Ganz alleine, und nicht wie gewohnt vor voll besetzten Rängen, stand Bürgermeister Helge Viehweg beim digitalen Jahresauftakt in der Festhalle Conweiler. Technische Probleme brachten ihn nicht aus dem Konzept.Fotos: Molnar Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: In virtuellen Räumen tauschen sich Verwaltung und Zuhörer beim digitalen Jahresauftakt Straubenhardts aus

Von Karin Ferenbach

Digitalisierung und Mostklinge, Flächennutzungs- und Lärmaktionsplan, Cradle-to-Cradle und Klimaschutz, Familie und Dorfgemeinschaft, aber auch Corona: Das sind die Schwerpunkt-Themen der Agenda der Gemeinde Straubenhardt in 2021, die Bürgermeister Helge Viehweg beim virtuellen Jahresauftakt am Sonntagabend vorstellte.

Straubenhardt. Zwar live, aber coronabedingt nicht wie zuletzt mit rund 300 Gästen in der Festhalle Feldrennach, sondern über eine eigens dafür eingerichtete Webseite, verfolgten zeitweise bis zu 250 Zuschauer die vierte Auflage der Bürgerinformation mit Rück- und Ausblick, Musik sowie Gesprächsrunden in vier virtuellen Themenräumen. Wegen eines Fehlers in den Grundeinstellungen der Systemsteuerung, die im Probelauf noch richtig funktionierten, waren während der Liveschaltung kurzzeitig Fremdzugriffe möglich. Dies führte dazu, dass Viehweg eingangs seinen Bildschirm nicht freischalten konnte und seine Erläuterungen ohne die entsprechend vorbereitete Folienpräsentation halten musste. Im weiteren Verlauf kam es zu "ärgerlichen Kritzeleien auf den Folien" und "hämischen Stimmen im Hintergrund", die öffentlich zu sehen und zu hören waren, so der Bürgermeister gegenüber dem Schwarzwälder Boten.

"Natürlich hätte ich es mir anders gewünscht, aber anstatt abzubrechen und komplett neu zu starten, haben wir uns entschieden, weiterzumachen, über die Panne hinwegzusehen und uns auf unsere Inhalte zu fokussieren, was mir in diesem Moment nicht besonders leicht fiel", räumt er im Nachhinein ein.

Doch gab es trotz der technischen Störfaktoren am Ende viele positive Rückmeldungen aus dem Chatroom zu einem "informativen Abend" und "einer tollen Veranstaltung", mit dem Ansporn, "mehr von diesen Formaten anzubieten" und "es nächstes Mal besser zu machen"

Auch in Straubenhardt hat die Coronapandemie der Digitalisierung einen Schub gegeben. So wurden für den Digitalpakt an den Wilhelm-Ganzhorn-Schulen 400 000 Euro an Fördergeldern bewilligt. Im November wurde das Ratsinformationssystem eingeführt. Im Rahmen einer "internen Digitalisierungsoffensive" soll eine neue Abteilung mit zwei Mitarbeitern eine Strategie erarbeiten und erste Schritte umsetzen. Hierfür wurden zusätzlich 100 000 Euro in den Haushalt eingestellt. Ziel ist laut Viehweg eine moderne, papierlose Verwaltung.

Nach ersten Diskussionen, unter anderem auch bei den Jahresauftakten der Gemeinde, seien vom Gemeinderat konkrete Vorstellungen für einen Fahrplan zur Nutzung der "Mostklinge" entwickelt worden, erläuterte Viehweg. Auf der für die Kommune äußerst wichtigen Fläche beim Kreisel zwischen Schwann und Conweiler würden zukunftsfähige Lösungen für eine Bebauung angestrebt. Ein Architektenwettbewerb solle diese im zweiten Halbjahr visualisieren.

In beiden Projekten sei eine aktive Einbeziehung der Bürgerschaft geplant, versicherte Viehweg. Es gelte, den anhaltenden Zuzug mit Wohnbau sowie Gewerbeansiedlungen zu fördern und dabei verantwortungsvoll mit den begrenzten Flächen in der aktuell knapp 11 500 Einwohner zählenden Gemeinde umzugehen. "Lärm macht krank", so der Bürgermeister und sicherte Anstrengungen etwa für Tempo-30-Zonen dort zu, "wo wir deutlich über dem Grenzwert liegen".

"Wir stehen voll hinter dem neuen, nach dem Prinzip Cradle-to-Cradle (C2C) erstellten, zentralen Feuerwehrhaus, auch wenn es mit 11,8 Millionen Euro teurer wird als geplant", bekräftigte Viehweg. Mit dem Modellprojekt setze man Maßstäbe, nicht nur in Sachen Ökologie, sondern auch in Sachen Sicherheit im Ernstfall, meinte er. Für die Einsparung von 172 Tonnen CO2 durch die Sanierung der Innen- und Hallenbeleuchtung in Straubenhardthalle, Grundschule und Kindergarten erhielt die Kommune ein Klimaschutz-Zertifikat des Bundesumweltministeriums. Für 2021 werden laut Viehweg die Gründung einer C2C-Regionalgruppe und die Integration des C2C-Prinzips in den Alltag angestrebt. Hier appellierte er an das Engagement der Bürger.

Aufgrund der Corona-Pandemie habe es in 2020 einen Rückgang der Gewerbesteuer von vier auf gut zwei Millionen Euro gegeben, wobei das Land lediglich einen Ausgleich von 1,1 Millionen Euro als Kompensationszahlung leistete, informierte Viehweg. Beim Einkommensteueranteil fehlten 800 000 Euro an Zuweisungen, bei Kitas, Kernzeit und Hallennutzung rund 200 000 Euro an Gebühreneinnahmen. Der Mehraufwand durch Desinfektion, Hygiene und Arbeitsschutzmaßnahmen belaufe sich auf 50 000 Euro. Für 2021 erwartet der Schultes eine Reduzierung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer um rund 500 000 Euro und einen Gebührenausfall bei Kitas, Kernzeit und Hallennutzung von etwa 150 000 Euro. "An Gewerbesteuer wurden nur drei anstatt vier Millionen Euro im Haushaltsplan veranschlagt. Insgesamt wird sich die Liquidität von Ende 2019 bis Ende 2021 voraussichtlich von 11,6 auf drei Millionen Euro reduzieren", lautete seine Prognose.

Schließlich werde man im "Superwahljahr" trotz Corona die Jugendgemeinderatswahl im Februar, die Landtagswahl im März, die Bürgermeisterwahl im April und die Bundestagswahl im September organisieren, was "einer kleinen Herkulesaufgabe" gleichkomme, führte er aus.

Der aus Berlin zugeschaltete Zukunftsforscher Stefan Carsten gab in seinem Kurzvortrag einen Einblick in die Chancen und Herausforderungen einer zukunftsfähigen Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf Mobilität, Raumgestaltung, das Verhältnis von Mensch und Maschine oder den Umgang mit Informationen. Für den realistischen Blick in die Zukunft dürfe nicht einfach nur die Vergangenheit fortgeschrieben werden. Vielmehr sei vorbeugendes Nachdenken unter Einbeziehung möglichst vieler Alternativen eine Voraussetzung für vorbeugendes Handeln, betonte der Stadtgeograf. Abschließend beschrieb Carsten "dezentrale Produktionsweisen", etwa mittels 3 D-Druck, "erneuerbare Energiewelten" und deren intelligente Logistik sowie "alternative Wohlstandsmodelle", die nicht auf Wirtschaftswachstum gründen, als drei Szenarien, in denen sich alle Städte und Gemeinden wiederfänden, und machte Mut zum Experimentieren für mehr Lebensqualität.

Musikalisch wurden die Themen des Abends von dem in Feldrennach aufgewachsenen Freestyle-Rapper Philipp Jungk, alias Phil Future, in Form eines eigens für Straubenhardt und dessen Digitalisierungsoffensive geschriebenen Songs aufbereitet. Der 35-jährige Sänger ist Mitglied der Mannheimer Band "Future Family" sowie im Kernteam des Happiness-Festivals und wurde live von einer Bühne in Karlsbad zugeschaltet, wobei die Übertragung durchaus ihre Schwächen hatte.

Sein Interesse an Zukunftsthemen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit habe ihn dazu bewegt, aus den Schlagworten der Beteiligten spontan einen Rap zu machen, der mit seiner augenzwinkernden Hommage an die Heimat und seinem "Happiness-Feeling" bei den Zuschauern gut ankam.

Zu den Themen Digitalisierung, Klimaschutz, Zukunft und Mostklinge konnten Interessierte anschließend einem von vier virtuellen Gruppenräumen beitreten, um dort mit den jeweiligen Moderatoren offene Fragen zu klären und Ideen auszutauschen.

Über die Ergebnisse, die laut Schlusswort Viehwegs in die Gemeinderatsarbeit einfließen sollen, werden wir noch gesondert berichten.