Rund 50 Interessierte kamen zum Informationsabend zum Thema "Smartphones, Soziale Netzwerke und Co." Foto: Jänsch Foto: Schwarzwälder Bote

Elternabend: Clemens Beisel erklärt Eltern, worauf sie bei ihrem Kind im Umgang mit dem Smartphone achten sollten

Mehr und mehr Jugendliche besitzen ein Smartphone. Unter den Zwölf- bis 19-Jährigen sind es laut Statistik 97 Prozent – Tendenz steigend. Dass Smartphones und soziale Netzwerke aber nicht nur nützlich, sondern auch gefährlich sein können, zeigt Clemens Beisel beim Elternabend in Langenalb auf.

Straubenhardt-Langenalb. "Ich lasse Sie mit mehr Fragen als Antworten zurück", versprach der Redner Clemens Beisel gleich zu Beginn der Veranstaltung. Keine guten Aussichten für einen informativen Abend zum Thema "Smartphones, Soziale Netzwerke und Co. – Eine Herausforderung für die heutige Erziehung". Nichtsdestotrotz verließ keines der rund 50 erschienenen Elternteile am vergangenen Donnerstagabend vorzeitig die Turn- und Festhalle Langenalb.

Auch nicht Elisabeth Stefan. "Meine Tochter wird elf und ist die letzte in ihrer Klasse, die noch kein Smartphone hat", berichtet die junge Mutter. Bevor ihre Tochter jedoch ein Smartphone bekomme, wolle sie sich vorab informieren, "was abgeht" bei den Kids, um ihre Tochter entsprechend schützen zu können. "Ich selbst gehöre nur noch zu Generation Facebook", erzählt Stefan. Dass es da aber weit mehr gibt, zeigte Beisel in seinem 90-minütigen Vortrag auf.

"Sie sollten besonders vorsichtig sein mit ihrem eigenen Kind", rät der 36-jährige Sozialpädagoge. "Wissen Sie was ihr Kind auf den sozialen Netzwerken postet? Meine Eltern wüssten es nicht." Beisel habe bei Vorträgen an Schulen schon Schüler kennengelernt, die 200 Mal pro Tag auf ihr Handy schauten. "Das sind sind etwa alle vier bis fünf Minuten, wenn man die Schlafenszeit abzieht." Andere seien im Schnitt täglich sechs bis acht Stunden am Smartphone. "Das entspricht etwa 90 bis 120 Tagen im Jahr, ein Drittel ihrer Lebenszeit. Und dann haben die Kinder noch nicht geschlafen." Die blanken Zahlen sorgten unter den Eltern für einigen Schrecken. Dann brauche man sich aber auch nicht wundern, dass bei einem Kind "nichts geht", dass es nicht in einen "Flow" kommt, sich nicht konzentrieren kann, erklärte der Sozialpädagoge und zeigte den Eltern, wo man die Bildschirmzeiten am Smartphone einsehen kann.

Den Grund für diese Entwicklung sieht Beisel in zwei Phänomenen: Die hohe Bildschirmzeit komme vor allem durch Streamingdienste wie Netflix zustande, dessen Serien zum Teil so ekzessiv geschaut würden, dass die Kinder darüber ganz die Zeit vergäßen. "Wenn ich an einer zehnten Klasse einen Vortrag halte, haben 50 Prozent der Schüler Netflix auf dem Handy", verrät der Sozialpädagoge. Aber auch die Video-Plattform Youtube habe das Potenzial, dass sich der Nutzer darauf "verliert" und Video nach Video ansieht. Die häufigen Blicke aufs Handy ließen sich am sogenannten "Casino-Effekt" erklären, auch bekannt als "Fear of Missing out", also der Angst, etwas zu verpassen.

"Kennen Sie das, wenn Sie ihr Smartphone aus der Tasche holen und da steht eine Nachricht, die sie grinsen lässt?", fragt Beisel in die Runde. "Ein Kind, das im Schnitt 300 Benachrichtigungen am Tag auf seinem Smartphone erhält, hat solche Grinse-Momente auch hin und wieder. Aber eben nicht 300 Mal, sondern vielleicht 15 Mal davon." Weil aber jedes Klingeln des Handys diesen einen "Grinse-Moment" bringen könnte, schaut das Kind auf den Bildschirm, um ihn nicht zu verpassen. "Dabei wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet", erklärt Beisel, "das hat etwas von Sucht."

Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken ist ein Grundbedürfnis

Die gängigsten sozialen Netzwerke seien laut dem Sozialpädagogen aktuell der Messenger-Dienst WhatsApp, sowie die Plattformen Instagram, Snapchat und TikTok. "Die Selbstdarstellung auf diesen Plattformen ist inzwischen ein Grundbedürfnis bei den Kindern und Jugendlichen", so der Experte. Aber auch Information, Unterhaltung, soziale Interaktion, Beschaffung von Informationen und das Dazugehören zur Piergroup spielten eine wichtige Rolle, berichtet der 36-Jährige. Facebook spiele dabei bei unter 16-Jährigen jedoch kaum mehr eine Rolle. Tendenziell, so Beisel, seien in den sozialen Netzwerken eher die Mädels unterwegs, dafür zockten die Jungs mehr.

Eines dieser Spiele sei das Ballerspiel Fortnite, das ab zwölf Jahren freigegeben ist und bei jungen Menschen großen Anklang findet. "Solche Spiele mit so hohen Bildraten zu spielen, ist extrem anstrengend", erklärt Beisel, "für uns Erwachsene besonders, weil wir es nicht gewohnt sind. Aber auch Kinder schlafen danach schlechter, achten Sie mal auf die Symptome."

Auch das "impulsive Schießen" sei eine Problematik im schnelllebigen Zeitalter. Ohne den Gegenüber zu sehen, fehle oft die Empathie. Es koste viel mehr Überwindung jemandem etwas Böses ins Gesicht zu sagen, als es schnell mal in einer Nachricht mitzuteilen. Der Experte verdeutlicht es noch an einem anderen Beispiel: "Wenn Sie früher ein Nacktfoto an ihre Partnerin versenden wollten, mussten sie zunächst einmal ein Foto von sich machen. Dann haben Sie den Film entwickeln lassen, das dauerte einige Tage. Beim Abholen der Bilder schaute Sie dann der Fotograf, der die Bilder schließlich beim Entwickeln gesehen hat, komisch an. Anschließend gingen Sie nach Hause, schrieben noch einige Zeilen dazu und mussten dann zur Post. Sie hatten lange Zeit, sich zu überlegen, ob Sie das wirklich wollen. Heutzutage machen Sie innerhalb von Sekunden ein Bild, werfen einen Filter drüber und schicken es ab."

Auch für Kriminelle seien soziale Netzwerke nützlich, sagt der Experte. Durch Ortungsdienste könnten beispielsweise Einbrecher ihren Wohnort finden, Gewohnheiten herausfinden und günstige Zeitpunkte für einen Einbruch ermitteln. "Oder nehmen wir TikTok. Was glauben Sie denn, für wen diese Plattform eine willkommene ist, wenn sich da nur Zwölf- bis 16-jährige Mädels tummeln?", rüttelt Beisel wach. Er hält inzwischen bereits an Grundschulen Vorträge. "Das finde ich schade, weil ich finde, dass es in Grundschulen Eltern-Aufgabe ist – da würde ich lieber präventive Elternabende durchführen."

"Versuchen sie sich im guten Umgang mit ihrem Kind auszutauschen, interessieren sie sich für die Interessen ihres Kindes. Bleiben Sie wachsam und bilden Sie sich weiter – zum Beispiel mit Erklär-Videos bei Youtube", rät der Experte, der jedes Jahr bis zu 300 Vorträge zum Thema hält. In diesem Schuljahr ist er bereits voll ausgebucht.

Elisabeth Stefan ist letztendlich zufrieden mit den Informationen: "Ich bin froh, dass ich mich rechtzeitig auf den Weg gemacht habe und werde mich selbst damit beschäftigen." Mit dem Smartphone für ihre Tochter warten wolle sie jetzt deswegen nicht. "Wenn sie jetzt das Jahr noch schafft, sei sie im Rahmen." Am Ende war es doch ein informativer Abend mit vielen Antworten, den die Präventionsbeauftragten des Regierungspräsidiums Karlsruhe auf die Beine gestellt haben.

Weitere Informationen: Clemens Beisel bietet im süddeutschen Raum Fortbildungen und Informationsabende zum Spannungsfeld "Smartphones, Soziale Netzwerke und junge Menschen" für Schulen, Firmen und gemeinnützige Einrichtungen an. Mehr Informationen unter www.clemenshilft.de