Laut einer Studie der Universität Tübingen verhindert der 2015 eingeführte Mindestlohn den Rückgang der Schattenwirtschaft in Deutschland. Foto: dpa

Eigentlich zeigt die Wirtschaftskurve in Deutschland stabil nach oben und sollte damit der Schwarzarbeit den Wind aus den Segeln nehmen. Tut sie aber nicht, sagen Forscher der Uni Tübingen und der Universität Linz. Der Grund: der Mindestlohn.

Tübingen - Der seit Januar geltende Mindestlohn erhöht die Schattenwirtschaft in Deutschland einer Studie zufolge in diesem Jahr um 1,5 Milliarden Euro - und verhindert so erstmals seit Jahren einen weiteren Rückgang von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung.

Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bleibt daher unverändert bei 12,2 Prozent, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Tübinger Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und der Universität Linz hervorgeht. Demnach war der Wert hierzulande mit Ausnahme des Krisenjahrs 2009 bisher seit Jahren rückläufig. Gewerkschafter warnen jedoch davor, den Minimallohn zu verteufeln.

„Die aktuelle Entwicklung ist auch durch den Mindestlohn bedingt“, erklärte IAW-Direktor Bernhard Boockmann, zu dessen Institut als Firmenmitglieder unter anderem der Autobauer Daimler und der Technikkonzern Bosch gehören. Für sich genommen hätten die robuste Konjunktur und Lage auf dem Arbeitsmarkt laut der Prognose für einen Rückgang der Schattenwirtschaft gesorgt. Mit dem Begriff werden sowohl Schwarzarbeit als auch illegale Beschäftigung und kriminelle Aktivitäten wie Hehlerei und Betrug bezeichnet.

„Übersehen wird die starke ordnungspolitische Funktion des Mindestlohns“, betonte allerdings Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin. „Das Argument Schwarzarbeit wird immer wieder missbraucht, um gegen Steuern, Sozialabgaben und höhere Löhne zu polemisieren, dabei ist der Zusammenhang keinesfalls eindeutig.“

Kritiker: "Ideologisches Prestigeprojekt der SPD"

Der gesetzliche Mindestlohn ist zum neuen Jahr bundesweit gestartet. Nach Angaben des Arbeitsministeriums sollen knapp vier Millionen Menschen von der Neuregelung profitieren.

Nach Schätzung der Experten dürfte tatsächlich nur ein vergleichsweise kleiner Teil des Mindestlohns durch Schwarzarbeit umgangen werden. Denn die notwendigen Lohnsteigerungen in den dafür typischen Branchen liegen den Fachleuten zufolge insgesamt bei etwa 7 Milliarden Euro. Der erwartete Anstieg der Schattenwirtschaft von 1,5 Milliarden Euro durch den Mindestlohn ist wesentlich geringer.

Kritiker sehen in ihm dennoch ein „ideologisches Prestigeprojekt der SPD“. „Der Einheitsmindestlohn ist ein Sonderkonjunkturprogramm für die Schattenwirtschaft“, erklärte etwa der baden-württembergische FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer.

Schwarz gearbeitet wird dem IAW zufolge besonders häufig in Gaststätten, Hotels sowie Teilen der Bauwirtschaft. Auch bei persönlichen Dienstleistungen und in der Landwirtschaft werde vergleichsweise häufig am Fiskus vorbei verdient, hieß es. Mit Blick auf andere Länder steht die Bundesrepublik aber nicht schlecht da: Im Vergleich zu anderen OECD-Staaten, die sich der Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen, liegt Deutschland mit seiner Schattenwirtschaft im Mittelfeld - ähnlich wie Frankreich und skandinavische Länder. Düsterer sieht es in den Krisenländern Griechenland, Italien, Portugal und Spanien aus. Hier liegt der Anteil der Schattenwirtschaft am BIP zwischen 18 und 22 Prozent.