Das belgische Atomkraftwerk Tihange gilt als Pannenreaktor. Im Jahr 2016 musste ein Block des umstrittenen Meilers unweit von Aachen wegen technischer Probleme automatisch abgeschaltet werden. Foto: dpa/Oliver Berg

Gegen den Willen der Politik wird der Betreiber die beiden Reaktoren wegen Sicherheitsbedenken wie geplant abschalten.

Belgien nimmt gegen den Willen der Politik zwei Atomreaktoren vom Netz. Der Betreiber Engie Electrabel wird den Betrieb der Meiler Doel 3 und Tihange 2 in den nächsten Monaten einstellen. Die flämische Regionalregierung hatte sich dafür stark gemacht, die Anlagen weiter laufen zu lassen. Europa befinde sich wegen des Krieges in der Ukraine in der schweren Energiekrise, argumentiert die flämische Energieministerin Zuhal Demir, die Versorgungssicherheit des Landes müsse auch mit Atomstrom gewährleistet werden.

 

Die Betriebserlaubnis der Meiler läuft aus

Weil die Betriebserlaubnis der beiden Meiler ausläuft, war der Betreiber Engie Electrabel Anfang dieses Monats angefragt worden, ob ein weiterer Betrieb möglich sei. Das wurde von dem Unternehmen allerdings abschlägig beschieden. Aus technischen Gründen und wegen Sicherheitsbedenken würden die Anlagen vom Netz genommen. Nach der letzten Wartung im September 2021 sei ein Weiterbetrieb nicht möglich. Geplant ist nun, das Kraftwerk Doel 3 am 23. September abzuschalten, Tihange 2 folgt im Februar 2023.

Zuhal Demir unterstreicht natürlich, dass die Sicherheit für die Menschen an oberster Stelle stehe, gibt aber zu bedenken, dass in gewissen Situationen Pragmatismus wichtig sei. „Russland hat den Gashahn zugedreht und in der Ukraine herrscht Krieg. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass wir genug Energie haben“, erklärte sie in der Sendung „De Ochtend“ (Der Morgen) auf Radio 1. Im Laufe des Gesprächs machte die Energieministerin auch deutlich, weshalb vor allem die flämische Regierung auf den Weiterbetrieb der Atomreaktoren drängt. Wie andere europäische Länder auch, hat Belgien einen Notfallplan, der im Fall einer Gas-Knappheit greift. „Dieser Plan sieht vor, dass Großverbraucher weniger Energie verbrauchen und der Strom abgestellt werden muss“, sagte Zuhal Demir. „80 Prozent dieser Großverbraucher befinden sich in Flandern.“

Politik hofft auf längere Laufzeiten

Zuhal Demir erhofft sich offensichtlich auch, mit dem Hinweis auf dem Krieg in der Ukraine den in Belgien für das Jahr 2025 geplanten Atomausstieg zu verschieben. Sie möchte die Laufzeit der jüngsten Kernkraftwerke Doel 4 und Tihange 3 um weitere zehn Jahre bis zum Jahr 2035 verlängern. Doch auch in diesem Fall hatte der Betreiber Engie Electrabel bereits darauf hingewiesen, dass die Vorbereitungen für das Abschalten im Jahr 2025 eingeleitet seien.

Auch in den Nachbarländern wird das Ringen um den Weiterbetrieb der belgischen Meiler sehr genau beobachtet. Kernkraftgegner in Deutschland und Luxemburg stoßen sich vor allem an zwei Pannenmeilern in den Kernkraftwerken Tihange bei Lüttich und Doel bei Antwerpen. In den Blöcken Tihange 2 und Doel 3 fanden Experten bereits im Jahr 2012 tausende Haarrisse in den Reaktordruckbehältern. Dennoch beschloss Belgien 2015 eine Laufzeitverlängerung bis 2025, ohne die Nachbarländer anzuhören und ohne die Umweltverträglichkeit zu prüfen - widerrechtlich, wie unter anderem der Europäische Gerichtshof urteilte. Nun scheint aber das Ende zumindest dieser beiden Reaktoren endgültig besiegelt.