Unterwegs im Auftrag der Fantasie: Christian Berg Foto: G2 Baraniak

Näher dran an den großen und kleinen Kultureinrichtungen und ihren Machern in der Region Stuttgart – die „Stuttgarter Nachrichten“-Reihe „Ortstermin“ macht es möglich.

Stuttgart - Einer wie keiner. Das sagt sich so einfach. Aber für Christian Berg gilt dies. Kindermusical-Erfinder, Mitmach-Papst – alles richtig. Auch nach 30 Jahren riskiert Berg als Theatermacher immer wieder nahezu alles – für die Fantasie.

1998 mit „Oh wie schön ist Panama“ im Theaterhaus

Am Anfang seiner Stuttgarter Auftritte ist 1998 das Theaterhaus in Wangen, steht eine wunderbare Inszenierung, gibt es das „erste Janosch-Musical der Welt“ – und ein gutes Stück Verzweiflung darüber, dass sich in Stuttgart die Nachfrage nach einem Kindermusical deutlich in Grenzen hält.

Große Erfolge mit „Jim Knopf“ und „Dschungelbuch“

Dies ändert sich rasch. Christian Berg spielt in der Folge mit seinem kleinen Ensemble vor gefüllten Rängen in großen Häusern – auch in Stuttgart. „Pettersson und Findus“ etwa präsentiert er im SI-Centrum, so prall gefüllt mit Ideen wie alle Stücke des Cuxhavener Kindertheatermachers. 2003 wärmt er mit seiner Erfolgsproduktion „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ wie auch erstmals mit seiner 2002 auf die Bühnen gebrachten „Dschungelbuch“-Version den kühlen Hegelsaal der Liederhalle.

Rasanter Aufstieg

„Anfangs war es mein Anliegen“, sagt Christan Berg heute, „es anders zu machen, anspruchsvoller, immer nah am Zuschauer, mit Ohr und Herz“. Seitdem ist viel passiert – der strahlende Held des Mitmachtheaters erlebt den tiefen Fall bis in die Insolvenz und das Zerbrechen der Ehe. „Ich habe“, sagt Berg im Rückblick, „jahrelang einen Haufen Schulden vor mir hergeschoben und nicht realisiert, dass ich es niemals schaffen würde, diese Schulden, entstanden durch Fehleinschätzungen, jemals wieder zu bezahlen.“ Und er ergänzt: „Ich war längst in einem drei mal verschweißten und geschlossenen Hamsterrad, aus dem ich nicht mehr raus kam, auch künstlerisch. Ich redete mir ein, es müsste immer ,Jim Knopf’ oder das ,Dschungelbuch’ sein, damit die Menschen mir treu bleiben.“

Tiefer Fall

Das Hamsterrad aber wird zu schnell, zum Jahreswechsel 2013/2014 muss Berg Insolvenz anmelden. In seinen Worten: „Ehre weg, Frau weg und Theaterrechte weg, die im Zuge der Insolvenz, samt Bühnenbildern und Kostümen, verkauft wurden“. Ein Stuttgarter Konzertveranstalter erwirbt die Rechte – die Stücke aber bluten ohne Christian Bergs Impulse aus.

Neuanfang als Chance

Der Absturz selbst? Ein böses Erwachen – aber auch Aufforderung zum Neuanfang. „Ich musste mich neu erfinden und konnte mich nicht mehr brav auf den alten Erfolgen ausruhen“, sagt Berg. Der Erzähler braucht neue Geschichten – und in Zusammenarbeit mit dem Gallissas-Verlag in Berlin klappt dies auch. „Oliver Twist“, „Der Fischer und seine Frau“ und „Das Gespenst von Canterville“ entstehen – und erleben am kleinen Hamburger Theater Sprechwerk ihre Premieren, finden wie Christian Berg selbst ihren Stammplatz in der Komödie Winterhuder Fährhaus und im St. Pauli-Theater.

Und die großen Erfolge? „Mit meinen ,alten’ Stücken“, sagt Berg, „verhält es sich wie bei einer Melodie, die ein Komponist vor vielen Jahren geschaffen hat, es bleibt immer seine Melodie, aber er muss ja nicht mit jeder Interpretation einverstanden sein“.

Theater als Familienerlebnis

Berg ist überzeugt: „Kinder lassen sich verzaubern“

Eines aber hat sich nicht geändert: Christian Bergs Überzeugung: „Man kann Kindern noch so viel Technik in die Hand geben kann, um sie, wie früher vorm Fernsehen, ruhig zu stellen“, sagt er, „wenn aber die Magie auf der Bühne beginnt und Du weißt, wie Du den Zauberstab anwenden musst, lassen sie sich mitnehmen, entführen und verzaubern!“.

Berg ist überzeugt: „Es hat sich nichts verändert, seit Kasperle und dem Krokodil! Das Glück der Menschen, die für Kinder arbeiten, im Theater, ist, dass Kinder unverdorben sind und Theater in sich aufsaugen und ganz von selbst zum Teil des Ganzen werden. Ich glaube fest daran, dass es dieses Theater immer geben wird.“

Theater als Familienerlebnis

Manches ist heute noch wie damals bei den Abenteuern des kleinen Tigers und des kleinen Bären. Christian Berg ist Erzähler, mimt den Vorleser, schlüpft, wenn das Publikum ihn, lautstark zumeist, daran erinnert, flugs in die Rolle eines der Bühnenprotagonisten – und bei all dem erlaubt er sich noch ein paar selbstironische Anmerkungen zu den Gesetzen des Mitmachtheaters. „Die Kinder waren ja schon ganz gut, nur die Erwachsenen machen mir noch Kummer.“ Wie oft hat Berg diesen Satz schon gesagt, wie oft schon gehofft, dass der buchstäbliche Wortsinn hinter dem Kalauer erspürt wird, der Ernst, mit dem der Kindertheatermacher Berg auch die Erwachsenen wieder zurück auf die Spur der Fantasie bringen will.

„Ich möchte nicht erziehen, aber eben doch, einen toleranteren Blick auf die Welt erreichen“, sagt Berg. Vor allem aber geht es ihm „ums Zuhören, die Möglichkeit, nicht nur bei den Kindern, Empathie zu wecken, genau wie vor 20 Jahren, clownesk, den Spiegel,vorzuhalten .“

Mit elf Jahren lenkt Berg den Kinderzirkus Montana

Christian Berg setzt viel ein, sich vor allem, den eigenen Glauben an die Macht der Poesie. Schon mit elf Jahren schafft sich der 1966 in Bad Oeynhausen geborene Regisseur, Musicaldarsteller (und auch Autor der Kinderbücher „Tamino Pinguin“ und „Kleines Monster Monstantin“) die erste eigene Arena – den Kinderzirkus Montana. Berg tingelt durch die Stadtteile Cuxhavens. Mit 22 Jahren folgt die erste eigene Produktion.

Zusammenarbeit mit Konstantin Wecker

Ende der 1990er Jahre gewinnt der Kindertheaterzug an Fahrt, nach „Oh wie schön ist Panama“ (1998) arbeitet Berg für das Musical „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ erstmals mit Konstantin Wecker zusammen. Auch „Jim Knopf und die Wilde 13“ (2000) profitiert von den schrägen Toneinsprengseln des Münchner Komponisten und Sängers – das Überraschende, das Unerwartete dieses Kindertheaterverständnisses wird auch über die Musik erlebbar. Und gerade deshalb kann dies reichen: ein aufgeklapptes überdimensionales Buch als Kulisse, keine Spezialeffekte, nirgends. Stattdessen immer wieder der Bezug zu den Büchern, zu Geschichten, die sich selbst lesen, vorlesen und weitererzählen lassen. Christian Berg macht Kindertheater, wie es sein kann, wenn man es ernst meint.

Kleine Seitenhiebe gegen Missstände

Wie sieht er seine Arbeitsweise heute? „Ich habe mich gehörig verändert, denn es geht mir heute viel mehr darum Geschichten zu erzählen, noch mehr als damals auf Augenhöhe mit meinem Publikum zu sein“. Und auch von den Untertönen will Berg nicht lassen: „Es freut mich immer“, sagt er, „wenn meine kleinen Seitenhiebe, die ich hintergründig zu platzieren versuche, wahrgenommen werden“.

Wenn der Tod die (Geld-)Gier weckt

Nun also „Das Phantom von Opa“. Ein Stück über das Leben, das Sterben und natürlich auch über das Erben. Opa war berühmt und also reich, glaubt seine Familie, die Webbers. „Also Opa beerdigen, seine Katze Glitzerbella im Tierheim entsorgen und nix wie hin zur Testamentseröffnung.“ Pech nur, dass Opa verfügt hat, dass vor der Geldfreude die liebevolle Pflege Glitzerbellas steht. Es hilft nichts, die Webbers müssen die Katze wiederfinden und auch noch mit einem Opa zurechtkommen, der als Phantom durch die eigenen vier Wände geistert, weil er etwas Wichtiges vergessen hat. „Ich ich schiebe unser Denken, über Altsein und Behandlung alter Menschen, ein wenig an“, sagt Christian Berg dazu. Vom 10. bis zum 13. August und vom 15. bis zum 20. August ist „Das Phantom von Opa“ im Theaterhaus Stuttgart zu erleben.

2018 erscheinen Bergs Geschichten vom „Rumpelröschen“

Und noch ein weiterer Faden von Bergs Welt führt nach Stuttgart. Im Thienemann-Esslinger-Verlag – dort sind einst schon die „Tamino“-Bände erschienen – erscheinen im Herbst 2018 Christian Bergs „Geschichten vom „Rumpelröschen’, einer männlichen Fee“. Was da zum neuen Glück noch fehlt? „Eine Uraufführung in und für Stuttgart – das wäre natürlich toll“, sagt Berg. Sein „Opa“ würde so zum Türöffner der Fantasie.

So können Sie dabei sein

Mit uns näher dran an Christian Berg

Wie sieht es hinter den Kulissen der großen und kleinen Kultureinrichtungen in der Region Stuttgart aus? Wer sind die Macher? Mit welchen Mitteln wollen sie das Publikum begeistern? Antworten gibt unsere Veranstaltungsreihe „Ortstermin“.

Nächste Station ist am Donnerstag, 10. August, das Theaterhaus Stuttgart und die Premiere des Familienmusicals „Das Phantom von Opa“. Hinter dem kunterbunten Mitmachtheater über einen Opa, dessen geliebte Katze Glitzerbella und seine auf das Erbe spekulierende Familie steht mit Christian Berg der profilierteste deutsche Kindertheatermacher.

Wie hat Christian Berg seinen neuen Familienmusical-Streich entwickelt? Wie entführt man Kinder und Eltern heute in die Welt der Fantasie? Antworten auf diese und andere Fragen geben im exklusiven „Ortstermin“-Gespräch der Regisseur und Autor Christian Berg und Theaterhauschef Werner Schretzmeier. Beginn ist um 16 Uhr im Theaterhaus Stuttgart. Die Teilnahme ist kostenlos.

„Opa“-Doppelpack mit „Ortstermin“ und Stuttgart-Premiere

Mehr noch aber: Seien Sie dabei, wenn sich um 18.30 Uhr auf der Theaterhausbühne erstmals in Stuttgart der Vorhang für Christian Bergs „Das Phantom von Opa“ hebt. Exklusiv für „Ortstermin“-Besucher sind 50 Karten (je 20 Euro, ermäßigt je 14 Euro) reserviert.

Ihre Anmeldungen und Ihre Kartenwünsche nehmen wir gerne entgegen – digital unter stn.de/ortstermin