Das Windrad auf dem Kallenwald bei Seelbach ist eingeweiht. Die 230 Meter hohe Anlage produziert jährlich neun Gigawattstunden Strom. Diesen nutzt die Firma Hansgrohe, um zwei Werke zu versorgen.
Steil hinauf schlängelt sich der Weg durch den Prinzbacher Wald. Es regnet leicht, der Schotter ist rutschig. Die Bäume stehen dicht an dicht. Dann wird der Wald immer lichter und plötzlich, auf mehr als 500 Metern Höhe, taucht er auf: der gigantische weiße Turm mit seinen drei Flügeln, die sich regelmäßig wie ein Metronom und mit einem gut hörbaren „Wusch“ drehen.
Das Windrad auf dem Kallenwald auf Seelbacher Gemarkung wurde am Montagvormittag offiziell eingeweiht. 230 Meter hoch ist die Anlage der Firma Enercon, die schon Ende 2023 errichtet wurde. Zahlreiche Gäste, vor allem Vertreter aus Politik und Wirtschaft, aber auch einige Bürger waren gekommen, um sich ein Bild von der Energiequelle zu machen.
Es sei kein leichter Weg gewesen, bis die Anlage schließlich stand, betonte Michael Klein, Geschäftsführer des Betreibers Badenova-Wärmeplus. 2016 habe es die ersten Planungen gegeben. Es folgten zwei Genehmigungsverfahren und ein Gerichtsprozess. Anwohner des nahen Sodhofs hatten gegen die Anlage geklagt, erst im Februar 2023 war diese endgültig beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gescheitert. Der Bau konnte starten, lief aber auch nicht ohne Komplikationen, blickte Klein zurück. Der Selbstfahrer, der die Flügel auf den Kallenwald bringen sollte, war im November steckengeblieben. Die Bilder sorgten landesweit für Aufmerksamkeit. „Aber wir haben wortwörtlich noch die Kurve bekommen“, so Klein. Seit Februar dreht sich nun schon das Windrad – zunächst im Probebetrieb, nun unter Volllast. „Es ist ein ganz wichtiger Meilenstein für die regionale Energie- und Wärmewende“, resümierte Badenova-Boss Hans-Martin Hellebrand.
Firma Hansgrohe deckt ein Viertel ihres Energiebedarfs
Dank einer Nennleistung von 4,2 Megawatt rechne man bei Badenova mit bis zu neun Gigawattstunden Strom pro Jahr, stellte Klein die technischen Daten vor. Damit könnte man den Jahresbedarf von 6000 Menschen decken. Könnte, denn der Strom fließt nicht zu privaten Haushalten, sondern „veredelt durch einen Dienstleiter“ zur Firma Hansgrohe. „Wir versorgen damit unsere Standorte in Schiltach und Offenburg“, erklärte Hans Jürgen Kalmbach, Chef des Armaturen-Herstellers. Mit dem Strom aus dem Windrad könnte das Unternehmen ein Viertel seines gesamten Energiebedarfs in Deutschland decken.
Extra aus Stuttgart war Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) angereist. „Es gab Bedenken, die konnten beantwortet, gelöst werden“, blickte sie auf den Gerichtsprozess zurück. Letztendlich sei ein Windrad wie dieses „einer der Bausteine, wenn wir aus der fossilen Energie aussteigen wollen“. Beim Ausbau von Photovoltaikanlagen sei Baden-Württemberg schon vorne mit dabei, bei der Windkraft „haben wir noch Nachholbedarf“, auch wenn es ganz andere Herausforderungen als beispielsweise in Norddeutschland gebe. „Wir sollten stolz darauf sein, wenn sich hier viele Windräder drehen“, fasste die Ministerin zusammen.
Keine weiteren Windräder
Auf dem Kallenwald wird die Anlage in naher Zukunft aber keine Gesellschaft bekommen, verkündete Klein auf Nachfrage unserer Redaktion. Der Netzanschluss sei mit dieser und den Anlagen am Kambacher Eck ausgelastet.
Dass das Windrad in Seelbach nicht nur positiv wahrgenommen werde, bemerkte Bürgermeister Michael Moser. Er hob hervor, dass es wichtig sei, zu beachten, was die Anwohner denken. Bei Windkraftprojekten „müssen wir die Bürger mitnehmen, ihnen zuhören, und nicht nur so tun“, betonte er, hob aber auch den Mehrwert hervor: Der Standortvorteil der Region werde gestärkt.
Projekt mit Kippenheim
Ein weiteres Windradprojekt, nämlich die Erneuerung der südlichsten der drei Anlagen auf dem Langenhard, plant die Gemeinde Seelbach mit Kippenheim. Ende 2022 wurde das „Repowering“ angekündigt. „Es geht voran“, berichtete Bürgermeister Michael Moser im Gespräch mit unserer Redaktion. Konkretes gebe es aber noch nicht zu verkünden.