Helge Viehweg und Katja Mast (MdB) tauschten sich in einer Live-Videoschalte auf Instagram zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen aus.Foto: Mutschler Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Ein bisschen Bauchpinseln, ein bisschen Stänkern: Bürgermeister und Bundestagsabgeordnete sind live auf Instagram

Neue Formate in Corona-Zeiten ausprobieren: Das hat sich Straubenhardts Bürgermeister Helge Viehweg auf die Fahne geschrieben. Jüngst lud er die SPD-Bundestagsabgeordnete Katja Mast zum Instagram-Live-Talk ein. 33 Zuschauer waren dabei.

Straubenhardt. Seit Anfang des Jahres nutzt Straubenhardts Bürgermeister Helge Viehweg Instagram, um mit seinen Bürgern in Kontakt zu treten. In "ersten Gehversuchen" – wie er selbst schreibt – wandte er sich bereits mit mehr oder weniger regelmäßigen Videobotschaften an seine immerhin 526 Abonnenten, um über aktuelle Entwicklungen im Ort zu berichten. Vor allem in Zeiten von Corona ist das eine hygienisch saubere Lösung.

Hygienisch unbedenklich waren auch die neuerlichen Gehversuche des Rathauschefs am Freitagnachmittag, bei seiner Live-Videoschalte mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Katja Mast – er zu Hause, sie in ihrem Büro. Zum ersten Mal machte Viehweg nach eigenen Angaben von diesem Instagram-Format Gebrauch, und freute sich, mit einem Gast beginnen zu können, den er "schon lange" kenne.

Eine gute halbe Stunde lang unterhielten sich die beiden SPD-Genossen angeregt über das aktuelle politische Geschehen, das Coronavirus und die Leidtragenden, die Chancengleichheit von Mann und Frau, die Reibungen innerhalb der SPD sowie die Probleme in der Fleischindustrie. Mal fragte er, mal sie. Ein stattliches Programm für lediglich 30 Minuten – und doch genügend Zeit für politische Seitenhiebe und gegenseitige Bauchpinseleien.

"Ich bin ja total stolz, dass ich deine erste Instagram-Live-Partnerin bin", freute sich die 49-Jährige und berichtete von ihrem Arbeitsalltag, der sich durch die Corona-Pandemie doch ein wenig geändert habe. Sie persönlich habe der Situation, zum Beispiel durch Homeoffice, auch etwas Gutes abgewinnen können. "Nur das Verschmelzen von Privatem und Beruflichem ist schwierig", klagte die Bundestagsabgeordnete. Wenn sie demnächst zwei Wochen in den Urlaub fahre, dann sei sie für etwaige Videokonferenzen daher nicht zu erreichen, stellte sie klar.

Corona wirkt wie Brennglas

Corona, schaffe es, das "Brennglas" (Mast) auf wichtige gesellschaftlichen Probleme zu lenken, sind sich beide einig – Stichwort Gleichberechtigung von Mann und Frau. "Es waren eben hauptsächlich die Mütter, mit denen ich auch in den vergangenen Wochen und Monaten Kontakt hatte", berichtete Viehweg von Frauen, die mit Job, Haushalt und Kinderbetreuung zum Teil überfordert waren, während der Mann wie selbstverständlich weiterhin zur Arbeit gegangen sei.

"Es ist dummes Geschwätz, dass Frauen etwas nicht können. Und es ist dummes Geschwätz, dass Männer etwas nicht können", fand Mast. Es gebe genauso viele unqualifizierte Männer wie Frauen. Deshalb ist sie überzeugt, es braucht eine Quote, um Frauen eine Chance auf Führungspositionen zu gewähren. "Hans fördert lieber Hans. Und nicht Katja oder Monika. Es ist blöd, dass wir sie brauchen", sagte die gebürtige Offenburgerin, aber es sei eine "legitime Krücke". Sie selbst habe seinerzeit als beste Auszubildende in ihrem Unternehmen hinter einem ihrer männlichen Konkurrenten anstehen müssen, als es um eine Fortbildung ging. "Spätestens das war für mich der Grund, studieren zu gehen."

"Ihr habt, so habe ich das auch erlebt, Tag und Nacht miteinander gerungen, um Lösungen zu finden", schilderte Straubenhardts Bürgermeister seine Eindrücke vom politischen Berlin während der Krise. "Hat sich da etwas für dich herauskristallisiert?" Die Grundrente sei beispielsweise so ein Thema, wusste die Abgeordnete. Systemrelevant seien eben auch Altenpfleger, Paketboten und viele mehr, die zu wenig Geld für ihren Job bekämen. "Es war wirklich ein langes Gewürge", gab Mast einen Einblick in die jahrelange Diskussion. Nun sei es aber gut, dass die Bundesregierung sich habe einigen können.

Unwürdige Bedingungen

Apropos zu wenig verdienen: Bei den Missständen, die Viehweg in der Fleischindustrie beobachtet habe, lobte er, dass die Politik "deutliche Worte" gefunden habe. Das sei sicherlich auch Masts Engagement zu verdanken. "Meine ganz Energie geht dahin, dass ich sage, die Arbeitsbedingungen für die Menschen sind unwürdig." Dem müsse man den Riegel vorschieben, kritisierte die 49-Jährige. "Wir wollen die Werkverträge und Leiharbeit verbieten, wir wollen, dass es eine elektronische Zeiterfassung gibt und wir wollen, dass mehr Kontrollen stattfinden – nicht nur im Betrieb, sondern auch in den Unterkünften." Ihr gehe es total an die Würde, wenn sie sehe, was Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in dieser Sache tue: nämlich "nichts".

"Ich finde", schwang Straubenhardts Bürgermeister versöhnliche Töne an, "ihr arbeitet richtig viel und ihr erntet nicht den Respekt, der euch zusteht." Er wünschte sich, man würde solche Formate in Zukunft häufiger zum Austausch nutzen. Dann hätten diejenigen, die den Live-Talk am Freitagnachmittag nicht verfolgen konnten oder wollten, die Möglichkeit, wann anders zuzuschalten. Immerhin waren von Masts 1687 und Viehwegs 526 Abonnenten zu Spitzenzeiten lediglich 33 Zuhörer anwesend.