Beim Großen Preis von Monaco spielt neben einem guten Ergebnis im Qualifying auch die richtige Rennstrategie eine wichtige Rolle. Mercedes-Mann Toto Wolff rechnet mit einem starken Red-Bull-Team.
Stuttgart/Monte Carlo - An den Großen Preis von Monaco vor zwei Jahren erinnert sich Daniel Ricciardo nicht gerne. Damals im Renault hatte der Australier die Chance, hinter den Topteams als Fünfter ins Ziel zu rasen, doch bei der Safety-Car-Phase verloren die Teamstrategen den Kopf. Ricciardo wurde an die Box gerufen, obwohl er recht frische Reifen am Auto hatte. „Das hat sich sofort falsch angefühlt“, sagt er im Rückblick. Die Konkurrenz blieb auf der Strecke, Ricciardo wurde durchgereicht und fuhr als Neunter über die Ziellinie. Sauber verzockt.
Mit Mut, Intuition und Gefühl ist nichts mehr zu gewinnen, im Wirrwarr der Autos wissen die Piloten oft nicht, an welcher Position sie liegen. Sie haben null Ahnung, mit welchen Vorgaben, mit wie vielen geplanten Boxenstopps die Gegner unterwegs sind. Christian Danner mischte in den 1980ern im Getümmel mit. „Damals“, sagt er, „musste ich spüren, wenn etwas nicht stimmte, und richtig reagieren. In der Komplexität heute wird dem Fahrer gesagt, was zu tun ist.“ Nun ist der Diplom-Mathematiker mit Überblick an der Boxenmauer genauso essenziell für den Sieg wie der Fahrer selbst – was Mercedes zuletzt in Barcelona belegt hat, als Lewis Hamilton durch einen zusätzlichen Stopp mit neuen Reifen den führenden Max Verstappen ein paar Runden vor Schluss noch locker und leicht kassierte, als habe er einen Getränkelaster im Coupé überholt.
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Monte Carlo ist nicht Barcelona, doch die Ingenieure wissen, welche Daten sie ansehen müssen, um einen Blick in die Zukunft zu bekommen. „In Monaco benötigt man viel Abtrieb, dies ist eine der Stärken von Red Bull“, sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff, „sie waren im dritten Sektor in Spanien sehr schnell, das ist oft ein guter Indikator.“ Dass Mercedes den besseren Motor hat, spielt auf dem verwinkelten Kurs eine untergeordnete Rolle. Noch etwas: Red Bull scheint im Qualifying schneller zu sein – weil man in den monegassischen Straßen so schwer überholen kann wie im Arlbergtunnel, ist die Startposition und später der Platz im Rennen das Ein und Alles. Macht der Vordermann keine Dummheit, bleibt fast nur eine gewitzte Renntaktik, um sich vorbeizuschummeln.
Strategien werden Wochen vor dem Rennen geplant, die Teams reisen mit Simulationen an, die vor Ort auf 20 wahrscheinliche reduziert werden. Spulen die Fahrer ihre Trainingsläufe ab, erhalten die Ingenieure eine Ahnung, was funktionieren könnte. Die Programme werden mit Wetterdaten, Reifenverschleiß, Haftungsverlust, Spritverbrauch und Rundenzeiten gefüttert. Nach und nach ergibt sich ein virtuelles Rennen als Basis für die Abstimmung. Bekannt ist im Fürstentum: Der frühe Stopp (Undercut) ist unklug, weil die Verkehrsdichte hoch ist. Wer länger als der Gegner draußen bleibt (Overcut) und bei dessen Stopp eine schnelle Runde hinlegt, kann nach dem eigenen Halt vorn sein. Zwei Stopps sind nicht sinnvoll: Zwar könnte man mit frischeren Reifen schneller fahren, die Gefahr, im Verkehr stecken zu bleiben, liegt aber bei nahezu 100 Prozent.
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Läuft das Rennen, beginnt das Hoffen und Bangen. Regen früher als vermutet, eine Safety-Car-Phase, ein Defekt, ein verblüffender Halt der andern, alles demoliert die hübsche Hochrechnung. Ein falscher Entschluss kann viel kaputt machen, siehe Ricciardo. „Es ist schwierig, alles absolut passend zu machen“, sagt Christian Danner, „man muss viele Daten im Kopf haben und schnell entscheiden.“ Die Programme werden stets angepasst, bei Mercedes sind sechs Leute beschäftigt, eine Strategie für künftige Rennereignisse zu berechnen. Zwei, darunter meist Chefstratege James Vowles, sind vor Ort, vier in der Firma in Brackley in einem Raum mit vielen Bildschirmen, wo sie alle wichtigen Daten besitzen. Das Ziel: gerüstet sein für das Unvorhersehbare, um blitzschnell richtig zu reagieren. „Entscheidungen müssen ablaufen wie ein Uhrwerk“, hat Technikchef James Allison es einmal beschrieben.
Trotz aller Berechnungen und allen Expertensinns: Fehler sind nie ausgeschlossen. Ist das Rennen gestartet, ist es wie vor Gericht und auf hoher See – alle sind in Gottes Hand und können nur noch reagieren. Aber das macht die Formel 1 ja auch so spannend.