Im Streit um Pachtverträge in den Talwiesen können sich beide Parteien nicht einigen und schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Nun soll das Landgericht Tübingen entscheiden, welche Seite recht hat.
Anfang des Jahres wurde bekannt, dass Bürgermeister Roberto Chiari die Rechtmäßigkeit mancher Pachtverträge, welche die Stadt unter seinem Vorgänger Dietmar Fischer mit der Firma Häberle über Grundstücke in den Talwiesen geschlossen hatte, in Zweifel zog - vor allem was die Pachthöhe, -zeit und das Zustandekommen der Verträge betrifft.
Chiaris Position Im Nachgang der jüngsten nicht öffentlichen Gemeinderatssitzung gab Chiari nun eine Pressemitteilung heraus. „Die Pachtverträge mit der Firma Heizöl Häberle e.K. im Bereich Talwiesen sind unter Verstoß gegen die Vorgaben der Gemeindeordnung zulasten der Stadt geschlossen worden“, heißt es darin. Den Verstoß habe sowohl ein beauftragtes Anwaltsbüro als auch die Kommunalaufsicht festgestellt.
„So erfolgte weder die erforderliche Beteiligung und Beschlussfassung durch den Gemeinderat, noch wurden die Verträge zwischen der Stadt und dem Gemeinderat Häberle wie vorgeschrieben der Rechtsaufsichtsbehörde vorgelegt“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Ein Wertgutachten habe zudem ergeben, dass die zu niedrige Pacht und deren lange Laufzeit ebenfalls gegen die Gemeindeordnung verstoße.
Die Stadt habe mit der Firma Häberle das Gespräch gesucht, um „die Verträge unter Berücksichtigung der Interessen der Stadt und den Vorgaben der Gemeindeordnung anzupassen“. Es habe sich aber – selbst unter Vermittlung des Landrats Helmut Riegger – leider keine Einigung ergeben. „Die Stadt wird daher eine gerichtliche Überprüfung der Vorgänge unter allen rechtlichen Gesichtspunkten vornehmen lassen“, steht in der Pressemitteilung.
Dies solle mittels Zivilklage am Landgericht Tübingen noch in diesem Jahr passieren, erklärt Chiari auf Nachfrage. Ein Vergleich sei bei geeigneten Konditionen möglich. Das Vorgehen habe der Gemeinderat so beschlossen. Über die genaue Höhe der Pacht beziehungsweise den daraus resultierenden finanziellen Schaden für die Stadt, macht Chiari keine genauen Angaben. Die Stadt könne die Verträge aber nicht vorzeitig kündigen.
Häberles Standpunkt Ekkehard Häberle sieht die Lage anders. „Im gesamten Ablauf der Geschehnisse spielen die Pachtverträge am Ende des Tages nur eine untergeordnete Rolle“, erklärt er auf Nachfrage. Die Pachtverträge sollten die Ernsthaftigkeit des Vorhabens gegenüber den Banken und des Landratsamtes dokumentieren, gerade weil sich das ganze Verfahren schon Jahre hinziehe. Er müsse für eine Teilverlagerung drei Millionen Euro, für eine Gesamtverlagerung sechs Millionen Euro investieren.
Deshalb habe er das neue Angebot der Stadt auch abgelehnt. Denn die habe eine Pachtzeit von drei Jahren mit möglicher Verlängerung und beidseitiger Kündigungsmöglichkeit vorgeschlagen. Auf dieser Grundlage bekäme er aber von seiner Bank keinen Kredit, wie er mit Verweis auf ein Schreiben der Bank erklärt. Das Angebot der Stadt nennt Häberle „völlig absurd“. Er bezeichnet es auch als „Erpressung“, weil die Stadt im Falle der Ablehnung mit einer Klage gedroht habe.
Er habe der Stadt ein Gegenangebot gemacht: 20 Jahre Pachtzeit plus Verlängerung und einseitiger Kündigungsmöglichkeit durch seine Firma. Damit bekäme er bei der Bank einen Kredit, so Häberle. Dieses Gegenangebot bezeichnet Chiari als für die Stadt „inakzeptabel“. Chiari habe über das Gegenangebot nie verhandelt, behauptet Häberle. Laut anwaltlicher Prüfung seien die Pachtverträge gültig, so Häberle. Die Einschätzung der Kommunalaufsicht, dass die Verträge gegen die Gemeindeordnung verstießen, gründe sich hauptsächlich auf das Wertgutachten,. Es handele siich aber um kein Gutachten, sondern um eine „vorläufige Ermittlung eines angemessenen Pachtzinses“. Einen finanziellen Schaden der Stadt könne er nicht erkennen. Denn Häberle zahlt laut eigenen Angaben nur zwei Cent pro Quadratmeter weniger, als gefordert.
Aktive und passive Pacht Allerdings, so schränkt er selber ein, gelte das für die aktive Pacht – also nur für die Flächen, die er nutzen könne. Dies betreffe das vordere Areal in den Talwiesen, die er momentan als Lagerfläche nutze. Für die Flächen um die ehemalige Tennishalle, den „Centre Court“ und das Tennisheim zahle er eine niedrigere passive Pacht, weil er die momentan nicht nutzen könne. Allerdings kümmere er sich um deren Erhalt und habe sogar einen Hausmeister angestellt, der dort wohnt. Um genau diese Flächen und die Verträge darüber geht es in dem Disput.
Langfristig möchte Häberle alle Flächen ohnehin kaufen, wie er erklärt. Er habe der Stadt auch schon ein Angebot gemacht. Aber ein Kauf scheitere wohl an den Mehrheitsverhältnissen im Gemeinderat. Trotz der „persönlichen Anfeindungen“ möchte er an der der Verlagerung seines Unternehmens in die Talwiesen festhalten. Hierzu hat der Gemeinderat übrigens in der jüngsten Sitzung einen entsprechenden Bebauungsplan beschlossen. Häberle kann sich bei einem passenden Angebot aber auch einen Wegzug der Firma aus Bad Liebenzell vorstellen, erzählt er. Dass er für die passiv genutzten Flächen Pachtverträge mit langer Laufzeit, niedrigem Zins und einseitigem Kündigungsrecht hat, kommentiert er mit „gut verhandelt“. Im Fall, dass das Landratsamt die Verlagerung in die Talwiesen aus Umweltgründen doch noch verhindert, hat Häberle die Flächen aber für die nächsten Jahrzehnte gepachtet - ohne, dass die Stadt diese zurück bekommen und etwas anderes damit anfangen kann. „Man kann ja reden“, meint Häberle zu diesem Szenario. Zumindest in jüngster Zeit waren die Gespräche zwischen Häberle und der Stadt aber nicht wirklich von Erfolg gekrönt.
Info: Was bisher geschah
Bürgermeister Roberto Chiari störte Anfang des Jahres sich an der Länge und Höhe der Pacht sowie daran, dass weder Gemeinderat noch Kommunalaufsicht über die Verträge informiert worden waren. Da Firmen-Chef Ekkehard Häberle auch Stadtrat (CDU) ist, hätten Verträge zwischen ihm und der Stadt sowohl dem Gemeinderat zur Entscheidung, als auch der Kommunalaufsicht zu Genehmigung vorgelegt werden müssen, argumentierte Chiari damals. Er kündigte damals im Gemeinderat eine rechtliche Prüfung des Sachverhaltes an. Zudem solle ein Wertgutachten klären, ob der Stadt ein finanzieller Schaden entstanden sei. Und die Kommunalaufsicht wurde informiert.
Ex- Bürgermeister Fischer gab damals zu, dass es ein Fehler gewesen sei, den Gemeinderat nicht zu informieren. Er erklärte das damit, dass er sich nach seiner Abwahl die Zukunft betreffende Themen zurückstellte. Zudem betonte er, dass der Bürgermeister laut Hauptsatzung bis zu einer Grenze von 24 000 Euro solche Pachtgeschäfte selbst tätigen kann. Die Höhe der Pacht bezeichnete er als „marktgerecht“. Dass Kommunalaufsicht und Gemeinderat hätten informiert werden müssen, habe er nicht gewusst, erklärte Häberle damals.
Verwaltung, Firma und Gemeinderat sind sich über die Verlagerung in die Talwiesen eigentlich einig. Auch, weil es viele Ideen gibt, was man mit dem bisherigen Firmenareal in Bahnhofsnähe anstellen kann. In der Auseinandersetzung zwischen der Stadt und dem Unternehmen geht es nur um die Pachtverträge - deren genauer Inhalt bis heute nicht öffentlich bekannt ist.