Zur Familie von Fiona, Paul, Arlene und Arne Tschritter (von links) gehört seit 2012 auch ein historisches Feuerwehrauto, mit dem schon mal Fahrten zum Campingurlaub unternommen werden. Foto: Ferenbach

Paul Tschritter aus Schwann spürt früher in Horb genutzten Magirus-Deutz in Sachsen auf und baut ihn um.

Straubenhardt-Schwann - Paul Trschitter aus Schwann hat mit seinem historischen Feuerwehrauto auch schon mal an einem Oldtimertreffen in der Pfalz teilgenommen. In Neuenbürg hätte es am 13. September diesen Jahres zur 29. Auflage des Oldtimertreffens rund um das Schloss kommen sollen, doch laut Brigitte Hegel, Vorsitzende des ausrichtenden Schwarzwaldvereins Neuenbürg, muss diese traditionsreiche Veranstaltung corona-bedingt abgesagt werden. "Die damit verbundenen Sicherheits- und Hygienevorschriften lassen eine Durchführung dieser Veranstaltung nicht beziehungsweise nur mit einem sehr hohen Aufwand zu, was mit unseren Mitteln als Verein nicht umsetzbar und finanziell tragbar ist. Wir werden alle bereits angemeldeten Teilnehmer und alle Teilnehmer aus dem Vorjahr darüber in Kenntnis setzen", führte sie gegenüber unserer Zeitung aus. Das nächste Oldtimertreffen findet dann im September 2021 statt.

 

Bis vor Kurzem stand das rote Feuerwehrauto, Baujahr 1967, unter dem Dach des offenen Schuppens neben seinem Wohnhaus in Schwann. Doch seit sein älterer Bruder dort seinen alten Zweier-Golf restauriert, musste der Hauber nach vorne an die Durchgangsstraße weichen. Mit einer Solarzelle auf der eineinhalb Meter langen Motorhaube zum Aufladen der Batterie zieht der Oldtimer nun manchen Blick auf sich. Erst recht, wenn er mit lautem Gedröhne auf den Straßen der Umgebung unterwegs ist.

Rundfahrt nach Dobel

Paul Tschritter startet den luftgekühlten Dieselmotor, damals typisch für die Marke Magirus-Deutz. Mit seinem Führerschein der Klasse III darf der 43-Jährige den Oldtimer, der das ganze Jahr über angemeldet ist, steuern. Heute bräuchte er dafür einen Lastwagen-Führerschein. Er legt den zweiten Gang ein, löst die Handbremse und lenkt den rund sechs Tonnen schweren Koloss vorsichtig von der Hofeinfahrt auf die Straße. Das für heutige Verhältnisse riesige Lenkrad (ohne Servo) und der lange Hebel für die Schaltung der fünf Gänge machen ausladende Bewegungen erforderlich, die etwas unkoordinierten Verrenkungen gleichen. Der Familienvater aus Schwann, der für die Ausfahrt seine Frau und die beiden Kinder auf der hinteren Sitzreihe platziert hat, hat sich schon daran gewöhnt. Die Familie freue sich jedes Mal, wenn der älteste Hausbewohner mal wieder richtig in Bewegung kommt und nicht nur Staub ansammelt, so Mutter Arlene Tschritter. Langsam geht es mit 150 Pferdestärken und 9,5 Liter Hubraum den Berg in Richtung Dennach und dann weiter nach Dobel hinauf. "Ich darf damit auch auf der Autobahn fahren, zumal die Höchstgeschwindigkeit bei 80 Stundenkilometer liegt", meint Paul Tschritter. Diese erreicht das Gefährt dann auch talabwärts Richtung Neusatz. "Der historische Rüstwagen ist immer eine Attraktion, wenn man damit unterwegs ist", fügt er hinzu, was von staunenden Blicken aus (Bier-)Gärten und winkenden Kindern am Straßenrand während der Rundfahrt auch immer wieder bestätigt wird. Rundumkennleuchten und Martinshorn mussten zur Fahrzeugzulassung abgeklemmt werden und dürfen nach der Ausmusterung des Einsatzfahrzeugs auch nicht mehr in Betrieb genommen werden. Aber es macht ja auch so genügend Lärm. Die bisher weiteste und auch pannenfreie Fahrt mit Kind und Kegel führte Familie Tschritter im Jahr 2013 zum Camping- und Kanuurlaub an den Bodensee.

Von Horb nach Sachsen

Angeschafft wurde der Rüstwagen ursprünglich von der freiwilligen Feuerwehr in Horb. Es handelt sich um ein Modell auf einem Eckhauber-Fahrgestell mit Allradantrieb F-150-D-10-A der 1949 gegründeten Firma Magirus-Deutz aus Ulm, die im Jahr 1983 in den italienischen Iveco-Konzern eingegliedert wurde. Der Aufbau stammt vom Hersteller Ziegler in Giengen an der Brenz aus dem Jahr 1967. Vom schwäbischen Horb kam das Einsatzfahrzeug 1992 zur freiwilligen Feuerwehr nach Dippoldiswalde in Sachsen, wo es bis 2011 im Dienst der dortigen Ortsfeuerwehr stand. In Dippoldiswalde hatte man nach Einschätzung Tschritters, der in Pforzheim in einer Großfamilie mit russlanddeutschen Wurzeln aufgewachsen ist, nach der Wende wohl einen erhöhten Bedarf an gebrauchten Feuerwehrfahrzeugen. "Nach der friedlichen Wiedervereinigung unseres Vaterlandes nahm die Entwicklung unserer Feuerwehr einen enormen Um- und Aufschwung. Ein deutliches Merkmal dieser Zeit war der sprunghafte Anstieg der technischen Hilfeleistungen, besonders nach Verkehrsunfällen", ist auf der Webseite der freiwilligen Feuerwehr Dippoldiswalde zu lesen.

Über einen Händler für historische Fahrzeuge in Dresden stieß Tschritter im Jahr 2012 auf den Eckhauber mit Doppelführerhaus, der seinen Vorstellungen von einer motorisierten, historischen Familienkutsche recht nahekam. Dieser machte mit der ganzen Familie eine Ausfahrt zu einer Eisdiele, erinnert sich Tschritter, der das Fahrzeug dann für 4500 Euro erwarb und mit seinem Bruder nach Pforzheim überführte.

Der Rüstwagen ist nicht für den Löschvorgang bei Bränden, sondern insbesondere für die Beseitigung von Ölspuren konzipiert. Er kam daher beim Austritt wassergefährdender Stoffe – zum Beispiel nach Verkehrsunfällen – zum Einsatz. Diese konnten abgepumpt und im eingebauten Tank aufgenommen und transportiert werden. Der mit einer Staffelkabine, das heißt einer weiteren Sitzreihe hinter Fahrer und Beifahrersitzen, ausgestattete Rüstwagen verfügt zudem über eine Seilwinde, über die man beispielsweise verunglückte Fahrzeuge aus unwegsamem Gelände bergen konnte. Ursprünglich als Vorbau-Seilwinde ausgeführt, wurde sie 1986 durch eine Rotzler-Treibmatic ersetzt, die im Fahrzeugheck untergebracht ist. Für den aktiven Betrieb bei der Feuerwehr war der Rüstwagen auf zehn Tonnen und damit auf Lastwagen-Führerschein ausgelegt, konnte im Zuge der Neuanmeldung in Pforzheim aber auf 7,5 Tonnen abgelastet werden.

Blaulicht nicht mehr original

Tschritter möchte den Oldtimer nach und nach als Campingmobil ausstatten. "Leider sind die Blaulichter auf dem Dach nicht mehr die ursprünglichen Teile", bedauert er und startete schon so manche Suche nach den Originalen. "Ursprünglich war auch ein Schlauchboot auf dem Dach, für Einsätze am Wasser. Da oben kann ich mir ein Dachzelt vorstellen. Und im leeren Ladebereich können unsere Campingutensilien verstaut werden", beschreibt der studierte Software-Ingenieur seine Pläne. Schon als Jugendlicher hat er unter Anleitung seiner vier älteren Brüder gerne an Fahrzeugen jeglicher Art, darunter auch Zweiräder, herumgebastelt. Tschritter besitzt auch den Motorradführerschein, fuhr bereits Motocross und nennt auch eine alte Hercules-Maschine, Baujahr 1951, sein Eigen – wenn auch gerade in zerlegtem Zustand.

Auch wenn der nach vielen Dienstjahren ausgemusterte "Ruheständler" dank regelmäßiger Wartung und Pflege durch die zuständigen Feuerwehrkameraden in einem guten und fahrtüchtigen Zustand ist, möchte der Oldtimer-Liebhaber seine historische Karosse irgendwann wieder richtig aufmöbeln und quasi in Neuzustand versetzen. Daneben wartet aber auch sein vor drei Jahren bezogenes Familienheim auf die ein oder andere Renovierung durch den handwerklich versierten Programmierer von Simulationssoftware für Automobilhersteller.

Für den Weg zu seinem Arbeitsplatz nach Karlsruhe benutzt Tschritter einen Opel Zafira B, Baujahr 2007. Sein Traumauto wäre ein Ford Capri RS, der ihn schon als kleiner Junge fasziniert hat, oder ein VW Käfer mit Brezelfenster (zweigeteiltes kleines Heckfenster mit Mittelsteg) aus der Vorkriegszeit. "Mir sind eher die Klassiker ans Herz gewachsen", meint Tschritter zu seinen motorisierten Lieblingen.