Beten im eigenen Gebetsraum: Muharrem Cetin lebt und wirkt in Straßberg. Foto: Holbein

Islam: Muharrem Cetin aus Straßberg ist als Wanderprediger unterwegs. Erbrecht und Schächten als Themen.

Straßberg - Der Koran verbiete das Ermorden anderer Menschen und die Selbsttötung, sagt Muharrem Cetin. Der Wanderprediger aus Straßberg hat entlang seiner Selbstlektüre der heiligen Schrift islamisches Recht studiert – vor allem Erb- und Strafrecht.

Wenn der wuselige, nicht sehr groß gewachsene Mann spricht, ist ihm die Begeisterung für die religiöse Sache in jeder Faser seines Körpers anzuspüren: "Der Zeigefinger eines Kindes ist heiliger als die Moschee, eine Träne aus den Augen wertvoller als die Kaaba, also lasst die Kinder nicht weinen", betont Muharrem Cetin. Für den 49-jährigen Wanderprediger, der in Straßberg sein Büro hat, ist deshalb klar: Was der sich selbst so nennende Islamische Staat macht, "das ist Terror: Das sind keine Muslime, das sind Verbrecher". Anschläge wie der auf den Weihnachtsmarkt in Berlin seien ungerechtfertigter Mord.

Der aus der Türkei stammende Ehemann und Vater von vier Kindern beruft sich dabei auf den Koran. Dort finde sich kein Wort über Ermorden und Terror. Vielmehr fordere die heilige Schrift, sich zu opfern für den Frieden. So steht in der Sure 5, Vers 29: "Wenn du auch deine Hand nach mir ausstreckst, um mich zu erschlagen, so werde ich doch nicht meine Hand nach dir ausstrecken, um dich zu erschlagen." Der Koran sei damit strenger als die Bibel, erläutert der Moslem, der den Sunniten angehört, weil er verbiete, sich selbst zu verteidigen. Erlaubt sei aber, für das Leben eines anderen und für den Frieden zu kämpfen, etwa gegen den Terrorismus. Aufzurüsten, um so stark zu sein, dass der Feind nicht angreife, billige der Koran; und wenn der Feind dennoch angreife, dann sei die Verteidigung zulässig, aber nur so lange, bis sich der Feind ergebe. Sofort müsse danach wieder Frieden herrschen. Wenn währenddessen der Feind einen trotzdem hinterhältig töte, dann sei der Mensch für den Frieden gestorben – als Märtyrer.

Bei der Verteidigung anderer Menschen übernehme Allah die Schuld und Verantwortung. Der Koran sagt in der Sure 5, Vers 33: "...wenn jemand einen Menschen tötet – es sei denn für (Mord) an einem anderen oder für Gewalttat im Land –, so soll es sein, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, so soll es sein, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten." Wer sich opfern lasse für den Frieden, der sei ein Märtyrer, dagegen sei ein Selbstmordattentäter ein zweifacher Sünder, weil er ungerechtfertigt töte und weil der Koran es nicht zulasse, sich selbst umzubringen.

Im Kampf gegen den Hass plant der Prediger eine Spendenaktion

Der Wanderprediger, der seit 2006 in Straßberg wohnt und dort in seinem Wohnhaus einen Gebetsraum hat, möchte 2017 eine Spendenaktion starten: Jeder, der im Koran ein Wort findet, das Mord und Terror rechtfertigt oder sogar dazu aufruft, erhält 100 Euro; Muslime bekommen 200 Euro, 100 Euro als Geld in bar und die anderen 100 Euro, um sich in der Friedenskirche als orientalischer Christ einzutragen.

Es ist nicht das einzige Projekt, das den 49-Jährigen umtreibt, der sich im Eigenstudium direkt aus dem Koran das islamische Recht angeeignet hat. 1980 nach Deutschland gekommen und in der Moschee Zollernalb aktiv, die mittlerweile nicht mehr existiert, hat er Kontakt mit allen türkischen Vereinen, besucht die Gläubigen, betet mit ihnen und predigt über Familien- und Erbrecht. Gerade das Erben sei ein "ganz großes Problem", denn ohne Visum dürften Erben aus der Türkei nicht einreisen und könnten somit ihr Erbe nicht antreten.

Auch für das Schlachten nach muslimischer Art, ohne Strom, nur mit dem Messer, bei dem die Tiere ausbluten müssen, setzt sich Cetin ein und hat einen Antrag beim Balinger Veterinäramt gestellt, dies zu erlauben. Gläubige Muslime dürften Ramadan nicht feiern mit Fleisch von andersartig geschlachteten Tieren. Sollte der Antrag abgelehnt werden, will er vor dem Verwaltungsgericht in Sigmaringen klagen, weil er seine Religionsausübung – ein Grundrecht – eingeschränkt sieht. Friedlich, aber streng nach islamischen Recht lebt Muharrem Cetin in Deutschland, geht deshalb beispielsweise nicht zur Wahl, weil das der Koran dem Moslem als Sünde verbietet.

Das Ziel ist der Bau einer Moschee und eines sozialen Hauses

Zwei weitere Vorhaben hat Cetin im Blick: Auf dem leeren Bauplatz in Straßberg, auf dem früher ein Nachtklub gestanden hat, soll einmal eine Moschee entstehen: "Unsere Gebete wurden erhört, dass dieses Haus der Sünde verschwindet." Und er will 2017 das Sozialprojekt Zollernalb ins Leben rufen mit dem Ziel, bedürftigen Menschen jeglicher Nationalität und Religion zu helfen, beispielsweise mit zinsfreien Krediten und kostenlosen Unterkünften mit Verpflegung für Obdachlose – finanziert über Spenden. Arbeits- und Landratsamt haben laut Cetin Unterstützung versprochen. Auf Architekten und Bauplaner will er mit der Bitte zugehen, kostenlos für das Projekt, ein soziales Haus zu errichten, zu arbeiten.