Die Tür im Rathaus ist nun zu, die Schlichtung zu Ende Foto: dpa

Die Positionen haben sich kaum bewegt, wie Reaktionen auf den Schlichterspruch beweisen.

Stuttgart - Bei künftigen Großprojekten wird die Politik anders als bisher mit den Betroffenen umgehen, darin sind sich Projektgegner und -befürworter einig – doch die Positionen haben sich kaum bewegt. Hier die Reaktionen auf Geißlers Schlichterspruch:

Stefan Mappus, Ministerpräsident

Herr Mappus, Stuttgart 21 kann weitergebaut werden. Sind Sie erleichtert?
Das ist ein guter Tag für Baden-Württemberg. Aber wir haben jetzt eine Menge zu tun, denn Schlichter Heiner Geißler hat uns viele Hausaufgaben mitgegeben, die man abzuarbeiten hat. Dabei wird uns sicher noch das eine oder andere abverlangt.

Ihr Fazit der Schlichtung?
Bei diesem Verfahren gibt es weder Sieger noch Verlierer. Wer die Schlichtungsgespräche in den vergangenen Wochen verfolgt hat und dem Schlichterspruch aufmerksam zugehört hat, der hat gesehen, dass es für beide Seiten gute Argumente gab. Ich habe mich bei der Gegenseite bedankt, weil sie stets konstruktiv mitgearbeitet hat. Aber der Schlichter hat dennoch aufgezeigt, dass es für Stuttgart 21 sehr, sehr gute Gründe gibt.

Wie hoch werden die Mehrkosten für die Nachbesserungen sein, und wer trägt sie?
Ich habe immer gesagt, dass ich dieses Projekt will und dass man mit mir unterhalb eines Baustopps über alles reden kann. Man wird jetzt den Stresstest machen, die Ergebnisse auswerten und sich dann mit allen Projektträgern an einen Tisch setzen. Wenn es eine Schwäche im Projekt geben sollte, wäre es unredlich, sie einfach zu übergehen. Bei der Begleichung der Mehrkosten wird sich das Land nicht hinten anstellen, aber auch nicht vorneweg gehen.

Kurz nach dem Schlichterspruch gab es wieder wütende "Mappus-weg"-Sprechchöre. Wie sehr trifft Sie das?
Das muss man nicht bewerten, das spricht für sich. Am Ende des Tages muss man sich immer auch mal fragen, ob man eine Befriedung wirklich will. Die Beteiligten an der Schlichtung haben sehr konstruktiv gearbeitet und bewiesen, dass sie an einer Deeskalation interessiert sind.

Winfried Kretschmann, Grünen Fraktionschef

Winfried Kretschmann, Grünen Fraktionschef

Herr Kretschmann, der Schlichter hat sich letztendlich zu Stuttgart 21 bekannt. Können Sie damit leben, oder sind Sie unzufrieden?
Zuerst einmal muss ich betonen, dass die ganze Schlichtung aus meiner Sicht ein voller Erfolg war. Im Ergebnis habe ich aber nichts anderes erwartet. Entscheiden über das Projekt kann meines Erachtens letztendlich nur das Volk selber. Das aber würde den Schlichter überfordern, das hat Herr Geißler ja auch selbst gesagt. Natürlich wird die Bahn das Projekt jetzt bauen, da es planfestgestellt ist. Aber in der Sache hat Herr Geißler auch klargemacht, dass K 21 ein technisch machbares Projekt wäre.

Letztendlich hat das nicht gereicht?
Wir konnten nachweisen, dass K 21 im Kosten-Nutzen-Verhältnis deutlich besser dasteht als Stuttgart 21. Da es aber nicht planfestgestellt ist, kann es derzeit nicht gebaut werden. In der Schlussphase der Schlichtungsgespräche konnten wir die Bahn jedoch zwingen, dass sie einen Stresstest für Stuttgart 21 machen muss. Ich bin davon überzeugt, dass dabei herauskommt, dass die Bahn erheblich nachbessern muss. Schlichter Geißler schlägt unter anderem vor, ein 9. und 10. Gleis zu bauen. Das halte ich für einen großen Erfolg der Bürgerbewegung und ist eigentlich ein K.o. für die Bahn, dass man so etwas nach 15 Jahren Projektplanung machen muss.

Aber dadurch steigen die Kosten erneut.
Wir gehen davon aus, dass die Kosten mindestens um 500 Millionen Euro wachsen, womit die Kosten-Nutzen-Analyse gegenüber K 21 dann noch schlechter wird.

Wer soll die Mehrkosten bezahlen: Bund, Land oder Bahn?
Die Befürworter von Stuttgart 21 werden dann erst einmal sagen müssen, woher das Geld kommt. Denn bisher ist es nicht da.

Gangolf Stocker, SÖS-Stadtrat

Gangolf Stocker, SÖS-Stadtrat

Herr Stocker, Herr Geißler sagt, niemand werde es bereuen, bei der Schlichtung dabei gewesen zu sein. Sie auch nicht?
Unser Motiv war es nicht, einen guten Schlichterspruch zu bekommen. Wir wollten bis ins letzte Wohnzimmer dieses Landes klarmachen, dass Stuttgart 21 ein schlecht geplantes Projekt ist.

Was sagen sie zu Geißlers Vorschlägen?
Zu all diesen Vorschlägen können wir nicht Nein sagen. Wir haben immerhin durchgesetzt, dass die Bahn sich zu einer Simulation des Betriebsablaufs in der Hauptverkehrszeit von 7 bis 8 Uhr verpflichtet. Dabei muss sie nachweisen, dass wie von ihr behauptet 30 Prozent mehr Zugfahrten als heute möglich sind. Das wird dauern, und daraus leiten wir unsere Forderung nach einem weiteren Baustopp ab.

Sie setzten darauf, dass es ohne zwei weitere Gleise im Tiefbahnhof nicht gehen wird.
Die Bahn wollte eine Absichtserklärung für diese beiden Gleise abgeben. Aber was nützt die, wenn diese weiteren Gleise nachher gar nicht mehr baubar sind. Sie müssten später in zwei seperaten Tunnel rechts und links neben dem Tiefbahnhof geführt werden. Eine derartige Nachrüstung kann doch keiner mehr bezahlen. Wenn das technisch überhaupt geht.

Sie sind mit Ihrem Verein Leben in Stuttgart, kein Stuttgart 21, seit 16 Jahren im Widerstand. Ist dieser Schlichterspruch für Sie befriedigend?
Ich bin weiterhin zuversichtlich, dass wir dieses Projekt stoppen können. Ich befürchte aber, dass Bahn-Chef Rüdiger Grube heute Bauaufträge in gewaltigen Dimensionen vergibt. Das könnte dann auch eine neue, zum Beispiel grün-rote Landesregierung in die Schwierigkeit bringen, dass die Ausstiegskosten zu hoch werden.

Matthias von Herrmann, Parkschützer

Matthias von Herrmann, Parkschützer

Herr von Herrmann, was halten Sie vom Schlichterspruch?
Es wurden Bedingungen an die Bahn gestellt, die genau das treffen, was wir immer gesagt haben. Wir brauchen einen leistungsfähigen und barrierefreien Bahnhof, außerdem muss der Schlossgarten erhalten werden – das ist unser ureigenstes Anliegen. Das geht mit dem Tiefbahnhof nicht.

Heiner Geißler hat vorgeschlagen, alle Bäume im Park, die nicht aus Alters- oder Krankheitsgründen ohnehin gefällt werden müssen, zu versetzen. Ist das in Ihrem Sinne?
Alte Bäume fällt man nicht, sondern kranke. Das tun die Gärtner der Wilhelma aber ohnehin im Schlossgarten. Verpflanzen kann man Bäume nur bis zu einer gewissen Größe und einem bestimmten Durchmesser, zudem ist das sehr teuer. Die Bäume im Schlossgarten sind dafür aber ohnehin viel zu groß. Das ist ein absolutes Ausschlusskriterium für uns.

Die Parkschützer haben sich dafür entschieden, nicht an den Schlichtungsgesprächen teilzunehmen. War das in Ihren Augen die richtige Entscheidung?
Daran nicht beteiligt zu sein war von Anfang an die richtige Entscheidung. Wir werden den Widerstand jetzt erst wieder richtig sehen.

Was bedeutet das?
Bereits am Mittwoch ist das nächste Baustellenfrühstück an der Baustelle des Grundwassermanagements geplant. Am Samstag geht es mit einer Großdemonstration in der Innenstadt weiter.

Wolfgang Schuster, Stuttgarter OB

Wolfgang Schuster, Stuttgarter OB

Herr Schuster, der Bahnknoten Stuttgart muss noch vor dem Bau in den Stresstest. War das wirklich nötig?
Ein leistungsfähiger Bahnhof muss gewährleistet sein. Bei den Debatten wurde das noch mal deutlich. Der Stresstest ist sinnvoll, damit wir wissen, ob wir gleich oder später die Verbesserungen machen müssen.

Diese Verbesserungen dürften viel Geld kosten. Steht die Stadt Stuttgart für die Finanzierung zur Verfügung? Die Frage der städtischen Beteiligung stellt sich frühestens dann, wenn wir das Ergebnis des Stresstests kennen.

Ein Ergebnis ist, dass man Immobilienspekulation mit den freiwerdenden Gleisgrundstücken verhindern will und sie daher einer Stiftung übertragen will. Kein Problem für Sie, oder?
Ich hatte die Idee vorher selbst schon angesprochen. Ich bin mir sicher, dass auch der Gemeinderat diese Zielsetzung mittragen wird. Auf den freiwerdenden Flächen gibt es viele Filetgrundstücke, bei deren Vermarkung man langfristig denken muss. Deswegen hat die Stadt sie ja auch erworben. Ich habe keinen Zweifel: Diese Flächen können der Spekulation entzogen werden.

Die Schlichtung war ein langwieriges und gründliches Verfahren mit vielen Sitzungen. Viele haben sich gewundert, dass Sie als OB und Hausherr wenig Präsenz zeigten.
Es gab da Termine, die ich nicht verlegen konnte. Ich habe die Schlichtung aber via Internet verfolgt, wenn ich nicht dabei war. Ich wollte mich freilich auch der politischen Wertung enthalten. Meine Meinung ist der Öffentlichkeit bekannt. Es war sinnvoll, dass die Experten zu Wort kommen, die die Fakten erarbeitet haben. Von denen habe ich mein Wissen auch bezogen.