Lärmschutzwand an der A8 in Leonberg Foto: Piechowski

Grenzwerte an der Bahnlinie im Strohgäu werden klar überschritten. Keine Besserung in Sicht.

Korntal-Müncheingen/Leonberg - Frustriert sind sie alle, aufgeben wollen sie aber nicht: Weil der Ruf von vier Rathauschefs aus dem Strohgäu nach leiseren Güterzügen bisher verhallt ist, nehmen sie nun die Berliner Abgeordenten aus ihren Landkreisen in die Pflicht: In einem offenen Brief fordern sie "handfeste Unterstützung".

Der Zeitpunkt für das Schreiben an die Herren in Berlin überrascht nicht: Landauf, landab tingeln Kandidaten durch die Gemeinden und Städte, um Stimmen für die Landtagswahl zu sammeln. Und nicht selten haben sie Minister, Staatssekretäre oder Berliner Abgeordnete im Schlepptau, die im Wahlkampf vermeintlich besonders gut zuhören. "Natürlich war es wichtig, den Brief noch vor der Wahl zu verschicken", sagt Joachim Wolf, Bürgermeister in Korntal-Münchingen. "Der Hauptgrund aber ist, dass wir so schnell wie möglich eine Lösung wollen."

Elf Dezibel über dem Grenzwert

Schon seit Jahren drängen er und seine Kollegen aus Ditzingen, Leonberg und Renningen auf einen besseren Lärmschutz bei der Bahn. Die Schienenstrecke von Kornwestheim über Böblingen und Horb nach Singen geht teilweise mitten durch die Kommunen. Rund 160 Züge sind täglich auf der Trasse unterwegs, sagt ein Bahnsprecher. 120 davon sind S-Bahnen, der Rest Güterzüge. Und gerade die sind das Problem, erklärt Leonbergs OB Bernhard Schuler. "Wir müssen an der Lärmquelle ansetzen, bei den Bremsen. Das Beste wäre es, die Flotte auszutauschen."

Obwohl die Rathauschefs bereits mehrfach bei Behörden wie dem Bundesverkehrsministerium oder dem Regierungspräsidium Stuttgart vorstellig geworden sind, "ist es bei uns immer noch laut", sagt Ditzingens OB Makurath.

"Elf Dezibel sind kein Klacks"

In Korntal hat ein Gutachten ergeben, dass die Lärmbelastung mit bis zu elf Dezibel über dem Grenzwert liegt. Tagsüber ist ein Wert von 70, nachts von 60 Dezibel zulässig. Zum Vergleich: Der Lärmpegel von Blätterrauschen liegt bei zehn, der Krach einer Kreissäge oder eines Presslufthammers bei 100 Dezibel. Ab einer Belastung von 85 Dezibel ist im gewerblichen Arbeitsbereich ein Gehörschutz vorgeschrieben, weil bei einer jahrelangen Belastung das Innenohr geschädigt wird.

"Elf Dezibel sind kein Klacks", sagt Korntal-Münchingens Bürgermeister Joachim Wolf. "Der Unterschied von zehn Dezibel wird als doppelte Lautstärke wahrgenommen." Das sei eine gesundheitsgefährdende Belastung. Auch in den Nachbarstädten Ditzingen, Renningen und Leonberg würden die an die Bahntrasse angrenzenden Wohngebiete zu den Brennpunkten bei der Lärmbelastung gehören. "Schutzwände würden uns in Korntal bis zu 800.000 Euro kosten. Da sind wir als Stadt überfordert", erklärt er.

Obwohl der Grenzwert überschritten wird, hat sich seit der Auswertung des Gutachtens Ende 2009 nichts getan. Bei der Schienentrasse handelt sich laut Bahn um eine "untergeordnete Strecke". Deshalb wird der Lärmschutz an anderen Zuglinien vorgezogen. "Wir wären frühestens in acht bis zehn Jahren dran", meint Wolf.

Anstieg beim Güterverkehr um 70 Prozent

So lange will er nicht warten. Und hat deshalb beschlossen, einen erneuten Vorstoß zu wagen. Allerdings nicht allein, sondern zusammen mit den drei Kollegen. "Unser Ziel ist es, zeitnah eine Lärmminderung für die Bürger zu bekommen, weil wir verschiedene Belastungen haben, auch durch die Autobahn und die Flugzeuge", pflichtet ihm Leonbergs OB Schuler bei. Zudem sei bis zum Jahr 2025 mit einem Anstieg beim Güterverkehr um 70 Prozent zu rechnen. "Wenn wir nicht auf uns aufmerksam machen, könnte man in Berlin den Eindruck bekommen, das Problem hätte sich erledigt", sagt Ditzingens OB Makurath.

Wolf wünscht, dass die Abgeordneten "etwas Handfestes tun". Er hofft, dass die Kommunen jetzt in ein Förderprojekt wie das Innovationsprogramm für leisere Güterzüge aufgenommen werden. Auf der Schienenstrecke durchs Strohgäu könnten dann neue Techniken getestet werden.