den Risikotopf des Projekts abgedeckt werden muss.

Das Projekt nähert sich seiner Kostenobergrenze von 4,526 Milliarden Euro. Teilen Sie diese Einschätzung?
Wenn wir alle bereits feststehenden und absehbaren Mehrkosten aus der Schlichtung, dem Filder-Dialog und dem Thema Brandschutz komplett dem Projektbudget zurechnen, dürften wir uns dieser Grenze nähern. In den Finanzierungsverträgen ist vorgesehen, dass die Projektpartner beim Erreichen der Kostenobergrenze Verhandlungen darüber aufnehmen, wer die weiteren Mehrkosten übernimmt. Diesen Schritt einzuleiten werden wir prüfen. Alternativ dazu kann man für die Kosten der Schlichtung und des Filder-Dialogs auch einen ergänzenden Finanzierungsvertrag abschließen. Diese Lösung hat für die Deutsche Bahn eindeutig Priorität. Wir werden sehen, ob sich unserer Projektpartner in Baden-Württemberg dem anschließen.