Vorwärts marsch: Schäfer Herbert Schaible und Hütehund Quanto treiben die Herde zum Weiterziehen an. Fotos: Gegenheimer Foto: Schwarzwälder Bote

Natur: Wolfsprävention wichtiges Thema: Schutzzäune für Herde 105 Zentimeter hoch / Betrieb lebt vom Verkauf der Lämmer

Herbert Schaible ist Wanderschäfer. Im Winter nimmt er einen viertägigen Fußmarsch von Dachtel nach Straubenhardt auf sich – im Schlapptau 580 Schafe. Dem Schwarzwälder Boten zeigt er einen typischen Tag auf der Weide und erzählt von den Herausforderungen, die sein Job mit sich bringt.

Straubenhardt. Wo im Juli wieder tausende Menschen das Happiness Festival feiern, weiden derzeit 580 Schafe. Nach so vielen sieht es gar nicht aus. "Nord zählet se halt nach", schlägt Schäfer Herbert Schaible im breiten Heckengäu-Dialekt vor und grinst bis über beide Ohren.

Aus Dachtel, Gemeinde Aidlingen, kommt er alle Jahre wieder im Januar nach Straubenhardt, wo die Herde – gegen Pachtzahlung – ihre Winterweide hat. "Seit 38 Jahren", rechnet der Wanderschäfer nach und ist selbst ein bisschen erstaunt: "Mit 18 Jahren hab ich hier angefangen. Dann hat die Winterweide über Jahre mein Vater Hermann übernommen. Seit knapp zehn Jahren komme ich wieder her."

Zuhause versorgt der Schafzüchter eine weitere Herde, derzeit 400 Mutterschafe und 550 Lämmer. Der Betrieb lebt in erster Linie vom Verkauf der Lämmer, mit einem geringeren Teil von der Landschaftspflege. So wie bei der Sommerweide nahe der Heimat, der Wacholderweide. "Nicht nur das Freihalten der Flächen ist da wichtig, die Schafe düngen auch auf natürliche Weise und tragen in ihrer Wolle Samen weiter."

Herdenschutzhunde überwachen Schafe

Schaible ist Naturmensch. Auch wenn er heutzutage nicht mehr bei seiner Herde draußen im Feld übernachtet, sondern abends heim nach Dachtel fährt. Eine Stunde Fahrzeit. Nach erledigter Stallarbeit und "zunehmendem Bürokram" geht es derzeit täglich nach Straubenhardt. Abends bleiben die Schafe im Pferch, die Bewachung übernehmen drei Herdenschutzhunde. Die weißen Riesen, in der Fellfarbe kaum von ihren "Schutzbefohlenen" zu unterscheiden, sind Pyrenäenberghunde mit ausgeprägtem Schutzinstinkt. Seit einigen Jahren hat Schaible sie im Einsatz.

Nähert sich ein Mensch dem Pferch, sind sie sofort in "Hab-Acht-Stellung", drängen die Herde zur Seite, geben Laut. "Sie sind relativ sozial. Gegenüber Kangals zum Beispiel", so Schaible. Wobei es beim Schutz um den Wolf geht, nicht um die Menschen. Straubenhardt gehört, wie Aidlingen auch, zur "Förderkulisse Wolfsprävention". Herdenschutzmaßnahmen werden großteils vom Land übernommen, müssen aber vom Halter installiert werden. "Wenn der Wolf zu mir kommt, hab ich wirklich was falsch gemacht", sagt Schaible nicht nur mit Blick auf die Schutzhunde, sondern auch, weil er für den Pferch Netze von 105 statt 90 Zentimeter vorgeschriebener Mindesthöhe verwendet, mit 11 000 Volt Spannung versehen. "Aber wenn aus Einzelwölfen Rudel werden, dann weiß auch ich nicht mehr, ob ich das weitermache", gesteht er.

Wettergegerbt, unbeeindruckt von der frischen Brise, stützt er sich auf seinen knorrigen Schäferstab: "Die Arbeit als solche ist noch immer reizvoll. Diese Verbindung mit der Natur. Das Beobachten der Tiere: wo fressen sie warum was am liebsten? Ein Gefühl für die Herde entwickeln. Das geht nur, wenn man mit den Tieren umherzieht. Aber Tierhaltung wird einem an sich immer schwerer gemacht."

Bis Ende März wird der 55-Jährige noch über die Straubenhardter Winterwiesen ziehen und stellt fest: "Es gibt immer mehr Koppeln, um die ich einen Bogen machen muss. Auf meiner früher fettesten Wiesengegend steht heute der Aldi."

Während er erzählt, hat der Schäfermeister die Herde stets im Blick: "Dieses Schaf da drüben, das hinkt. Später muss ich es einfangen und behandeln." Immer wieder pfeift er nach Quanto und Pan. "He, hierher!". Quanto ist knapp eineinhalb Jahre und quasi "noch in der Ausbildung". Und dann poltert Schaible, nicht ganz so ernst gemeint: "Morgen nehm ich zwei andere mit, ihr Schlaftabletten." Ergeben hängen die Hunde an den Lippen des 55-Jährigen.

Jetzt soll die Herde weiterziehen, die Straße am Ortseingang von Schwann unweit des Hirschgeheges überqueren. Die Hunde sind hoch aufmerksam. "Diese Straße ist kein großes Ding", stellt Schaible trocken fest, "da gibt es bei Neuhengstett ganz andere Herausforderungen." Tatsächlich drängen sich die Schafe hinter dem zügiger ausschreitenden Hirten, um dann fast im Galopp in Fünfer- und Sechserreihen über die Straße zu rennen. Dicht an dicht verselbstständigt sich das Tempo, einen Moment lang kann sogar der Schäfer die Geschwindigkeit nicht aufhalten. Die zwei Hunde sausen aufgeregt am Straßenrand entlang, damit keines ihrer Schutzbefohlenen die Wiese verlässt. Die Schafe bremsen schon wieder ab. Kaum dass sie das Gras entdecken, beginnen sie zufrieden zu rupfen und Entspannung kehrt ein.

Ein ganz vorwitziges Herdenmitglied nähert sich neugierig dem Hofhund vor dem Aussiedlerhof Wolfinger. "Die Wolfingers, die kenne ich seit meiner Anfangszeit", erzählt Schaible. "Als junger Kerl hab ich ja hier noch im Wohnanhänger bei der Herde übernachtet. Abends bin ich öfter mal mit den Gleichaltrigen aus Schwann oder Conweiler im zusammengesessen." Während der Winterweidezeit frischt Schaible die alten Bekanntschaften immer mal wieder auf – wenn die Zeit es zulässt.

Betrieb ist streng getaktet

Denn die Arbeit im Schafbetrieb ist streng getaktet: Am letzten Februartag wird die andere Herde zuhause in Dachtel geschoren. Ende März geht es in einem Vier-Tage-Marsch mit der Wanderherde von Straubenhardt zurück nach Dachtel: "Transport auf allen vier Beinen. Einmal haben wir das mit dem Verladen versucht. Aber das hat allein fast einen Tag gedauert", sagt Schaible.

Die erste Etappe hat es in sich. Weil es fast nur durch den Wald geht. Dort gibt es kaum etwas zu fressen, deshalb muss die Herde über Langenbrand und Schömberg bis Unterkollbach kommen. Da die meisten Schafe dann trächtig sind, wird das deutlich mühsamer als der Herweg. Zurück im heimischen Stall beginnt dann im April und Mai für diese Herde die Lammzeit, während die anderen hinaus auf die Weiden gehen – in Alt- und Neuhengstett oder auf den Calwer Truppenübungsplatz. Wo es geht, vertritt Schaible das Motto: Leben mit der Natur und ihrem Jahreskreis.