Zwischen Hauptbahnhof und Flughafen soll der Fildertunnel gebaut werden. Foto: dpa

Die Bahn hat den vor drei Wochen begonnenen Bau eines Stollens für den Fildertunnel eingestellt. Sie hat es offenbar versäumt, rechtzeitig die Erlaubnis zur Unterquerung eines Grundstücks einzuholen. Darauf könnte sie bis zu zehn Wochen warten müssen.

Die Bahn hat den vor drei Wochen begonnenen Bau eines Stollens für den Fildertunnel eingestellt. Sie hat es offenbar versäumt, rechtzeitig die Erlaubnis zur Unterquerung eines Grundstücks einzuholen. Darauf könnte sie bis zu zehn Wochen warten müssen.

Stuttgart - Seit dem 4. November treibt die Bahn bei ihrem Projekt Stuttgart 21 einen Zufahrtsstollen zum Bau des Fildertunnels zwischen Hauptbahnhof und Flughafen voran. In der Röhre neben dem Wagenburgtunnel wurde rund um die Uhr gearbeitet. Zwei Wochen nach dem Baustart musste die Bahn eine Vollbremsung vollziehen und die Arbeiter in die Zwangspause schicken.

Der zwangsweise Stillstand lässt sich exakt unter dem Grundstück Schützenstraße 4 verorten. Dort ist das Ende des bisher 45 Meter langen Stollens. Die Fläche in der Schützenstraße und das darauf stehende siebenstöckige Verwaltungsgebäude gehören dem Zweckverband Landeswasserversorgung (LW). Er versorgt rund drei Millionen Menschen im Land mit Trinkwasser.

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Für die Unterquerung des aus den fünfziger Jahren stammenden Hauses und des Grundstücks hatte der Verwaltungsrat des Verbands vor rund zwei Jahren seine Zustimmung erteilt. Grundlage war ein Entschädigungsangebot der Bahn für die Wertminderung des Grundstücks. Höhe: 48.800 Euro. Eigentümer sind alle Verbandskommunen, auch die Landeshauptstadt.

Über die Entschädigung aber kam es zum Streit

„Die 48.800 Euro waren ein realistischer Preis, der sich aus dem bundesweit angewandten Münchner Verfahren ergeben hatte“, sagt LW-Sprecher Bernhard Röhrle. Der Tunnel werde das komplette Kellerfundament nahezu ohne Abstand unterqueren. Bisher schob sich die zweite, nie ausgebaute Röhre des Wagenburgtunnels einige Meter unter das Haus. Über die Bautechnik für den neuen Tunnel, sagt Röhrle, habe man sich mit der Bahn einigen können.

Über die Entschädigung aber kam es zum Streit. Denn die Bahn habe nach langer Sendepause „ein zweites Gutachten zur Entschädigung nachgeschoben und mitgeteilt, dass das erste ohne Bedeutung sei“, so Röhrle. Bezahlen wollte der Konzern nur noch 17.000 Euro. Nach dem Widerspruch der LW erhöhte die Bahn auf 30.300 Euro – und macht seitdem laut Röhrle Druck: „Es gibt keine schriftlichen Drohungen, aber es gibt Anrufe von Bahn-Vertretern.“ Dabei geht es offenbar um die Tatsache, dass jeder Tag Stillstand richtig Geld kostet. Dem Vernehmen nach täglich rund 20.000 Euro.

Dem geringeren Ausgleich des Wertverlusts kann die Verbands-Geschäftsführung nicht einfach zustimmen. Die rund zwei Dutzend Mitglieder des LW-Verwaltungsrats müssen einstimmig darüber entscheiden. Der Unterschriften-Umlauf war am Freitag nicht abgeschlossen, eine Zustimmung unter Vorbehalt lag allerdings vor. Diese wird so lange als Gegenstimme gewertet, wie der Vorbehalt nicht ausgeräumt ist. Auch zwei Oberbürgermeister im Verband haben den Verzicht auf 18.500 Euro noch nicht besiegelt.

Bahn versucht sich zu behelfen

Der Vorbehalt stammt von Gabriele Munk, Grünen-Stadträtin aus Stuttgart. „Wenn die Sache inhaltlich geklärt ist, werde ich zustimmen“, sagt die Architektin und Stadtplanerin. Als Mitglied im Gutachterausschuss der Stadt sind ihr Grundstücksbewertungen nicht fremd. Im Fall der Wasserversorgung habe die Bahn einen Bodenrichtwert zum Maßstab genommen, der die bestehende Bebauung nicht ausreichend berücksichtige. Erhoben werden muss aus Sicht von Munk der Grundstückswert. Sie rät, diesen von einer neutralen Stelle ermitteln zu lassen. Ob die Grundlagen des neuen Bahn-Gutachtens richtig seien, könne sie nicht klären, es gehe ihr auch nicht um Stuttgart 21. „Es geht hier um einen Vermögenswert, der allen Bürgern gehört“, so Munk. Was sie nicht sagt: Wer Vermögen unter Wert abgibt, könnte der Frage nach einer Veruntreuung ausgesetzt werden.

Die Bahn versucht sich zu behelfen. Man habe jetzt ein Besitzeinweisungsverfahren beim Regierungspräsidium eingeleitet, sagt S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich. Das brächte den Zwangseintrag des Tunnels ins Grundbuch, womit gebaut werden könnte. Die Entschädigung würde später geklärt.

Das Verfahren dauert laut Dietrich rund zehn Wochen. Das entspräche rund 1,5 Millionen Euro Stillstandskosten. Zu Zahlen will Dietrich nichts sagen: „Wir sind zuversichtlich, dass es ein Einvernehmen gibt.“ Auch LW-Sprecher Röhrle ist zuversichtlich: „Wenn sich die Bahn so viel Zeit lässt, kann der Zeitdruck jetzt nicht das Problem des Grundstücksbesitzers sein.“