Stört das Kopftuch beim Lernen? Nein, wenn es nach einer Konstanzer Studie geht. Foto: dpa

Warum haben muslimische Kinder eigentlich meist schlechtere Schulnoten? Mit dieser Frage hat sich jetzt ein Forscherteam der Uni Konstanz befasst. Ist es der Glaube? Oder werden sie von ihren Lehrern diskriminiert?

Konstanz - Dass sich türkischstämmige Kinder an deutschen Schulen oft schwer tun, hat nichts mit ihrem muslimischen Glauben zu tun. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, für die Wissenschaftler der Universitäten in Konstanz und Göttingen die Fragebögen von mehr als 5000 Neuntklässlern, ihren Eltern und Lehrern ausgewertet haben. Demnach stehe der Grad der Religiosität in keinem Verhältnis zum Schulerfolg. „Der Islam ist keine Bildungsbarriere“, formulieren die Autoren.

Die Wahrscheinlichkeit, im Pisatest nicht über die unterste Kompetenzstufe hinauszukommen, ist für muslimische Kinder mit Migrationshintergrund im Vergleich zum Durchschnittsschüler dreimal so hoch. Nicht mal halb so häufig schaffen sie das Abitur, dafür verlassen sie doppelt so oft die Schule ohne jeden Abschluss. Nicht selten werde in der öffentlichen Debatte der Einfluss des konservativen muslimischen Glaubens dafür verantwortlich gemacht, sagt die Konstanzer Soziologin Claudia Diehl. Dies sei nach den Ergebnissen ihrer Studie allerdings ein Trugschluss.

Weniger einheimische Freunde

So hatten die muslimischen Jugendlichen, die sich als religiös bekannten, keine schlechteren Deutschnoten, als ihre Altersgenossen, die erklärten, dass ihnen der Islam nichts oder wenig bedeute. Bei den religiösen Jugendlichen sei das Interesse an Bildung sogar eher höher ausgeprägt. Nachteile zeigten sich allerdings bei der sozialen Integration. Die religiösen Muslime gaben häufiger an, überhaupt keine einheimischen Freunde zu haben.

Im Vergleich mit Schülern der anderen Konfessionen stehen die Muslime nur auf den ersten Blick schlechter da. Zwar besuchten lediglich 19 Prozent der befragten muslimischen Kinder das Gymnasium. Dieser Wert stieg allerdings auf 29 Prozent an, wenn ihre Eltern selbst mehr als eine Volksschulbildung vorweisen konnten, die Elternhäuser also als bildungsnäher gelten. Wird zu Hause außerdem vornehmlich Deutsch gesprochen, steige dieser Anteil gar auf 43 Prozent an. Damit unterschieden sie sich nicht mehr von anderen Schülern.

Starker Einfluss sozialer Faktoren

Ein solch starker Einfluss sozialer Faktoren sei sonst in keiner anderen Konfessionsgruppe – ob mit oder ohne Migrationshintergrund – zu beobachten gewesen, sagt Claudia Diehl. Das Problem ist: wegen der besonderen deutschen Migrationsgeschichte ist die Zahl bildungsferner Familien unter Türkischstämmigen besonders hoch. „Es wurden einfache Arbeiter angeworben“, sagt die Professorin. Auch bei der Flüchtlingsmigration seit 2015 sei eine polarisierte Bildungsverteilung zu erwarten. Es gebe etliche hochgebildete Familien, um die man sich keine Sorgen machen müsse, allerdings auch viele aus einfacheren Verhältnissen. Statt auf konfessionelle Unterschiede abzuheben, sei es wichtiger, die sozialen Faktoren auszugleichen.

Übrigens gelten die Feststellungen für beide Geschlechter. Eine Benachteiligung von Mädchen, die man bei religiösen muslimischen Familien vielleicht erwarten könnte, habe sich aus den Zahlen nicht herauslesen lassen. Tatsächlich seien die muslimischen Mädchen sogar etwas erfolgreicher in der Schule. Auch ihre Quote am Gymnasium liege höher als die der Jungs.

Keine Diskriminierung feststellbar

Auch mit einer weiteren oft geäußerten Vermutung räumen die Forscher auf: Von den Lehrern werden muslimische Kinder nicht benachteiligt. Besser: Sollte es eine Diskriminierung muslimischer Kinder wegen ihres Glaubens geben, wirke sie sich zumindest nicht auf den Schulerfolg aus.