Wurden Hiebe mit einem Bambusknüppel verabreicht? Beweisen ließ es sich vor Gericht nicht. Foto: New Africa - stock.adobe.com

Im Albstädter Umland soll ein Mann aus Ungarn seine Lebensgefährtin verprügelt haben. Das Amtsgericht Albstadt sah die Tat als erwiesen an – die Berufungsinstanz urteilte anders.

Die Vorgeschichte: Der Angeklagte, ein 41-jähriger Ungar, war im Februar vom Amtsgericht Albstadt wegen gefährlicher Körperverletzung zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden – das Gericht sah als erwiesen an, dass er am 2. Juni 2024 seine Lebensgefährtin in deren Haus in einer Albstädter Umlandgemeinde geschlagen und ihr dabei zwei Platzwunden zugefügt hatte. Eine mit einem Bambusstock an der Kalotte, die andere mit einem Fausthieb über dem Auge – auch Haare soll er ihr ausgerissen haben.

 

Der Angeklagte hatte die Tat bestritten und nach der Verurteilung Berufung eingelegt. Er war im Juli 2024 acht Tage in Untersuchungshaft gesessen und hatte danach seine Zelte in Deutschland abgebrochen. Mittlerweile lebt er in Ungarn und war von dort zur Berufungsverhandlung in Hechingen angereist. Mit der erwähnten Lebensgefährtin, die ihm in seine Heimat gefolgt war und ihn nun begleitete.

Sie hätte die Aussageverweigern können

Wie das Schöffengericht am Landgericht Hechingen gleich zu Beginn feststellte, sahen die Voraussetzungen für die Wahrheitsfindung nicht besonders günstig aus. Der Angeklagte ließ über seine Anwältin erklären, dass er keine Angaben zur Sache machen werde, und auch sein angebliches Opfer war sich unschlüssig, ob es ohne eigenen Anwalt aussagen sollte oder nicht – gegen die Frau war nämlich ein Strafverfahren wegen uneidlicher Falschaussage anhängig, das nur deshalb vorläufig eingestellt ist, weil sie derzeit im Ausland lebt.

Sie hätte die Aussage verweigern können, um sich nicht selbst zu belasten; wie ein Prozess weitergegangen wäre, in dem sowohl der mutmaßliche Täter als auch sein Opfer schweigen, ist schwer vorstellbar.

Das angebliche Opfer weiß von keiner Gewalttat

Die 37-Jährige entschied sich einigermaßen spontan dafür, Angaben zu machen. Wie sie berichtete, war sie am 2. Juni 2024 abends am Treppenabsatz im Eingangsflur ihres Hauses über ihren Hund gestolpert und die Treppe hinabgestürzt. Ihre Verletzungen habe sie anfangs nicht wahrgenommen und die Blutspuren nicht gleich bemerkt; allerdings sei es ihr anderntags schlecht gegangen, wohl aufgrund einer Gehirnerschütterung. Sie habe einen guten Teil des Tages liegend verbracht, im Garten vor dem Haus.

Nicht den Not-, sondern des Hausarzt alarmiert

Am Abend erhielt sie Besuch: Ihr Patenonkel und ihre Patentante standen von der Tür; die Nachbarin hatte der Tante via WhatsApp mitgeteilt, das Patenkind liege betrunken auf der Liege; sie mögen kommen. Die beiden wurden im weiteren Verlauf der Verhandlung ebenfalls angehört. Sie berichteten, die Nichte sei schon bei früheren Gelegenheiten vom Krankenwagen abgeholt worden; um Aufsehen zu vermeiden, habe man diesmal nicht den Not-, sondern den Hausarzt verständigt. Der sei prompt gekommen, habe angesichts der Platzwunden gefragt, ob und womit sie geschlagen worden sei, und sich dann im Keller den Bambusknüppel zeigen lassen.

Wer der Schläger war, das stand für alle Beteiligten fest: Die Nichte selbst, so der Onkel, habe ihm gegenüber darüber geklagt, ihr Freund behandele seine Pferde besser als sie; als seine Mutter und Schwester zu Besuch kamen, soll sie erklärt haben, jetzt werde sie „auch von denen“ geschlagen.

Foto von der Schädelwunde wenig aussagekräftig

Das Problem an diesen Aussagen: Die Nichte selbst bestätigte nichts. Nicht gegenüber der Polizistin, welche sie später vernahm und der sie laut deren Angaben schon bei früherer Gelegenheit erklärt hatte, sie sage nichts, es falle ja doch auf sie zurück – und auch nicht vor Gericht: Sie blieb bei ihrer Aussage, dass ihre Verletzungen eine Sturzfolge seien. Das Gegenteil ließ sich nicht belegen. Die Polizei hatte die Ermittlungen erst Tage später aufgenommen, ein von der Patentante gemachtes Foto von der Schädelwunde erwies sich als wenig aussagekräftig, und der Arzt konnte vor Gericht nicht aussagen, weil seine Patientin sich weigerte, ihn von der Schweigepflicht zu entbinden.

Verfahren wird mangels Beweisen eingestellt

Der Gerichtsmediziner sah sich unter diesen Umständen außer Stande, die Version vom Treppensturz verbindlich auszuschließen – und das Gericht ebenso: Das Verfahren wurde eingestellt. Der Angeklagte verzichtete seinerseits auf alle Entschädigungsansprüche an die Staatskasse und verließ den Saal als freier Mann.