An den Hochschulen ruft die geplante Abschaffung der Studiengebühren Bedenken hervor.
Stuttgart - Die einen freut's, die anderen weniger - in einem Punkt stimmen Studenten und Hochschulvertreter aber überein: Wenn es zur Abschaffung der 500-Euro-Gebühr kommt, muss das Land den Hochschulen mehr Geld geben, um die Qualität zu sichern.
An den Hochschulen in Baden-Württemberg ruft der Vorschlag der künftigen grün-roten Landesregierung Bedenken hervor. "Wir sehen die geplante Abschaffung der Studiengebühren mit großer Sorge", sagt Professor Bernhard Eitel, Rektor der Universität Heidelberg. In einer Erklärung hat sich die Landesrektorenkonferenz gegen die Abschaffung der Gebühren ausgesprochen: "Die Hochschulen planen mit den Studiengebühren und benötigen die finanzielle Sicherheit, um die Qualität von Lehre und Betreuung zu sichern", teilte die Landesrektorenkonferenz mit. Auch Arbeitgebervertreter setzen sich für den Erhalt der Gelder ein.
SPD und Grüne haben in ihren Wahlprogrammen versprochen, die Studienbeiträge zu ersetzen. An diesem Wahlversprechen halten die Hochschulrektoren fest. "Wenn wir die Studiengebühren ersetzt bekommen, ohne dass an anderer Stelle im Hochschulbereich gekürzt wird, dann löst sich ein Teil der Sorgen auf. Wenn die Kompensation nicht erfolgt, befürchten wir tiefgreifende Einschnitte, da es sich um Beträge handelt, die für die Qualität der Lehre wesentlich sind", sagt Eitel. Schlechte Erfahrungen mit Ausgleichsmaßnahmen wurden etwa in Hamburg gemacht. "Wir haben erlebt, wie die von der Politik zugesagten Ausgleichszahlung für die reduzierten Studiengebühren zunächst gekürzt und dann abgeschafft wurden", erklärt Katrin Vernau, Kanzlerin der Universität Hamburg. Als parteilose Hochschulexpertin im Wahlkampfteam von Nils Schmid kritisiert Vernau damit die Haltung der SPD in Baden-Württemberg. Auch die Hochschulrektoren befürchten, dass die öffentlichen Mittel nicht ausreichen werden, um die Bildungsfinanzierung sicherzustellen.
Ausstattung der Hörsäle
Positive Reaktionen auf die geplante Abschaffung der Gebühren kommen vor allem aus den Reihen der Studenten, obwohl das Thema auch unter ihnen kontrovers diskutiert wird. "Einige Studenten finden eine Abschaffung der Studiengebühren gut , andere haben Angst , dass dadurch zum Beispiel Tutorien wegfallen", erklärt Natali Böttcher, Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Hohenheim. Der Studierendenausschuss steht Studiengebühren kritisch gegenüber. "Der AStA Hohenheim spricht sich gegen die Gebühren aus", sagt Böttcher. Vor allem der oftmals falsche Einsatz der Gelder wird vom AStA Hohenheim bemängelt. "Studiengebühren sind nicht dazu da, um Standards zu finanzieren wie beispielsweise eine angemessene Ausstattung der Hörsäle", erklärt die Vorsitzende.
Kritiker haben schon vor der Einführung der Studiengebühren in ihrer jetzigen Form die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit gestellt. Dieser Aspekt wird auch von den Vertretern des AStA Hohenheim beanstandet. "Studiengebühren sind nicht gerecht. Die Geschwisterregelung war ein Versuch, soziale Gerechtigkeit herzustellen. Das ist aber nicht vollständig gelungen", sagt Böttcher. Denn eine wohlhabende Familie mit mehreren Kindern würde nach der Geschwisterregel entlastet. Hat eine Familie mit geringem Einkommen nur ein Kind, muss sie die Gebühren trotzdem aufbringen, denn das Bafög umfasst nicht die Studiengebühren. "Das schreckt viele gute, aber sozial benachteiligte Abiturienten vom Studium ab", bemerkt Böttcher.
Bei einer Abschaffung der 500-Euro-Zahlungen durch die neue Landesregierung haben die Hohenheimer eine klare Vorstellung, was den Ausgleich der fehlenden Gelder betrifft: "Wenn die Studiengebühren abgeschafft werden, ist es wichtig, dass sie nach Möglichkeit in gleicher Höhe kompensiert werden", betont Böttcher. "Wir vom AStA fordern ein Mitspracherecht über den Einsatz der Kompensationsgelder, das auch rechtlich detailliert im Landeshochschulgesetz verankert werden soll. Wir wollen sicher sein, dass die Gelder in Zukunft ausschließlich zur Verbesserung der Lehre eingesetzt werden."
Uni Konstanz
Die Studenten an der Universität Konstanz sehen in der Abschaffung darüber hinaus einen Wandel in der Hochschulpolitik: "Die geplante Abschaffung der Studiengebühren ist begrüßenswert. Vier Jahre nach erstmaliger Erhebung der Gebühr ist dies ein politisches Zeichen ihrer Unwirksamkeit. Studiengebühren bringen Verluste in Bereichen der Chancengleichheit und sozialen Gerechtigkeit, während Hochschulen aus dem Landeshaushalt finanziert gehören", sagt Stephan Kühnle, Mitglied des AStA der Universität Konstanz.
Es gibt aber Studierende, die vor den Folgen der Abschaffung der Studienbeiträge warnen wie der Ring Christlich Demokratischer Studenten. Nach Angaben des Landesvorsitzenden Romen Link hat sich die Lehre an den Hochschulen deutlich verbessert. Durch das Angebot zinsgünstiger Darlehen würde niemand vom Studium abgehalten.
Die Abschaffung der Studiengebühren ist aber nicht das einzige Problem, mit dem die künftige Landesregierung in Zukunft konfrontiert werden wird: "2012 kommen Doppeljahrgänge auf uns zu. Das achtjährige Gymnasium wurde von Schwarz-Gelb eingeführt, ohne Konzepte für die steigenden Studentenzahlen zu entwickeln. Wir sind am kämpfen, wie wir damit umgehen. Die neue Landesregierung wird Lösungen dafür bringen müssen, was Schwarz-Gelb versäumt hat", sagt AStA-Mitglied Kühnle.
Auch die Landesrektorenkonferenz sieht Handlungsbedarf in anderen Bereichen: "Wir brauchen zusätzliche Mittel zur Verbesserung der Grundausstattung sowie der Infrastruktur. Außerdem liegt ein gravierender Sanierungsstau im Hochschulbau vor. Wir halten zurzeit den Verfall nur auf", betont der Heidelberger Rektor Eitel.