„Un bliev su, wie de wohrs: Jraaduss“: Für besondere „Stimmen“-Momente sorgte Wolfgang Niedecken mit BAP am Samstag auf dem Lörracher Marktplatz. Foto: Veronika Zettler

BAP spielte am Samstagabend ein spektakuläres Konzert auf dem Lörracher Marktplatz. Band und Zuschauer genossen den dreieinhalbstündigen „Stimmen“-Auftritt gleichermaßen.

Als BAP pünktlich um 19.30 Uhr die Bühne betrat, war der Marktplatz von genau jener übermütigen Vorfreude erfüllt, die die Band später am Abend im Song „Frau, ich freu mich“ aufbranden ließ. Wolfgang Niedecken strahlte ins Publikum, wo mehr als 5000 Besucher verzaubert zurücklächelten. Nach der musikalischen Zeitreise am vorigen Abend mit den Beach Boys stand nun direkt die nächste bevor.

 

Die „Kölschrocker“ hatten sämtliche Songs der beiden Alben „Für usszeschnigge!“ (1981) und „Vun drinne noh drusse“ (1982) versprochen; kein Stück sollte jünger als 40 Jahre sein. Da inzwischen auch das Album „Zwesche Salzjebäck un Bier“ (1984) die „40-Jahre-Schallmauer“ (Niedecken) durchbrochen hat, wuchs das Repertoire noch einmal deutlich an.

Erste Eindrücke: Die Band strotzt nur so vor Spielfreude. Die Live-Versionen sind perfekt arrangiert und um längere Instrumentalpassagen ergänzt. Anne de Wolff sorgt unter anderem an der Violine und in Stücken wie „Jojo“ für Gänsehautmomente. Die Bläsersektion begeistert in unzähligen Solopassagen. Ulrich Rode sorgt an seiner „Les Paul“ mit druckvollen Riffs für Ergriffenheit, und Michael Nass gräbt in Liedern wie „Wenn et Bedde sich lohne däät“ an der Hammond-Orgel zusätzliche Abgründe. Das Schlagzeugsolo von Sönke Reich in „Alexandra“: überragend. Am Rande gesichtet: Niedeckens Ehefrau Tina, die das Geschehen fotografisch dokumentiert.

Verdamp lang her

Klar wird: Viele der Anwesenden kennen die frühen BAP-Platten auswendig. Da wird begeistert mitgesungen – ob bei „Müsli Män“, „Ne schöne Jrooss“, „Anna“ oder „Jupp“, von dem wohl jeder im Publikum weiß, dass er nie von Stalingrad erzählt. Schön obendrein: Nichts wirkt aufgesetzt, erst recht nicht die Mahnungen, die Niedecken mit den berühmten Worten von Martin Niemöller den Fans mit auf den Weg gibt, bevor „Kristallnaach“ für Stille sorgt. Weitere Glanzlichter folgen: das allseits geliebte „Do kanns zaubere“ und natürlich „Verdamp lang her“, in dem die Band stellenweise verstummt, damit das Publikum die Zeilen inbrünstig singen kann: Nit resigniert, nur reichlich desillusioniert. „Können denn die Lörracher auch schunkeln?“, fragt Niedecken vor dem Stück „Nit für Kooche“. Klar können sie.

Die Geschichten dahinter

Doch an diesem Abend werden nicht nur 32 Lieder gespielt, die viele in ihrer Jugend rauf und runter gehört haben. Niedecken erzählt auch die Geschichten hinter den Songs: Vom Urlaub in Holland zum Jahreswechsel 1980/81, als ungewaschene Bettwäsche den Weg in einen Waschsalon fand und in das gleichnamige Lied mündete. Vom Gig auf der Frankfurter „Gegenbuchmesse“ für die damals fürstliche Gage von 400 Mark. Oder von der DDR-Tour, die wegen des kritischen Songs „Deshalv spill’ mer he“ kurzfristig platzte. BAP, das ist klar, rührt wie keine zweite Band deutsche Zeitgeschichte mit einer untergegangenen rebellisch-romantischen Jugendkultur und viel Herzblut zusammen.

Würde er alles erzählen, „säßen wir bis zum Morgengrauen hier“, sagt der 74-jährige Frontmann. Den Zuhörern käme das ganz recht, wie der Applaus signalisiert. Doch nach dreieinhalb Stunden Stehen auf beengtem Raum werden dem einen oder der anderen dann doch die Füße schwer. „Es war einfach wunderschön“, ruft Niedecken am Schluss. Das findet das Publikum auch.