Der baden-württembergische Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) Foto: dpa

Bei der Justiz sieht Ressortchef Stickelberger die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Sollte das Budget noch weiter sinken, könnten Untersuchungshäftlinge häufiger aus der Haft entlassen werden, warnt er.

Bei der Justiz sieht Ressortchef Stickelberger die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Sollte das Budget noch weiter sinken, könnten Untersuchungshäftlinge häufiger aus der Haft entlassen werden, warnt er.

Stuttgart - Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) sieht keine großen Spielräume für Personaleinsparungen in seinem Haus. „Wir sind auf Kante genäht“, sagte er in Stuttgart. Für das Jahr 2015 seien bei der Justiz Einsparungen in Höhe von 30 Millionen Euro vorgesehen. Im Jahr 2016 seien es 40 Millionen Euro. Er werde bei den Haushaltsgesprächen deutlich machen: „Wenn wir weitere Richterstellen einsparen müssten, würde das die Gefahr erhöhen, dass zum Beispiel Untersuchungshäftlinge aus der Haft entlassen werden müssen, weil die Fristen zur Terminierung der Verfahren nicht eingehalten werden können.“

Der Ressortchef wies darauf hin, dass sich Grün-Rot die Haushaltskonsolidierung auf die Fahnen geschrieben habe. Auch sein Haus müsse dazu seinen Beitrag leisten. Aber im Justizbereich sei keine landesweite Eingreiftruppe möglich, um zum Beispiel bei Krankheitsfällen auszuhelfen. Jeder habe den Anspruch auf den gesetzlichen Richter, der nicht willkürlich ersetzt werden dürfe.

„Das Thema Sicherheit ist weiter relevant“, sagte Stickelberger. „Zwar haben wir 50 neue Wachtmeister bekommen. Aber wir bräuchten weitere, wenn wir die Defizite der früheren Regierung im Sicherheitsbereich beheben möchten.“ Er erklärte, dass durch die Notariatsreform von 2018 an auf einen Schlag 500 Stellen wegfallen. „Das ist ein großer struktureller Sparbeitrag von 24 Millionen Euro.“

Kritik kommt aus den eigenen Reihen

Ein Sprecher von Finanzminister Nils Schmid (SPD) wies den Justizminister in die Schranken: „So kann man keine Haushaltsverhandlungen führen. Zu glauben, dass man so sein Ressort vor Einsparmaßnahmen schützen kann, indem man Horrorszenarien entwirft, wird sich nicht auszahlen.“ Jeder sei zur Haushaltskonsolidierung verpflichtet - auch Stickelberger.

Rückendeckung kam hingegen vom Verein der Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg, der die Sparvorgaben beklagte. Der Vorsitzende Matthias Grewe sagte, in diesem Ressort gebe es keine Programme, bei denen einfach Mittel gestrichen werden könnten. „Sparen bei der Justiz heißt sparen beim Personal.“ FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte, die Justiz habe eine auskömmliche personelle Ausstattung. „Unverständlich ist, dass die Landesregierung einerseits Stellen im Bereich der inneren Sicherheit abbaut und andererseits Neustellen für einen kropfunnötigen Nationalpark schafft.“

Die CDU-Fraktion beklagte die mangelnde Ausstattung der Justiz. Es dürfe keine weiteren Einsparungen geben, sonst sei der Rechtsstaat gefährdet, sagte der rechtspolitische Sprecher Bernd Hitzler. Stickelberger zeige zu wenig Einsatz im Kabinett, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Grünen-Finanzpolitikerin Muhterem Aras betonte, immer wenn konkrete Sparpläne anstünden, werde das Thema für die einzelnen Ressorts schwierig.

"Es gibt nicht mehr viel Luft"

Michael Wirlitsch von der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen betonte: „Es gibt nicht mehr viel Luft wo man sparen kann.“ Bei Kürzungen sei Augenmaß gefordert. Das Pendant-Gremium der CDU erklärte, die Personalkosten weiter zu kürzen, gefährde die Sicherstellung ordnungsgemäßer Verfahren.

Stickelberger hob hervor, dass in der Justiz seit Jahren der Personalbedarf nach einem ausgeklügelten Analysesystem namens Pebbsy ermittelt werde. „In anderen Ressorts wird geschätzt und über den Daumen gepeilt, wie viele Leute man in Zukunft braucht.“

Aktuell würden die Pebbsy-Daten auf den neuesten Stand gebracht. Daran beteiligen sich fast alle Bundesländer, der Südwesten hat die Federführung. „Bis Ende Juni werden die Daten erfasst. Immer wenn ein Richter, ein Staatsanwalt oder eine Schreibkraft eine Akte in die Hand nimmt und sich mit einem Fall befasst, wird die Arbeitszeit festgehalten“, berichtete der Ressortchef. Deutschlandweit gibt es 6,5 Millionen Erfassungskarten. Die Erhebung der bundesweiten Daten kostet gut 1,5 Millionen Euro.

Die Daten werden den Angaben zufolge bei den Amtsgerichten, den Landgerichten, den Oberlandesgerichten und den Staatsanwaltschaften erfasst. Anschließend wertet sie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC aus, wie der Minister berichtete. Das Ergebnis werde im Dezember erwartet. Im Jahr 2017 seien dann die Fachgerichte an der Reihe.