Der Schurmsee liegt als Naturjuwel im Erweiterungsgebiet. Er ist heute schon Naturschutzgebiet und könnte bald zur Kernzone des Nationalparks erklärt werden. Foto: Faltin

An diesem Freitag will der Nationalparkrat über das Erweiterungsgebiet abstimmen – aber vor Ort gibt es trotz einiger Zusagen des Landes weiter Kritik. Der größere Nationalpark ist auch ein Lehrstück über schwindendes Vertrauen in die Politik und über das Ringen um Naturschutz.

Wenn man von Schönmünzach (Kreis Freudenstadt) aus dem schmalen Langenbachtal nach Westen folgt, scheint man die Zivilisation ganz hinter sich zu lassen – entlang der schmalen Straße liegen nur noch einige Mini-Weiler verstreut, munter gurgelt der Langenbach der Murg zu, und über einem thronen an den steilen Hängen scheinbar unendliche Fichtenwälder, die derzeit wie in einem Märchenfilm von Schnee überzuckert sind. Christine Günter, die Ortsvorsteherin von Schönmünzach, sagt deshalb mit entschiedener Stimme: „Mehr Schwarzwald als bei uns gibt es nirgends. Wofür brauchen wir noch einen Nationalpark?“

 

Tatsächlich aber wird das Langenbachtal mit seinen rund 170 Bewohnern bald komplett vom erweiterten Nationalpark umschlossen sein. Der Nationalparkrat als höchstes Gremium, in dem paritätisch besetzt Landräte und Bürgermeister aus der Region sowie Vertreter des Landes sitzen, wird darüber an diesem Freitag abstimmen. Dann stehen auch die neuen Außengrenzen fest (siehe Karte): Die beiden bisherigen Teile des Parks werden durch ein neues Mittelstück verbunden, in dem etwa der wunderbare Schurmsee liegt, ein Karsee aus der letzten Eiszeit.

Kernzonen werden vorerst nicht erweitert

Statt wie zunächst erhofft um 3000 Hektar erhöht sich die Fläche des Nationalparkes aber nur um 1500 auf dann 11 500 Hektar. Auf Drängen der CDU wurden sogar wieder Flächen aus dem „Alt“-Nationalpark herausgenommen. Auch die so wertvollen Kernzonen werden vorerst gar nicht vergrößert, auch wenn der Schurmsee, kleinere Moorflächen und Hochlagen mit ausgeprägten Kiefernwäldern bald aufgenommen werden sollen, wie Wolfgang Schlund sagt, der Leiter des Nationalparks.

Die alten und vermutlich neuen Grenzen des Nationalparks Foto: Yann Lange

Die Kritik vor Ort ist jedoch ungebrochen. Erst diese Woche hat der Gemeinderat von Baiersbronn seinem Bürgermeister Michael Ruf, wenn auch nur mit knapper Mehrheit, untersagt, im Nationalparkrat für die Erweiterung zu stimmen; vor allem die CDU und die Freien Wähler sind dagegen. Die immer konstruktiv agierende Bürgerinitiative in Hundsbach hat sich vor einiger Zeit mit den Gegnern in Schönmünzach vereint, zu der nicht nur die Ortsvorsteherin Günter gehört, sondern etwa auch der Hotelier Martin Zepf. Er betreibt das Vier-Sterne-Hotel Forsthaus Auerhahn, das ganz unerwartet und fast wie eine Fata Morgana ganz am Ende des Langenbachtals liegt, dort, wo die Straße endet und der Wald beginnt.

Zepf hat, wie alle Kritiker, vor allem zwei Befürchtungen. Erstens könnten die Wälder vom Borkenkäfer kahl gefressen werden und es bald so aussehen wie im Harz, wo über riesige Flächen nur noch Baumgerippe stehen. „Wenn wir hier ein Tal des Todes haben, kommen keine Gäste mehr“, so Zepf. Er sorgt sich um sein Lebenswerk. Ganz unbegründet ist die Angst nicht. Ganz in der Nähe des Hotels, bei dem kleinen Ort Leimiß, kann man bereits Kahlflächen besichtigen. Es sind noch keine ganzen Hänge, aber niemand weiß, wie es in zehn Jahren dort aussehen wird.

Zweitens ärgern sich die Kritiker über die Sperrung von Wegen zugunsten des Naturschutzes. Von Leimiß etwa können die Bewohner derzeit nicht weitergehen, weil die Tiere im Winter ihre Ruhe haben sollen. Andere Wege sind ganzjährig gesperrt. Michael Frank aus Hundsbach sprach davon, gefangen im eigenen Ort zu sein.

Aber das Land ist lernfähig gewesen. Nach den brutalen Proteststürmen bei der Gründung des Nationalparks vor elf Jahren wollte man jetzt, auch auf Druck der Bürgerinitiative, stärker auf die Menschen vor Ort zugehen. Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) betont jetzt: „Wir haben die Menschen gehört und viele ihrer Anliegen erhört.“ Freudenstadts Landrat Klaus Michael Rückert (CDU) räumt heute ein: „Man hat in den ersten Jahren Fehler gemacht.“ Nun habe man es besser gemacht.

Grundlage der Sitzung des Nationalparkrates ist deshalb auch ein Papier mit 13 Zusagen des Landes an die Region. Die wichtigste aus Sicht von Rückert: Die Vertreter der Region im Rat können von den Vertretern des Landes nicht mehr überstimmt werden. Das hat vor allem Manuel Hagel, der CDU-Fraktionschef im Landtag, durchgesetzt.

Sie sind gegen die Erweiterung: Wolfgang Braun, Michael Frank (beide von der Bürgerinitiative Hundsbach), Hotelier Martin Zepf, Ortsvorsteherin Christine Günter sowie Gerd Zifle, Anwohner im Langenbachtal. Foto: Faltin

Daneben sollen alle Wege im Erweiterungsgebiet für zehn Jahre offen bleiben; in dieser Zeit will man ein danach geltendes Wegekonzept erarbeiten. Auch im „Alt“-Nationalpark wurden wieder viele Wege geöffnet, betont Wolfgang Schlund. Den Gegnern reicht das aber nicht. Sie wollen eine Garantie, dass die Wege im neuen Teil dauerhaft begehbar bleiben, sie wollen zudem einen Sitz im Nationalparkbeirat und ein Brandschutzkonzept.

Insgesamt bleibt jedenfalls ein großer Vertrauensverlust. „Es ist traurig, dass man sich alles erst erstreiten muss“, sagt Michael Frank. Teilweise trägt das Land weiter zu Frustrationen bei. So drängen die Grünen darauf, die Erweiterung noch vor Ende der Legislaturperiode durchzupeitschen, weil sie zurecht fürchten, dass sie sonst gar nicht mehr zustande kommen könnte. Dadurch kam es zu einem hektischen Zeitplan, viele Kommunen fühlen sich überfahren. Das war der tiefere Grund dafür, warum die Abstimmung im Nationalparkrat vor drei Wochen verschoben worden ist.

In der schwarz-grünen Koalition knirschte es gewaltig

Umgekehrt hat die Landes-CDU gebremst, wo sie nur konnte; die geringe Erweiterungsfläche geht auf ihr Konto. Das ist zwar im Sinne vieler Anwohner. Aber so ist die Vergrößerung des Nationalparkes auch ein Beispiel dafür geworden, wie Regierungsparteien nicht zusammenarbeiten, sondern in gegensätzliche Richtungen ziehen. Schwarz und Grün, das geht nicht nur beim Nationalpark nicht zusammen.

Der Grundkonflikt ist aber tatsächlich auch kaum lösbar. Ein Nationalpark verfolgt als ein zentrales Ziel, Tiere und Pflanzen zu schützen – zumindest die Kernzonen sollten deshalb möglichst unberührt bleiben, auch wenn Menschen dort wandern dürfen. Selbst der Schwarzwald ist aber alles andere als unbesiedelt, sodass die Interessen der Einwohner zwangsläufig mit den Interessen des Naturschutzes kollidieren.

Wolfgang Braun von der Bürgerinitiative Hundsbach hätte es deshalb richtig gefunden, die Wälder im Nationalpark über 30 Jahre hinweg langsam umzubauen und neue Baumarten zu pflanzen – stattdessen überlasse man die Natur in den Kernzonen sich selbst. Die jetzige Generation der Anwohner müsse so mit kahlen Hängen leben. Die Naturschützer argumentieren umgekehrt, die Natur wisse am besten, wohin sie sich entwickeln wolle und brauche den Menschen nicht.

Der erweiterte Nationalpark hat trotzdem auch viele Befürworter. Landrat Rückert spricht nun von einem „sehr guten Kompromiss“. Wolfgang Schlund sieht vor allem die Karseen im neuen Gebiet als „großen Mehrwert“, auch wenn die verlorenen Flächen des „Alt“-Nationalparks weh täten. Und Thekla Walker zieht für die Erweiterung dieses Fazit: „Eine unzerschnittene Fläche ist für viele Arten und damit auch für die Forschung von höherem Wert.“

Und wie geht es nun weiter? Bis Ende des Jahres sollen die neuen Waldflächen, die noch der Murgschifferschaft gehören, getauscht werden, auch der Landtag muss sich noch mit dem Nationalpark befassen. Zum Jahresbeginn 2026 könnte der Lückenschluss vollzogen werden. Erkunden können Wanderer und Mountainbiker den neuen Nationalparkteil aber natürlich schon jetzt. Das Langenbachtal und die Wälder auf beiden Seiten sind immer eine Reise wert.