Es geht um ein elfjähriges Mädchen: Sind zwei Mitarbeiterinnen des Kreisjugendamtes zu weit gegangen? Der Vorwurf gegen die beiden: Entziehung Minderjähriger. Ermittlungen laufen.
Es ist anfangs eine Geschichte, die schon tausend Mal geschrieben wurde: Heirat, Kinder, Trennung und anschließender Rosenkrieg. Maren, (Name von der Redaktion geändert) ist eines von 200 000 Trennungskindern in Deutschland. Und eines von rund 40 000 Kindern, bei denen es massive Probleme mit dem Umgang gibt.
Probleme, die in Marens Fall mit einem Gerichtsbeschluss gestoppt werden sollten.
Oberlandesgericht regelt Umgangsrecht
Wie begann der Streit um Marens Umgangsrecht? Zurück ins Jahr 2017. Damals, so schildert der Vater im Gespräch mit unserer Redaktion die Hintergründe, habe es vom Oberlandesgericht Karlsruhe einen Beschluss gegeben, den Umgang zu regeln: jedes zweite Wochenende sollte Maren, damals drei Jahre alt, bei ihrem Vater sein, dazu jeden Mittwoch.
Der gerichtlich festgesetzte Umgangstitel habe auch Wirkung gehabt, erläutert Christoph Möller, Anwalt und Familienrechtler aus Freiburg, auf Anfrage unserer Redaktion. Zuvor, so Möller, habe es seitens der Frau immer wieder Vorwürfe der Kindeswohlgefährdung gegen den Vater gegeben. „Sämtliche Anschuldigungen wurden überprüft und als unbegründet zurückgewiesen“, so Möller.
Doch eine dauerhafte Ruhe sei damit nicht eingekehrt. Die Spirale habe sich weiter gedreht, schneller und heftiger, so der Vater. Die Mutter habe auf Anraten des Kreisjugendamtes den vom Familiensenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe formulierten Umgangstitel zeitweise im Herbst letzten Jahres ausgesetzt, ohne dass es eine Abänderung des Titels gegeben habe. Auch eine in den Herbstferien geplante Reise sei nicht zustande gekommen. Der Vorwurf, mit dem dieser Schritt durch die Behörde begründet worden sei: Gefährdung des Kindeswohls. Für den betroffenen Vater und seine Anwältin, die sich auf die strafrechtliche Seite fokussiert, sei dies ein inakzeptables Vorgehen gewesen.
Strafanzeige gestellt
Die Frankfurter Anwältin Rosalie Schönbach-Krieger stellte im Namen ihres Mandanten Strafanzeige. „Es geht eben nicht, dass sich Mitarbeiterinnen des Kreisjugendamtes eigenmächtig über einen richterlichen Beschluss hinwegsetzen.“
Doch auch Familienrechtler Christoph Möller, spart nicht mit Kritik an dem Vorgehen vom Kreisjugendamt: „Es ist zwar richtig, dass sich Villingen-Schwenningen sehr weit im Westen der Bundesrepublik befindet; aber nicht im rechtsfreien, wilden Westen.“ Andreas Mathy, Sprecher der Staatsanwaltschaft Konstanz, bestätigte auf Anfrage unserer Redaktion, dass seit Dezember 2024 ein Ermittlungsverfahren laufe.
Fall zieht weitere Kreise
Wie kam es zur Eskalation? Familienrechtler Christoph Möller bestätigte im Gespräch mit unserer Redaktion, dass aufgrund des bereits im Jahr 2017 gerichtlich fixierten Umgangstitels die Treffen mit dem Vater über einen längeren Zeitraum reibungslos abgelaufen seien. Bis zu dem Zeitpunkt, als der Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht gerichtlich durchsetzen wollte. „Das war für mich zunächst ein eher ungewöhnlicher Vorgang“, erläutert Möller. Doch anhand der ihm vom Vater geschilderten Hintergründe sei dieser Schritt für ihn absolut nachvollziehbar gewesen. Denn die Mutter soll vor wenigen Jahren das Mädchen in eine kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtung gebracht haben.
Der Fall zieht weitere Kreise, zwischenzeitlich ist das Mädchen bald elf Jahre alt und die juristische Spirale dreht sich weiter. Das Oberlandesgericht hat am 24. Juli dieses Jahres auf Antrag der Mutter dieser die Alleinsorge übertragen. „Dagegen habe ich am 27. Juli Anhörungsrüge erhoben“, kommentierte der Vater den Beschluss.
Was den stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik des Mädchens anbelangt, werde eine rechtliche Verantwortlichkeit der Klinik geprüft. Bis heute sei der Beschwerdeweg noch nicht erschöpft. Das Bundesverfassungsgericht habe erst letzte Woche weitere Unterlagen zur Prüfung im familiengerichtlichen Verfahren angefordert, so der Vater.
Wie sieht die Mutter des Mädchens diesen Streitfall? Weder sie noch ihr Anwalt wollten sich zu der Sache äußern.
Strafanzeige sei eine hohe Belastung
Wie reagiert das Kreisjugendamt auf die Vorwürfe und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Konstanz, die im Dezember 2024 begannen? Dazu Heike Frank, Pressesprecherin im Landratsamt Schwarzwald-Baar: „Wir können aus datenschutzrechtlichen Gründen bei einzelnen Fällen des Kreisjugendamtes keine Auskunft geben.“
Mehr Informationen lieferte Frank auf die Frage unserer Redaktion, ob Anzeigen gegen das Kreisjugendamt eher die Ausnahme oder die Regel seien: „Es ist richtig, dass es immer wieder vorkommt, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreisjugendamtes durch Klienten angezeigt werden. Meist ist dies der Fall, wenn von Seiten der Klienten die Beschwerdewege ausgeschöpft wurden.“ Selbstverständlich prüfe das Jugendamt als erstes, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter korrekt gehandelt haben.
Fakt sei, dass eine Strafanzeige eine hohe Belastung bedeute, ergänzt Heike Frank. Vor allem deshalb, da im Jugendamt die sogenannte Garantenstellung bestehe, „die die Pflicht umfasst, Gefahren vom Kindeswohl abzuwenden, wenn eine Gefährdungssituation besteht“.
Kreisjugendamt berät Klienten
Bietet das Jugendamt Hilfen an oder Empfehlungen für sich trennende oder geschiedene Ehepartner, damit die Streitereien nicht eskalieren, Stichwort Mediation? Das Jugendamt bietet laut Frank Beratungen in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung an. In der Regel werden Gespräche gemeinsam und einzeln geführt. Auch Kinder und Jugendliche können in diesem Prozess durch eine kind- und altersgerechte Gesprächsführung beteiligt werden. Ziel dieser Beratungen seien die einvernehmlichen Lösungen zwischen Eltern oder Personensorgeberechtigten, um unter anderem weitere gerichtliche Verfahren abwenden zu können. Eine klassische Mediation bietet das Jugendamt nicht an.