Was tun gegen die Personalnot der Bundeswehr? Die Koalition leistet sich unnütze Konflikte in einer heiklen Frage. Putin dürfte sich darüber amüsieren, meint Armin Käfer.
Wer soll im Ernstfall unser Land verteidigen? Wie viele Leute werden dafür benötigt und wie werden sie rekrutiert? Das sind beileibe keine banalen Fragen. Umso schlimmer, wenn sich das Regierungslager ausgerechnet bei diesem Thema und ausgerechnet von der Linksfraktion „Chaos und Verunsicherung“ vorwerfen lassen muss. Die Koalition erweist sich nicht als kriegstüchtig, was ihr Verteidigungsminister allerdings für notwendig hält, um für akute Sicherheitsrisiken gewappnet zu sein. Wenn Wladimir Putin sich einen Gegner wünschen dürfte, dann würde der sich wohl so aufführen wie jene, die in Deutschland über den Wehrdienst zu entscheiden haben.
Aber der Reihe nach: Der Bundeswehr fehlt es nicht nur an Waffen und Gerät, sondern auch an Personal. Bis zum Jahr 2029 müsste ihre Truppenstärke von jetzt 183 000 auf 260 000 Uniformierte anwachsen. Im Krisenfall würde aber auch das kaum ausreichen. Da die Wehrpflicht 2011 vor allem aus Kostengründen ausgesetzt worden ist, mangelt es an Nachwuchs. Schlimm genug, dass aus dieser Erkenntnis erst jetzt Schlüsse gezogen werden sollen – ein Jahrzehnt, nachdem offenbar geworden ist, dass Putin eine aggressive Außenpolitik verfolgt, und mehr als drei Jahre nach dem Beginn eines Angriffskrieges am Rande Europas.
„. . . nicht mehr im Frieden“
„Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden“, mahnte unlängst der Kanzler. Das erfordert nicht nur Milliardeninvestitionen in die Rüstung, sondern dringend auch eine personelle Aufrüstung. Gegen eine Rückkehr zur Wehrpflicht sträubt sich die SPD. Deshalb setzt die Koalition vorerst auf Freiwilligkeit und eine höhere Attraktivität des Wehrdienstes, etwa durch mehr Sold. Es bräuchte einen klaren Marschplan, der vorgibt, was zu tun ist, wenn die erstrebte Truppenstärke innerhalb der angepeilten Zeitlimits nicht erreicht wird. Die Zeit ist knapp – zu knapp für Sperenzien. Die Sicherheit unseres Landes sollte nicht zu einem Lotteriespiel werden.
Wird die Bundeswehr binnen weniger Jahre genügend Freiwillige finden, um eine Armee von zusätzlich 80 000 Soldatinnen und Soldaten aufbieten zu können? Zweifel sind erlaubt. Die mit Kriegsbeginn in der Ukraine erkannte „Zeitenwende“ ist längst nicht in allen Köpfen derer angekommen, die ihren gegenwärtigen Lebensstil bedroht sehen sollten. Auch Pazifisten und Leute, die lieber auf das eigene Wohl achten als sich um das Wohlergehen ihres Landes zu sorgen, hätten es schwer, wenn sie unter Verhältnissen nach Putins Gusto leben müssten.
Nicht nur Ansprüche stellen
Die Zeichen der Zeit sprechen für eine allgemeine Dienstpflicht. Der Bundespräsident ist seit Jahren in dieser Mission unterwegs. Jeder und jede sollte nicht nur Ansprüche an den Staat stellen, sondern auch bereit sein, sich zum Nutzen der Gesellschaft und unserer Werte zu engagieren. Das muss nicht zwangsläufig ein Dienst an der Waffe sein, auch die Feuerwehr, der Zivilschutz, das Gesundheitswesen und die Pflege sind auf Helfer angewiesen. Und die Pflicht muss sich nicht ausschließlich an die jüngere Generation richten. Auch Senioren braucht es in der Rente nicht langweilig werden, solange es Nützliches zu tun gäbe.
Nützlich und unverzichtbar ist die Verteidigung unseres Landes und unserer Freiheit. Palaver über die Wünschbarkeit von Frieden allerorten und parlamentarische Scharmützel schützen nun einmal nicht gegen feindliche Aggression.
Allein mit einer Milliardenschwemme ist Sicherheit nicht zu gewährleisten. Dazu ist eine ausreichende Zahl von Menschen vonnöten, die bereit sind, mit ihrem Leben dafür einzustehen. Was spräche dagegen, dies als Pflicht zu begreifen?