Archäologen restaurieren einen deutschen Unterstand aus dem Ersten Weltkrieg / Alltag soll rekonstruiert werden

Von Thierry Schauer

Carspach. Arbeiten zur Umgehungsstraße bei Carspach im Oberelsass brachten ihn im November 2010 an den Tag: den "Kilianstollen", einen deutschen Unterstand aus dem 1. Weltkrieg. Letztes Jahr wurde er ausgegraben – seither restauriert und konserviert.

"Es war dramatisch. Fast ein Pompeji im 20. Jahrhundert", erinnert sich Michaël Landolt, der leitende Archäologe. "Wir sind den Männern quasi in dem Moment begegnet, in dem der Tod nach ihnen griff." Landolt spricht vom "Kilianstollen", ein 125 Meter langer, ein Meter breiter und 1,8 Meter hoher Unterstand bei Carspach, der 500 Soldaten schützen sollte. Bis im Jahr 2010 lag er bis zu 10 Metern unter der Erde.

Am 18. März 1918 explodierte das Teilstück nach einem Angriff mit Minenwerfern von der französischen Linie ein paar Hundert Meter gegenüber. 21 Soldaten wurden unter sechs Metern Lehm begraben. Sie saßen auf Bänken, lagen auf dem Boden, einer auf dem Feldbett. Sie waren in Uniform, mit Pfeife und Kennmarke in der Tasche und Uhr am Handgelenk, beschreibt Landolt.

"Der Stollen war verschüttet. Nach 1918 war er vergessen. Er wurde also nie geplündert. Und der Lehm hat alles relativ gut konserviert", so Landolt im elsässischen Amt für Archäologie (PAIR) in Sélestat. "Die Gelegenheit für die Archäologie, den Alltag an der Front zu rekonstruieren."

Was von September bis November 2011 von sechs Archäologen im rund um die Uhr bewachten "Kilianstollen" ausgegraben wurde, sind aber noch lange keine Exponate. "Alles muss gereinigt und je nach Material in trockener oder feuchter Luft, bei Zimmertemperatur, kühl oder kalt konserviert werden und es muss restauriert werden", sagt Landolt zur Arbeit der letzten Monate. "Dann wird erst einmal untersucht und erst dann, vielleicht, werden die Gegenstände in einem Museum ausgestellt."

Da sind Stiefel, Hosen, Jacken, Mützen, Brillen und andere Kleidungsstücke. Aber es braucht Monate, um es wieder herzeigbar zu machen.

Die Archäologen haben auch die Mülltonne geleert: neben Rinderknochen wurden auch Jakobsmuscheln und Austern gefunden. "Das gibt uns einen Einblick in den Alltag zwischen Feldtelefon und Senfgläsern mit Portrait des Kaisers im Schützengraben – eine ganze Menge an Informationen." Ob das im Stollen ausgegrabene Skelett einer Ziege das Maskottchen der Soldaten oder ihr Milchlieferant war, wird wohl eine Frage ohne Antwort bleiben, sagt Landolt und schmunzelt dabei.

Zur Identität der 21 Soldaten, die sich trotz der 16 Ausgänge des "Kilianstollens" nicht mehr retten konnten und vom Erdreich begraben wurden, gäbe es weniger Zweifel. Von den meisten habe man die Kennmarke.

Die anderen wollen die Archäologen anhand von morphologischen Studien ermitteln. Im November werden die Gebeine an die "Deutsche Kriegsgräberfürsorge" übergeben. Sie werden, falls Angehörige nichts anders vorsehen, auf dem Soldatenfriedhof Illfurth im Oberelsass neben ihren Kameraden bestattet.

Aber der "Kilianstollen" wird als Teil der Geschichte sozusagen wieder zum Leben erweckt: 2014 soll er im Kriegsmuseum in Dresden bei der Ausstellung zum Ersten Weltkrieg auch mit Fundstücken aus Carspach rekonstruiert werden.