Ob autonomes Fahren, Brennstoffzelle oder Zusatzfunktionen per Abo: Der Vorstandschef von BMW fährt einen anderen Kurs als Mercedes – und spart manchmal nicht an verbalen Spitzen.
BMW und Mercedes-Benz haben 2022 jeweils mehr als zwei Millionen Autos verkauft. Demnächst stehen ihre Vorstandschefs Oliver Zipse und Ola Källenius wieder im Rampenlicht, wenn sie die daraus resultierenden Milliardengewinne verkünden. So sehr sich die Premiumhersteller aus München und Stuttgart im Erfolg auch ähneln, so unterschiedlich positionieren sie sich in einigen strategischen Fragen. Aktuelle Äußerungen des fünf Jahre älteren Zipse (Jahrgang 1964) lassen sich durchaus als Spitze gegen den schwedischen Mercedes-Chef verstehen, wie unser Überblick zeigt.
1. Die Elektrostrategie
Oliver Zipse hält wenig vom EU-Zulassungsverbot für neue Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035. Die Konzentration auf batterieelektrische Antriebe sieht er als strategischen Fehler: „Haben Sie schon mal versucht, zu lange auf einem Bein zu stehen? Das ist eine gefährliche Sache...“, sagte Zipse kürzlich bei einer Digitalkonferenz des Burda-Verlags. „Wenn wir an die Zukunft denken, wollen wir nicht an ein Standbein denken, sondern an ein zweites, ein drittes, viertes, oder sogar ein fünftes.“ Gemeint ist: BMW will langfristig auf verschiedene Antriebsarten setzen, auch weiterhin auf den Verbrenner. Deshalb nennt BMW bisher kein festes Datum für den Komplettumstieg auf Elektro.
Ola Källenius hingegen hält Pkw mit Batterieantrieb für den effizientesten Weg zum klimafreundlichen Fahren. Bis 2030 soll Mercedes-Benz in der Lage sein, nur noch Elektroautos zu bauen. Das Ziel wird allerdings in allen Publikationen des Konzerns mit einer Anmerkung versehen: „Wo es die Marktbedingungen zulassen“. Somit hält sich auch Mercedes die Verbrenneroption in solchen Regionen offen, die nicht auf Elektro umsteigen wollen oder können. Beschlossen ist aber: Von 2024 an werden alle neuen Modelle auf Plattformen für Elektroautos konstruiert.
Im Hier und Jetzt hat BMW die Nase bei den Stromern vorne: 2022 verkauften die Münchner 216 000 Elektroautos der Marken BMW und Mini, fast doppelt so viel wie Mercedes samt Smart. Die Zuwachsraten aber liegen bei den Stuttgartern höher.
2. Die Brennstoffzelle im Auto
Oliver Zipse zählt auch die Brennstoffzelle zu den künftigen Standbeinen von BMW. Mercedes war lange Pionier bei diesen Autos, die Wasserstoff tanken und damit Strom erzeugen, der zum Antrieb eines E-Motors genutzt wird. Doch aus der Kleinserie wurde nie ein Massenprodukt, weil die Technik anspruchsvoll ist und Wasserstofftankstellen rar sind. Mittlerweile sieht man nur noch im Schwerlastverkehr Bedarf für diese Technologie, dafür ist das Ende 2021 abgespaltene Schwesterunternehmen Daimler Truck zuständig.
BMW hat hingegen die Kleinserie iX5 Hydrogen aufgesetzt. „Resilienz bedeutet Flexibilität, und wir wollen eine resiliente Firma sein“, sagt Zipse. BMW sei „stark dafür, nicht nur eine Ladeinfrastruktur, sondern auch eine Wasserstoff-Infrastruktur zu schaffen.“
3. Die digitale Strategie
Bei der Elektronikmesse in Las Vegas sagte Oliver Zipse Anfang Januar, bei „digitaler Leadership“ gehe es „nicht darum, wer den größten Bildschirm im Auto hat, den leistungsstärksten Rechner, oder wer die meisten Zeilen Programmcode schreibt“. Die Spitze gegen Mercedes, das mit dem 1,41 Meter breiten Hyperscreen im Elektroflaggschiff EQS ein Alleinstellungsmerkmal auf den Markt gebracht hat, war unüberhörbar. Autohersteller müssten die Software nicht selbst schreiben, führte Zipse aus, sondern verschiedene Systeme integrieren können und die Hoheit über die Daten behalten. Mercedes programmiert hingegen ein eigenes Betriebssystem namens MB.OS, kooperiert dabei jedoch ebenfalls mit externen Software-Unternehmen.
Unterschiedlich auch die Erwartungen an Funktionen, die der Nutzer per Software-Abo hinzubuchen kann – beispielsweise einen engeren Wendekreis (Mercedes) oder die Nutzung einer Kamera für die Aufzeichnung der Fahrt (BMW). Källenius hält mit den „Functions on Demand“ Milliardenumsätze für möglich, Zipse eher nicht. Wenn Kunden ein Auto für 50 000 Euro kauften, könne man ihnen nicht sagen: „Da ist noch nicht alles drin.“
4. Das autonome Fahren auf Level 3 Für Mercedes war es ein Triumph: Als erster Autohersteller bekamen die Stuttgarter mit der S-Klasse 2022 die weltweite Zulassung für einen autonomen Fahrassistenten auf Level 3. Bis Tempo 60 kann der Fahrer in Stop-and-go-Situationen auf der Autobahn dem Bordcomputer das Steuer überlassen und die Hände vom Lenkrad nehmen.
BMW-Chef Zipse bezweifelt den geschäftlichen Wert: „Ein Level-3-System, egal, ob bei 60, 80 oder 120 Kilometern pro Stunde, das sich ständig im Tunnel abschaltet, bei Regen abschaltet, im Dunklen abschaltet, bei Nebel abschaltet - was soll das? Kauft kein Kunde“, sagt er.
5. Das Geschäft mit Kleinwagen
Bei der Bosch-Veranstaltung „Connected World“ in Berlin kündigte Zipse im November 2022 an, BWM werde auch künftig elektrische Kleinwagen anbieten: „Auch wenn man sich als Premiumhersteller versteht, ist es falsch, das untere Marktsegment zu verlassen – das wird in Zukunft der Kern des Geschäfts sein.“ Das Modell i3, mit dem BMW seit Jahren auf dem Markt ist, stellen die Münchner jedoch ein. Nachfolger sind in Planung. Ob sich die Strategie am Ende wirklich von Mercedes unterscheidet, wird man sehen, wenn die Einstiegspreise bekannt werden. Denn auch Källenius will das Kompaktsegment nicht der Konkurrenz überlassen. Statt bisher sieben Modellen in der A- und B-Klasse soll es künftig aber nur noch vier geben, die Mercedes als „Entry Luxury“ bezeichnet – also als Einstieg in den Luxus.