Wer in direkter Nähe zu Gleisen wohnt, dem geht es mit gut isolierten Fenstern besser. Foto: dpa

Das Bundesverwaltungsgericht spricht einem Ulmer Immobilienunternehmer Spezialfenster für 74 Wohnungen zu, für welche die Bahn aufkommen muss. Das könnte auch Betroffenen in Stuttgart Hoffnung machen.

Leipzig/Ulm - Ein Prozess um Baulärm an der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm könnte auch Betroffenen in Stuttgart Hoffnung machen. Der Ulmer Bauunternehmer Kurt Alexander Motz hat im Streit mit der Deutschen Bahn starke Verbesserungen beim Schallschutz für seine Immobilien in der Donaustadt erreicht. Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sicherte die Deutsche Bahn Motz am Mittwoch zu, dass sie für sein Grundstück in der Nähe des Hauptbahnhofs in Ulm, auf dem der Bauunternehmer aus Illertissen eine frühere Kaserne zu Wohnungen umbauen ließ, umfassenden Schallschutz bezahlen wird.

 

Motz hat 1996 von seinem Vater Kurt Albrecht Motz die Leitung des 1959 gegründeten Unternehmens übernommen – und auch die Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht, die der Vater eingereicht hatte. Motz hatte sich vor dem obersten deutschen Verwaltungsgericht gegen die Planungen des Eisenbahnbundesamtes und der Deutschen Bahn für einen Teilabschnitt der Neubaustrecke und damit der Fortsetzung von Stuttgart 21 gewandt. In dem Abschnitt, über dessen Bau der siebente Senat in Leipzig verhandelte, soll auf einer Länge von 6,5 Kilometern der Abstieg von der Albhochfläche in das Donautal bewältigt werden. Dazu ist ein 5,9 Kilometer langer Tunnel mit zwei Röhren vorgesehen, der die Rommelkaserne unterquert, südwestlich an Lehr vorbeiführt und das Lehrer Tal unterfährt, bis er kurz vor dem Hauptbahnhof Ulm endet.

Motz befürchtet Beeinträchtigungen für die Mieter seiner 74 Wohnungen auf dem früheren Kasernengelände und Wertminderungen der Immobilien durch Lärm und Erschütterungen während der Bauarbeiten und später während des Zugverkehrs. Für die Zeit der Bauarbeiten, die etwa vier Jahre dauern sollen, sahen die fünf Richter des siebenten Senats Mängel beim beabsichtigten Schallschutz im Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes von Juni 2012. Zwar schlossen sich die Richter der Einschätzung der Bahn an, dass eine Schallschutzwand, die Motz und sein Anwalt Reinhard Heer verlangt hatten, den Lärm wenig mindern könne, weil sie nur recht weit entfernt vom Baugelände zu errichten sei. „Bei Baulärm gibt es keinen strikten Vorrang von aktivem vor passivem Schallschutz“, führte der Vorsitzende Richter Rüdiger Nolte zur Begründung an. Passiver Schallschutz sind Lärmschutzfenster und Lüftungen an Wohnungen.

Allerdings legte der Richter dem Eisenbahnbundesamt und der Bahn ergänzende Erklärungen zum passiven Schallschutz nahe. Die Bahn verpflichtete sich, während der Bauarbeiten für Aufenthaltsräume, Balkone und Terrassen an der Süd- und Ostfassade der Immobilien von Motz die Kosten für passiven Schallschutz zu übernehmen. In Fällen, in denen dies wie bei Balkonen und Terrassen oder wegen Fragen des Denkmalschutzes nicht möglich sein sollte, will die Bahn den Bauunternehmer finanziell entschädigen.

Dieses Urteil wirkt sich unmittelbar für Motz und nicht für andere Immobilienbesitzer in Ulm aus, da nur er geklagt hatte. Für andere Eigentümer in der Nähe der Baustelle, die möglicherweise ebenfalls von Baulärm betroffen sein könnten, gilt die Formulierung des Planfeststellungsbeschlusses, nach der sie erst dann Anspruch auf Schallschutz haben, wenn sie länger als zwei Monate in unzumutbarer Weise vom Lärm der Bauarbeiten beeinträchtigt sein sollten.

Für die Frage des Lärms, der während des Zugverkehrs entstehen wird, der ab 2021 durch den Tunnel fahren soll, legte Richter Nolte eine Erklärung vor, der sich das Eisenbahnbundesamt, die Bahn und auch Motz anschlossen. Diese Erklärung besagt, dass über den Lärm, der durch Züge verursacht werden wird, erst bei einem möglichen gerichtlichen Verfahren zum Abschnitt der Neubaustrecke zwischen dem Ende des Tunnels und dem Hauptbahnhof in Ulm entschieden werden soll. In diesem Fall müsste der Unternehmer dann wieder in Leipzig Klage einreichen. Für diesen Abschnitt liegt noch kein Planfeststellungsbeschluss vor.

Keine Fehler sahen die Richter in den Planungen der Bahn hinsichtlich der Erschütterungen, die Motz durch den Zugverkehr befürchtete: Mit einem Masse-Feder-System, das die Bahn in den Gleisen einbauen will, sei genügend gegen Erschütterungen getan, schätzte Richter Nolte ein. Bei den Mikrodruckwellen, die einen Tunnelknall am Ende des Tunnels in Ulm verursachen, wenn ein Zug mit 250 Stundenkilometern in das andere Tunnelende einfährt, nahmen die Richter ebenfalls keine Mängel bei dem Vorhaben an. „Die prognostizierten Werte liegen unter der Zumutbarkeitsschwelle“, ergänzte Richter Nolte. „Der Tunnelknall wird nicht als belastend wahrgenommen.“