Treffpunkt und Stärkung vor Beginn der Jagd: Mehr als 60 Jäger und fast 35 Treiber sind gemeinsam im Einsatz. Foto: Schwarzwälder Bote

Umwelt: Autor ist Treiber bei einer Drückjagd

Für Jäger und Forstwirte sind groß angelegte Drückjagden unumgänglich – vor allem um die Population der sich rasch vermehrenden Wildschweine einigermaßen im Zaum halten zu können. Ich möchte mir selbst ein Bild davon verschaffen.

Straubenhardt-Langenalb. Nach Wochen und Monaten der Vorbereitung wird es im Langenalber Forst ernst. Die vom Forstamt von langer Hand geplante Drückjagd kann beginnen. Mehr als 60 Jäger und fast 35 Treiber sind der Einladung des Jagdleiters und stellvertretenden Amtsleiters des Kreisforstamts, Andreas Roth, gefolgt. Auch ich werde heute als Treiber durch das Unterholz krauchen und versuchen, Wildtiere aus ihren Unterständen herauszulocken, damit die Jäger einige von ihnen erlegen können.

Doch bevor es richtig losgeht, ist noch einiges an Bürokratie zu bewältigen. Die mehr als 60 fast ausschließlich männlichen Schützen müssen sowohl ihren Jagdschein, als auch einen Schießnachweis vorlegen, um zu gewährleisten, dass wirklich nur geübte Jäger feuern. Umliegende Straßen, Feld- und Waldwege wurden zur Sicherheit für Fußgänger, Autofahrer, Wildtiere und Jagdhunde im Vorfeld gesperrt.

Es regnet Hunde und Katzen, hat gerade so Temperaturen über dem Gefrierpunkt und zudem geht ein eisiger Wind. Kein ideales Wetter also – weder, um sich durch den Wald zu bewegen, noch für die Jagd. Aber wir sind ja nicht aus Zucker. "Wie nah werde ich den Tieren denn heute kommen?", frage ich den Wildtierbeauftragten Bernhard Brenneis, den ich als Treiber begleiten werde. "Entweder ganz nah oder gar nicht", prognostiziert dieser. Später wird klar: Beides wird eintreten. Nachdem die Formalitäten durch sind und jeder weiß, was er oder sie zu tun hat, beendet der Jagdleiter seine Ansprache, die Jäger nehmen ihre Plätze auf den Hochsitzen ein und die Treiber gehen zu ihrem Startpunkt. Na dann: "Waidmannsheil!"

Mit einer Gruppe von sechs weiteren Treibern und vier Terriern mache ich mich auf den Weg. Etwa 15 Minuten Fußmarsch später sind wir laut Plan am Startpunkt. Wir Treiber formieren uns in einer Reihe in rund 20 Metern Abstand voneinander. Ich halte mich eng an Brenneis, weil ich noch überhaupt nicht abschätzen kann, was mich erwartet. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Dann gibt einer der Treiber das Kommando und unsere Formation setzt sich in Bewegung.

"Hooooopp. Hopp Hopp", tönt es rechts und links von mir im Singsang. Der eine oder andere schlägt dabei mit einem Stock gegen die nassen Baumstämme, um ein wenig Lärm zu erzeugen. Meist bleibt es aber beim dumpfen Pochen. Unsere Aufgabe ist es, das am Tage träge Wild aufzuscheuchen und in Bewegung zu versetzen. "Hopp Hopp", schließe ich mich nach kurzer Zeit den Rufen an – vor allem weil ich kein Wildtier mit meinem plötzlichen Auftauchen überraschen und in den Angriffsmodus versetzen möchte.

Inzwischen sind wir bereits etliche Meter in den Wald vorgedrungen. Ich habe ehrlicherweise überhaupt keine Vorstellung, wie viele Tiere sich im Wald tummeln. Also rechne ich vorsichtshalber hinter jedem Ast mit einer Bewegung und atme stets erleichtert auf, wenn ich mich irre. Doch plötzlich huscht nur rund zwei Meter seitlich von mir ein maximal kniehohes Tier durch das Unterholz und verschwindet ebenso schnell, wie es aufgetaucht war. "Haben Sie das gesehen?", fragt mich Brenneis erregt. "Der Frischling hatte vielleicht 30 Kilo." Doch ich schüttle nur den Kopf. Wirklich wahrgenommen habe ich das junge Wildschwein nicht. Ich hatte noch mit den tief hängenden Ästen vor mir zu tun. Kurze Zeit später fällt hinter uns der erste Schuss, der zwischen den Bäumen lange widerhallt. "Das könnte unser Frischling gewesen sein", sagt Brenneis.

Das ist schön – weil Jagderfolg – und traurig – weil Jungtier – zugleich denke ich und sorge mich eher um die Mutter, die ich auch irgendwo in der Nähe vermute. Sie bleibt uns aber glücklicherweise fern. Stattdessen ertönt weit hinter uns aufgeregtes Hundegebell, das einige Minuten anhalten wird. Es sind wohl die Terrier. Am nächsten Waldweg machen wir Halt und Brenneis wählt die Nummer des Hundeführers. Weil dieser nur kurz angebunden erklären kann, dass seine Hunde einen 100-Kilo-Keiler gestellt haben, eilt der Wildtierbeauftragte zu Hilfe. Als er zurückkehrt zur Gruppe wird er berichten, dass der Hundeführer den verletzten Keiler mit seinem, an einem Stock befestigten, Messer erlegen musste – abfangen, wie es in der Jägersprache heißt. Bei dem Kampf habe einer der Hunde von den Hauern des Keilers trotz Schutzweste ordentlich etwas abbekommen. Für diesen ist die Jagd danach beendet – er muss zum Tierarzt, wo mehrere Wunden genäht werden müssen.

Mehr als zwei Stunden stiefeln wir anschließend weiter durch den Wald. Abwechselnd peitschen mir Regentropfen und dichte Tannen- und Fichtenzweige ins Gesicht. Über uns schneiden Windräder scharf die Luft. Hier und da fällt in weiter Ferne noch ein Schuss, aber außer einem flinken Hasen werden wir keine weiteren Tiere sehen. Am Ende lautet die Bilanz: Acht erlegte Wildschweine und acht Rehe. Weit weniger als die je 15 Tiere, die sich Jagdleiter Roth gewünscht hatte. "In Anbetracht des Wetters bin ich damit zufrieden", nimmt es Roth sportlich. "Ich bin als Verantwortlicher natürlich froh, wenn am Ende alle wohlbehalten zurückkommen." Auch der Terrier befindet sich wenige Stunden später auf dem Weg der Besserung.