Vor dem Treffen auf Schloss Meseberg gab es Streit. Kanzler Scholz verspricht jetzt eine gute Stimmung und eine enge Zusammenarbeit in der Koalition. Foto: IMAGO/Political-Moments

Die Regierung geht in Klausur. Kanzler Olaf Scholz bemüht sich, Ruhe auszustrahlen und verspricht, niemanden mit den hohen Energiepreisen allein zu lassen.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) gilt als kühler Hanseat, den so schnell nichts aus der Ruhe bringen kann. Dieses Image hat er nun einmal – und er arbeitet fleißig daran, dass das auch so bleibt.

Dienstag auf Schloss Meseberg, nördlich von Berlin: Im Gästehaus der Bundesregierung trifft sich das Kabinett zu einer zweitägigen Klausur. Die Welt ist wegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine aus den Fugen geraten. Die Wirtschaft droht abzuschmieren, viele Menschen wissen nicht, wie sie ihre Strom- und Gasrechnungen bezahlen sollen. Scholz aber behält demonstrativ einen kühlen Kopf und versucht sogar, Optimismus zu verbreiten.

Entlastungspaket in dieser Woche

Die miese Stimmung in der Koalition? „Das wird eine Klausurtagung, wo es eine gute Stimmung und die Bereitschaft gibt, in einer ernsten Lage zum Wohl des Landes eng zusammenzuarbeiten“, sagt der Kanzler zum Auftakt des Treffens. Die hohen Energiepreise und die Inflationsraten? Niemand bleibe mit seinen Problemen allein, man werde in dieser Woche ein „möglichst maßgeschneidertes, möglichst effizientes und zielgenaues Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger und unsere Unternehmen“ auf den Weg bringen.

Die Sorge, dass Russlands den Gashahn komplett zudreht? Man habe rechtzeitig gehandelt, sagt der Kanzler. Die Gasspeicher seien jetzt schon zu über 80 Prozent gefüllt. Außerdem habe die Regierung andere Bezugsquellen erschlossen. An den norddeutschen Küsten entstünden Flüssiggas-Terminals „in einem sagenhaften Tempo“.

Streit in der Ampelkoalition

Von dem Treffen auf Schloss Meseberg am Dienstag und Mittwoch soll also das Signal ausgehen, dass die Bundesregierung voll handlungsfähig ist und nach dem Ende der politischen Sommerpause mit Elan in den Herbst startet. In den vergangenen Tagen hatte es mächtig gescheppert in der Berliner Ampelkoalition. Publikumsliebling Robert Habeck (Grüne), von Beruf Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, hat seinen ersten großen Patzer im Amt begangen: Die Gasumlage, die systemrelevante Erdgas-Importeure vor der Pleite bewahren soll, kann auch von Unternehmen in Anspruch genommen werden, die profitabel arbeiten. SPD-Chef Lars Klingbeil warf Habeck daraufhin „handwerkliche Fehler“ vor. In der Politik zählten „nicht nur schöne Worte“. Auch aus der FDP und Habecks eigener Partei kam die Forderung, schnell nachzubessern. Das will Habeck jetzt auch tun. Man müsse „die Trittbrettfahrer vom Trittbrett schubsen“, sagt er.

Der Herbst wird für die Koalition ohnehin anstrengend genug. In der Regierung befürchten sie, dass die hohen Preise für Energie und Lebensmittel die Menschen in Scharen auf die Straßen treiben und der Rückhalt für die Ukraine-Politik bröckeln könnte. Da kann die Ampel keine Gerechtigkeitsdebatte gebrauchen. Hinzu kommt, dass im Oktober in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt wird. Auch das erklärt die Gereiztheit der vergangenen Tage.

Zur Debatte steht Strom- und Gaspreisdeckel

Das dritte Entlastungspaket, das die Koalition in Kürze präsentieren will, muss also ein großer Wurf werden. Hinter den Kulissen wird eifrig verhandelt, zur Debatte steht unter anderem ein Strom- und Gaspreisdeckel für den Grundbedarf. Finanzminister Christian Lindner (FDP) beharrt aber darauf, dass die Kosten für das Gesamtpaket nicht aus dem Ruder laufen dürfen. Er will 2023 unbedingt wieder die Regeln der Schuldenbremse einhalten.

Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) empfiehlt derweil am Dienstag den Koalitionären, kein Geld mit der Gießkanne zu verteilen: 300 Euro auch für diejenigen, die es nicht nötig hätten, seien weniger sinnvoll als tausend Euro für jene, die es wirklich bräuchten, sagt er. Bei der Klausurtagung steht die Debatte über das Entlastungspaket gar nicht offiziell auf der Tagesordnung. Aber natürlich spielt sie informell eine große Rolle.

Spaniens Präsident ist zu Gast

Und dann sind da noch einige andere Themen – Digitalisierung etwa, Fachkräftemangel und nationale Sicherheit. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez ist am Dienstag zu Gast auf Schloss Meseberg. Es gibt da ein Projekt, dass ihn und den Bundeskanzler gleichermaßen elektrisiert – nämlich den Anschluss der iberischen Halbinsel an das europäische Strom- und Gasnetz. In Spanien haben sie viel Wind und Sonne, außerdem Flüssiggas-Terminals und Zugang zu Gas aus Algerien. Aber es gibt Widerstände im Transitland Frankreich, zudem muss sich der Leitungsbau rechnen. Scholz sagt, die Aufgabe bestehe darin, ein europäisches Netz für alle Energieträger zu schaffen. „Wir helfen uns alle, wenn wir das tun.“