Erinnerungen: Festakt und Aktion mit Gunter Demnig am 21. Oktober / Engelke will Verein auflösen
Der Kampf dauerte acht Jahre. Jetzt scheint ein Ende nahe und der Sieg gesichert. Für den Verein "Pro Stolpersteine VS" wird der Künstler Gunter Demnig am Donnerstag, 21. Oktober, die ersten Stolpersteine in Villingen verlegen. Der Verein könne sich jetzt auflösen, findet der Vorsitzende Friedrich Engelke.
VS-Villingen. Kleiner Rückblick anlässlich der Mitgliederversammlung: Nachdem der Gemeinderat 2013 die Verlegung der Pflastersteine abgelehnt hatte, die in vielen deutschen Städten die Wohnorte von Opfern des Nationalsozialismus kennzeichnen, gründete sich der Verein mit Friedrich Engelke an der Spitze. Man begann mit wöchentlichen Mahnwachen in den Wintermonaten, Gedenkfeiern am Jahrestag der Deportation jüdischer Villinger ins französische Gurs, man initiierte Ausstellungen und man forschte.
Besonders Engelke, aber auch Heinz Lörcher, Theo Leute (†), Wolfgang Heitner sowie Schüler deckten die Schicksale weiterer Opfer auf – neben Juden auch politisch und kirchlich Verfolgte, Widerständler, Fluchthelfer, Sinti und Roma, Kranke und Behinderte. Sie "in die Heimat zurückzuholen" machten sich die rund 50 Vereinsmitglieder zur Aufgabe. Schon vor einem Jahr hätten sie das Etappenziel, die erste Verlegung von Stolpersteinen, schließlich erreicht, wäre da nicht das Coronavirus gewesen. Engelke gedachte in der Versammlung zunächst Theo Leute. Das langjährige und aktive Vorstandsmitglied verstarb im März. Seine Witwe Irene Leute-Reibenstein erinnerte an die zwei Gründe seiner Motivation. Zum einen sei sie selbst zum Teil jüdischer Abstammung, zum Zweiten habe ihr Mann es nicht fassen können, wenn Menschen, im christlichen Glauben erzogen, zu ihm sagten: "Lass uns doch mit diesem alten Mist in Ruhe".
Den "alten Mist" aufgearbeitet zu haben und damit die Erinnerung wachzuhalten als Mahnung – diesem Ziel kommt der Verein jetzt immer näher. Am 21. Oktober wird es im Alten Rathaus um 10 Uhr einen Festakt geben. Rund zwei Stunden später verlegt Gunter Demnig eigenhändig 20 Stolpersteine: in der Rietstraße 40 für die jüdische Familie Schwab, in der Oberen Straße 1 für Familie Boss, in der Gerberstraße 33 für Familie Schwarz und in der Waldstraße 11 für Familie Bikart.
Der zweite Verlegetermin steht auch schon fest: Am 6. März werden weitere Steine in das Pflaster vor der Herdstraße 16 (Familie Haberer) und der Sebastian-Kneipp-Straße 36 (Familie Zaitschek) eingebettet. Im Herbst 2022, so kündigte Engelke an, folgen weitere 20 Steine an weiteren sieben Standorten, auch in Schwenningen. Die werden, mit Erlaubnis des Künstlers, dann in Eigenregie verlegt. Für gut 40 Steine im Wert von je 120 Euro hat der Verein bereits Paten aus den Reihen der Bevölkerung gefunden.
Einen Tag nach der ersten Kunstaktion wird, wie in jedem Jahr seit 2013 am 22. Oktober, den Deportierten von 1940 gedacht. Am einst von Schülern der St. Ursula-Schulen aufgestellten Gedenkstein vor dem Villinger Bahnhof, der im vergangenen Jahr auf Initiative des Vereins um eine Bronzeplatte mit den Namen der Betroffenen ergänzt wurde, werden Zeilen aus ihren Briefen zitiert, die sie aus dem Gefangenenlager am Mittelmeer schrieben.
Friedrich Engelke möchte den Verein in rund einem Jahr auflösen. Doch hier, so erklärte er, könne er sich zukünftig das Ziel eines jährlichen "Sternlauf" jüngerer Menschen, startend bei den Stolperstein-Standorten vorstellen.
Auch Constanze Kaiser, Mitglied, Gemeinderätin und Lehrerin, sprach sich dafür aus, die Vereinsaktivitäten in ähnlicher Form weiterzuführen. Engelke hingegen sieht seine Mission erfüllt. Er freue sich zwar, wenn der Verein, "vielleicht als Initiative", weitergeführt werde, zumal es noch viele Schicksale aufzudecken gebe – er werde sich aber auf jeden Fall zurückziehen. Mit der Aussicht einer Befristung im Amt ließ sich Wolfgang Heitner zum stellvertretenden Vorsitzenden und Nachfolger von Theo Leute wählen.