Sie bauen Wohnungen in Hechingen, betreiben eine Fahrradwerkstatt, suchen in Vietnam nach Personal, produzieren im Reinraum Medizintechnik für die Neurochirurgie – die Lebenshilfe Zollernalb hilft Menschen mit Behinderung. Ein Überblick.
Eine Folge: Es gibt viele Vorurteile über die Stiftung Lebenshilfe Zollernalb und über die Betreuung von Menschen mit Behinderung generell. In Hechingen etwa baut die Lebenshilfe aktuell hinter der ehemaligen Hofapotheke ein großes Wohnhaus. Eine Hälfte der Appartements ist für Menschen mit Behinderung, die andere für Beschäftigte der Stiftung. Auch auf der Wiese hinter dem Gefängnis hat die Lebenshilfe Baupläne.
Was hat das denn mit dem Stiftungszweck zu tun? Und warum Appartements statt Wohngruppen? Holger Klein, Vorstandsvorsitzender der Stiftung, zeigte nun bei einem Vortrag in St. Luzen, dass alles mit allem zusammenhängt.
Auch Menschen mit Behinderung haben gerne eine eigene Wohnung
„Viele meinen, dass Menschen mit Behinderung am besten in Wohngemeinschaften leben“, erklärte er. Aber welcher Erwachsene wolle denn schon jeden Tag mit anderen eng zusammenleben? „Ich mit meinem Ehemann“, meinte eine Frau im Publikum und löste Heiterkeit aus. Ok, so Holger Klein, aber mit Menschen zusammenleben, die man sich nicht ausgesucht habe, schaffe oft Probleme. „Alleine leben schafft auch für Menschen mit Behinderung mehr Lebensqualität“.
Das Problem sei aber, dass kaum ein privater Vermieter bereit sei, jemandem mit psychischen Erkrankungen eine Wohnung zu vermieten. „Und deshalb bauen wir Wohnungen.“ Betriebswirtschaftlich gesehen erziele die Lebenshilfe damit keinen hohen Gewinn, stellte er fest.
Und warum Wohnungen für Angestellte? Klein berichtete von einer Frau aus Vietnam, die von der Lebenshilfe angeworben und zur Heilerziehungspflegerin ausgebildet wurde. Auch sie habe schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt. Zumindest in der Zeit, als sie noch kaum Deutsch konnte. „Wir haben viele Auszubildende aus dem Ausland“, so Klein, denn „hier vor Ort findet man kaum jemand, der bereit ist, auch Schichtarbeit zu leisten“.
Für angeworbene Kräfte aus dem Ausland ist eineWohnung wichtig
Neben Vietnam werbe man vor allem auf den Philippinen, in Madagaskar oder in Indonesien um junge Leute. „Ohne diese Menschen könnten wir unser Betreuungsangebot schlicht nicht mehr aufrecht erhalten.“ Und über eine Betriebswohnung könne man diese Menschen eben an eine Institution binden. Aber Häuser bauen ist nur ein Nebenaspekt der Lebenshilfe-Arbeit: Sehr hohe Bedeutung haben dagegen die Werkstätten, in denen an acht Standorten im gesamten Zollernalbkreis über 700 Menschen arbeiten. Wer stark beeinträchtigt ist, erhält einfache Arbeiten und wird im Grunde über eine Art Taschengeld bezahlt.
Aber es gibt auch eine anspruchsvolle Produktion, in der Laser-Schweißarbeiten ausgeführt werden, oder unter Reinraumbedingungen Kabel zusammengesetzt werden, die in der Neurochirurgie gebraucht werden. Auch elektronische Schlösser werden für ein österreichisches Unternehmen montiert und für einen Hafen in Panama werden Teile gebaut, die dort die Logistik erleichtern. Hier wird über dem Mindestlohn gezahlt.
Werkstätten an sieben Standorten bieten Arbeitsplatz für 700 Menschen
Kaffeerösterei, Verpackungsproduktion, Schreinerei, Druckerei, Datenvernichtung: Für die Landes-AOK wird ein Zentrum für medizinische Hilfsmittel betrieben, das für 400 000 Personen zuständig sei. Nicht zu vergessen eine Maultaschen-Manufaktur und die Fahrradwerkstatt im Hechinger Martinshof.
Die Vision von Holger Klein: Irgendwann würden Menschen mit Behinderung ganz normal in normalen Betrieben mitarbeiten. „Wissen Sie, wenn ich bei uns in unseren Reinraum schaue, wo alle in Schutzkleidung eingepackt sind, da erkenne ich gar nicht, wer nun eine Behinderung hat und wer nicht“. Sehr vieles könnten Menschen mit Behinderung ganz ohne Hilfe erledigen.