Kretschmann: „So viel für den Straßenbau hat noch nie ein Minister vor ihn gemacht.“ Bezogen ist das Zitat auf Verkehrsminister Winfried Hermann Foto: dpa

„So viel für den Straßenbau hat noch nie ein Minister vor ihm gemacht.“ Die Worte von Ministerpräsident Winfried Kretschmann über Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne) haben für viel Wirbel gesorgt. Ein Faktencheck.

„So viel für den Straßenbau hat noch nie ein Minister vor ihm gemacht.“ Die Worte von Ministerpräsident Winfried Kretschmann über Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne) haben für viel Wirbel gesorgt. Was ist dran an der Aussage? Ein Faktencheck.

Winfried Hermann selbst hat das Zitat relativiert. Er sei der Minister, der das meiste Geld „umgesetzt“ habe, zumindest im Bereich der Bundesstraßen. Doch was heißt das genau?

Bundesstraßen/Autobahnen

Wie der Name schon sagt, kommt das Geld für die Bundesstraßen (Autobahnen gehören dazu) vom Bund. Bei den Bundesstraßen handelt es sich gegenüber den Landesstraßen und den kommunalen Straßen um das größte Straßennetz, folglich sind hier die größten Summen im Spiel. Im vergangenen Jahr hat die Landesregierung 591 Millionen Euro für Erhalt und Neubaumaßnahmen umgesetzt. Das ist tatsächlich der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre; übertroffen nur von den Jahren 2009 und 2011, als der Bund Sonderprogramme aufgelegt hat. Hermann rühmt sich insbesondere eines „Rekordniveaus bei der Sanierung“ in Höhe von 313 Millionen Euro. Dies ging allerdings zulasten des Topfes für Neu- und Ausbauten, der seit der Regierungsübernahme von Schwarz-Gelb durch Grün-Rot im Jahr 2011 sukzessive verschmälert wurde. Dass die Mittel insgesamt seit Jahren steigen, ist weniger dem Land als dem Bund zu verdanken, der den riesigen Nachholbedarf erkannt hat.

Was die ominösen Swing-Mittel angeht – nicht abgerufene Rest-Posten anderer Länder – , über die seit Tagen ein heftiger Streit zwischen Regierung und Opposition tobt, lässt sich Folgendes sagen: Die von der CDU zunächst genannte Summe von 100 Millionen Euro ist Spekulation, da der Bund das Gesamtbudget noch gar nicht beziffert hat. Inzwischen rechnet die verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Nicole Razavi, mit mindestens 26 Millionen, die dem Land durch die Lappen gegangen sind. Fakt ist, dass Baden-Württemberg in der Vergangenheit am Jahresende stets zwischen 50 und 80 Millionen zusätzlich kassiert hat. Hermann entschuldigt das entgangene Geld mit dem Stelleneinsparprogramm in den Regierungspräsidien. Beides lässt sich nicht seriös gegeneinander aufrechnen.

Landesstraßen

Landesstraßen

Seine Landesstraßen finanziert das Land selbst. Seit Grün-Rot am Ruder ist, flossen 40 Millionen pro Jahr in den Neubau. Diese Summe ist bis 2024 veranschlagt und so niedrig angesetzt, dass frühestens 2015 neue Projekte angegangen werden können. Unter Schwarz-Gelb waren es im Schnitt der letzten zehn Regierungsjahre 55 Millionen jährlich für Neu- und Ausbaumaßnahmen.

Schwieriger gestaltet sich der Vergleich bei den Geldern für den Erhalt der Straßen. Verkehrsminister Hermann hat in die vergangenen Haushalte jeweils 100 Millionen Euro für Sanierungsmaßnahmen eingestellt. Bei seinen Vorgängern schwankten die Summen zwischen 27 und 84 Millionen Euro, im Schnitt waren es 56 Millionen pro Jahr. Die Behauptung Hermanns, er würde damit doppelt so viel in den Erhalt wie früher investieren, ist etwas wagemutig, da er das Geld zum Teil aus dem Topf Neubau in den Topf Sanierung umgeschichtet hat. Die Kalkulation der Opposition ist ebenfalls kühn: Sie rechnet die 100 Millionen auf rund 80 Millionen herunter – was zwar stimmt, aber Rückzahlungen für frühere schwarz-gelbe Konjunkturprogramme geschuldet ist.

Kommunale Straßen

Kommunale Straßen

Auch hier streiten Regierung und Opposition heftig über Geld, das angeblich auf der Strecke geblieben ist. Anders als mit den Swing-Mitteln für die Bundesstraßen ist dieses Geld (rund 35 Millionen für 2013) aber nicht verloren, sondern kann nächstes Jahr noch verbaut werden – die Aufregung ist also übertrieben. Insgesamt bleibt die grün-rote aber hinter der schwarz-gelben Landesregierung zurück. Vom Bund gibt es pro Jahr 165 Millionen Euro, die sogenannten Entflechtungsmittel. Früher verteilte das Land das Geld im Verhältnis 60:40 auf die Bereiche Straße gegenüber Schiene/Radverkehr; Verkehrsminister Hermann hat den Verteilungsschlüssel 2011 bewusst umgekehrt. Zur Wahrheit gehört auch, dass sich die von Grünen und SPD regierten Länder, also auch Baden-Württemberg, beim Bund erfolgreich für ein Fortbestehen der Entflechtungsmittel eingesetzt haben.

Fazit

 Fazit

Ministerpräsident Kretschmann und Verkehrsminister Hermann haben sich mit der Behauptung, so viel für den Straßenbau wie noch kein Minister zuvor zu tun, ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt. Zu verdanken hatten sie dies in erster Linie Berlin, das deutschlandweit seit Jahren mehr in den Bundesstraßenbau steckt. Aber auch die Opposition, die Hermann seit Tagen vor sich hertreibt, geht mit ihrer Zurechtlegung der Zahlen bisweilen an die Grenzen des Erlaubten. Politik lässt sich nicht immer nur an Zahlen messen. Das gilt auch für den Straßenbau. Hier zeigt sich Erfolg oder Misserfolg einer Strategie erst nach sehr langer Zeit – die drei Jahre seit dem Regierungswechsel sind dafür zu wenig. Fakt ist, dass die Grünen eine grundlegend andere Philosophie verfolgen, die – gerade finanziell – auf mehr Nachhaltigkeit als bei der Vorgängerregierung angelegt ist. Ob sie damit im unerbittlichen Verteilungskampf zwischen Bund und Ländern bestehen können, darf freilich bezweifelt werden.