Bei dem Nahverkehrsbetrieb SSB scheint manches aus dem Gleis gekommen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Personalvorstand stuft die Betriebsratsspitze um mehrere Gehaltsstufen zurück. Die Gewerkschaft Verdi widerspricht mit einem Gutachten und spricht von einer Behinderung der Betriebstratsarbeit.

Stuttgart - Beim stadteigenen Nahverkehrsdienstleister Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) ist zwischen Chefetage und Betriebsrat eine Eiszeit angebrochen. Besonders frostig ist das Klima zwischen der im Herbst 2015 von den Leipziger Verkehrsbetrieben nach Stuttgart gewechselten Sabine Groner-Weber (57), die bei den SSB das Ressort des Personalvorstands übernommen hat, und der Spitze des Betriebsrats.

Insgesamt umfasst das Gremium 21 Köpfe, fünf davon sind freigestellte Betriebsräte. Gegenüber vieren und dem Vertreter der Schwerbehinderten kündigte Groner-Weber am 14. September 2016 mit sofortiger Wirkung eine 2008 einvernehmlich getroffene Vereinbarung auf. Sie kürzte mit Zustimmung der beiden weiteren Vorstände die Gehälter um bis zu vier Stufen und forderte angeblich zu viel gezahltes Geld der letzten sechs Monate zurück.

OB bescheinigte richtiges Handeln

Groner-Weber beruft sich dabei auf ein Gutachten der Anwaltskanzlei Gleiss-Lutz. Die betroffenen Betriebsräte sagten am Freitag, dieses liege Ihnen nicht komplett vor. SSB-Aufsichtsratschef OB Fritz Kuhn (Grüne) bescheinigte Groner-Weber, richtig gehandelt zu haben.

Das sehen Vertreter der Gewerkschaft Verdi und der von Verdi mit einem Gutachten beauftragte Rechtsprofessor Wolfgang Däubler (Bremen) anders. Mitarbeiter, die als freigestellte Betriebsräte in einem Unternehmen arbeiten, tun dies im Ehrenamt. Sie können sich als Betriebsrat nicht um höhere Positionen bewerben. Als Ausgleich wird daher die Karriereentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer ohne dieses Amt betrachtet. Qualifikation, Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit zählten, es komme zu einer Bewertung, wie sie 2008 bei den Betroffenen erfolgte, und zwar einvernehmlich, so Däubler. Die damalige Einschätzung könne nicht einfach einseitig zurückgenommen werden. Sonst gäbe es nämlich ein Dauerdruckmittel gegen Betriebsräte.

Verdi: Vorständin mit schlechtem Stil

Letztlich führte das beim Vorsitzenden des Gremiums, der zunächst Busfahrer war, aber neben dem Beruf die Ausbildung zum Verkehrsfachwirt abschloss, von Entgeltgruppe acht (Endstufe mit Zuschlägen 4304 Euro) zu Entgeltstufe zwölf (mit Überstunden- und Aufwandspauschale 7850 Euro monatlich). Nun wurde auf acht gekürzt. „Uns ist außerdem die Bezahlung von Überstunden gestrichen“, sagte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Thomas Asmus am Freitag. Er erfasse seine Arbeitszeit wieder, eine Überstundenvergütung gebe es nicht. „Dagegen werde ich klagen“, sagte Asmus. In dem 3000 Köpfe zählenden Betrieb fielen pro Jahr rund 150 000 Überstunden an, was rund 150 Stellen entspreche.

Der Verdi-Bezirksgeschäftsführer Cuno Hägele wirft Groner-Weber nicht nur „schlechten Stil“ vor. Der Vorgang habe „ein Gschmäckle“. Hägele: „Hat Frau Groner-Weber sich den Betriebsratsvorsitzenden Klaus Felsmann ausgesucht, weil dieser sich 2015 bei der Ausschreibung auf die dann von ihr besetzte Stelle beworben hatte?“. Der Betriebsrat insgesamt arbeite „engagiert im Sinne der Beschäftigten, er nimmt die Interessenvertretung ernst“. Felsmann, der seit 32 Jahren in dem Unternehmen arbeite, war beim Pressegespräch selbst nicht dabei, er sei erkrankt. Verdi-Chef Hägele fordert eine externe Moderation. In Leipzig, so Hägele, habe es „ähnliche Vorgänge“ gegeben.

Gutachter: Der Betriebsrat wird behindert

Auch das Urteil von Wolfgang Däubler fällt harsch aus: „Der Vorgang ist objektiv betrachtet eine Behinderung der Betriebsratsarbeit.“ Ein Betriebsratsvorsitzender habe in einem derartigen Unternehmen „Arbeitszeiten wie eine Führungskraft“. Das unterstrich Asmus. Man könne sich Anfragen von Kollegen nicht mit dem Hinweis auf Bürozeiten erwehren, sondern müsse ständig ansprechbar sein.

Die Pauschalierung von Überstunden sei zulässig, sofern diese über mehrere Monate dokumentiert worden seien. Die Pauschale müsse alle zwei Jahre überprüft werden, sagte Däubler. Das gelte auch für Aufwendungen aus der Betriebsratstätigkeit. Im SSB-Fall geht es zum Beispiel um Zusatzzahlungen für Essen im SSB-Waldheim Degerloch, wo das Gremium mangels Räumen am SSB-Stammsitz Möhringen tagt.

SSB beantwortet Fragen nicht

Die SSB-Betreuungssekretärin Ursula Schorlepp, die Mitglied im SSB-Aufsichtsrat ist, sprach von einem „vorbereiteten Angriff auf einen Betriebsrat, der gewerkschaftlich organisiert ist“. Groner-Weber rücke von ihrer Position nicht ab und verweigere das Gespräch. Sie habe vor dem Gutachten von Gleiss-Lutz (Stuttgart) bereits in München eines beauftragt, das aber nicht abgeschlossen worden sei. Die 2008 getroffene Vereinbarung einseitig aufzukündigen sei stillos.

Fragen dieser Zeitung zu dem Vorgang beantwortete die SSB nicht. Man habe dem Aufsichtsrat einen Zwischenbericht erstattet und werde diesem erneut berichten.