Seit Juli 2023 erfolgt die Serienfertigung des Brennstoffzellen-Antriebssystems (Fuel-Cell-Power-Module; FCPM) bei Bosch in Feuerbach. Doch diese Technologie kann Jobeinbußen durch die rückläufige Verbrennertechnik nicht ausgleichen. Foto: Bosch

Bei Bosch wird über einen großen Stellenabbau verhandelt, bei Mercedes befürchtet der Betriebsrat die langfristige Verlagerung von Jobs ins Ausland. Wie ist die Lage der Branche, von der der Wohlstand im Land abhängt?

Manche Sätze aus der Vergangenheit hören sich heute fast prophetisch an. „Tiefgreifende technologische Transformationen sind nicht neu für uns, und wir haben sie insgesamt auch gut bewältigt“, sagte Stefan Hartung, damals noch Chef der Kfz-Sparte von Bosch, vor zwei Jahren unserer Zeitung. „Aber für die Elektromobilität werden in der Herstellung deutlich weniger Menschen benötigt.“ Deshalb müsse man „versuchen, jenseits der Verbrennertechnik neue Beschäftigung aufzubauen“. Ein großes Problem entstehe allerdings, wenn die Politik „regulatorische Änderungen allzu abrupt einführt oder gezielt gegen Technologien entscheidet, indem sie zum Beispiel frühzeitig den Verbrennungsmotor verbietet“. Damit werde „hinter viele Arbeitsplätze ein Fragezeichen gemacht und auch die soziale Akzeptanz für die erforderlichen Maßnahmen verringert“.

 

Wenige Tage nach diesem Gespräch wurde Hartung zum Chef des gesamten Bosch-Konzerns ernannt und steht nun vor der Aufgabe, in seiner neuen Funktion mit einer Entwicklung umzugehen, die er in seiner alten Funktion bereits vorhergesehen hatte. Dieses Projekt dürfte schon einige Zeit laufen. Bereits vor einigen Wochen bereitete Personalgeschäftsführer Stefan Grosch die Belegschaft vorsichtig darauf vor, dass da etwas kommen könnte. Der Druck auf die Beschäftigung beim Verbrennungsmotor sei „sehr hoch“, sagte er unserer Zeitung im Oktober. „Wir werden alles dafür tun, um erforderliche Personalanpassungen so sozialverträglich wie möglich zu gestalten.“

Fachkräfte werden nicht mehr benötigt

Nun wird deutlich, in welchem Ausmaß Bosch sich unter Druck sieht. Das Unternehmen will an den bedeutenden Standorten Feuerbach und Schwieberdingen 1500 Arbeitsplätze streichen – mit einem Schwerpunkt in der Entwicklung. Das lässt nicht nur deshalb aufhorchen, weil sich das 137-jährige Traditionsunternehmen eine Art Grundgesetz gegeben hat, das die soziale Verantwortung gegenüber den Beschäftigten festschreibt, sondern auch deshalb, weil auch und vor allem Stellen von Entwicklungsingenieurinnen und -ingenieuren gestrichen werden, die nicht nur Bosch angesichts des Fachkräftemangels doch ansonsten händeringend sucht. Das lässt darauf schließen, dass der Abbau nicht kurzfristigen Schwankung beim Bedarf an diesen hoch qualifizierten Fachkräften folgt, sondern der Konzern von fundamentalen Veränderungen des Unternehmens ausgeht.

Massive Investitionen bei Mercedes

Die heutige Entwicklung hat viel zu tun mit Hartungs damaligen Andeutungen. Denn ein Schwerpunkt der Jobstreichungen an den beiden Standorten ist die Entwicklung – und hier die der Verbrennertechnologie. Weil der Verbrenner in der EU im Jahr 2035 auslaufen wird, läuft seine Weiterentwicklung jetzt nur noch auf Sparflamme. Für die neuen Technologien wiederum werden vor allem Softwareexperten gesucht, die sich in der Dieselsparte offenbar nicht in ausreichender Zahl rekrutieren lassen.

Je konkreter die Transformation wird, desto drängender werden die Frage nach den Auswirkungen, auch in der Region. Bereits in den kommenden ein bis zwei Jahren würden bei Mercedes die Entscheidungen über die Investitionen für die Zeit nach 2030 fallen, sagte jüngst Michael Häberle, Betriebsratschef des Mercedes-Stammwerks Untertürkheim, unserer Zeitung. Der bodenständige, in Bad Cannstatt geborene Maschinenbautechniker hat bei Mercedes schon viele Kämpfe durchgestanden und lässt sich nicht so leicht aus der Fassung bringen. Aber die Frage nach den Jobs von übermorgen treibt ihn erkennbar um. Diejenigen, die darüber entscheiden, wo in Zukunft Investitionen, Produktion und Arbeitsplätze angesiedelt werden, bräuchten „schon sehr bald klare Leitplanken“. Ansonsten könnte jemand „auf die schlechte Idee kommen, dass man diese Investitionen zulasten der deutschen Standorte überall auf der Welt vornehmen kann“. Er könne sich „zum aktuellen Zeitpunkt“ zwar nicht vorstellen, dass das Unternehmen die deutschen Arbeitsplätze in alle Welt verlagern wolle. „Wenn es aber doch so sein sollte, dann ist das eine Wahrheit, die jetzt schnell ans Licht kommen muss. In diesem Fall wird es einen Konflikt geben, den ich lieber heute austrage als 2030.“

Zur Wahrheit gehört auch, dass die Transformation innerhalb der Autobranche zu Verteilungskonflikten führen wird, die durch die lang laufenden Jobsicherungsverträge bei den Branchenriesen überdeckt, aber nicht gelöst werden. Bosch verspricht den Zehntausenden Beschäftigten an den deutschen Standorten der Kfz-Sparte den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis 2027; bei Mercedes gilt eine entsprechende Vereinbarung sogar bis 2029. Doch wie lassen sich die Jobs sichern, wenn die Verbrennerjobs nun schneller wegbrechen, fürs E-Auto aber nicht annähernd so viele neue Jobs entstehen? Das Unternehmen, so Häberle, müsse „für entsprechende Beschäftigung sorgen. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass das Unternehmen Arbeit ins Werk zurückholt, die es zuvor an Fremdfirmen vergeben hatte.“

Verteilungskampf in der Branche

Hinzu kommt, dass Mercedes in Untertürkheim massiv in die E-Mobilität investiert und die Produktion von E-Antriebseinheiten massiv ausbaut. Aufträge, die Mercedes nun zur Sicherung der Jobs an die eigenen Beschäftigten vergibt, stehen für Zulieferer aber nicht mehr zur Verfügung. Auch deshalb sind sie von der Transformation noch stärker betroffen als die Hersteller selbst.

Ohnehin lassen sich Stellenstreichungen durch solche Vereinbarungen nicht verhindern. Darauf wies Bosch-Personalchef Grosch bereits im Herbst deutlich hin. Die Vereinbarung schreibe „nicht eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen im Unternehmen fest“, sondern schütze den Einzelnen vor einer Entlassung aus betrieblichen Gründen. Selbst groß angelegte Abfindungsprogramme sind den Firmen möglich, ohne gegen die Jobsicherungsverträge zu verstoßen.

Wenn es irgendwo ein Wachstum der E-Mobilität gibt, dann in China. Im vergangenen Jahr rollten 60 Prozent aller weltweit neu zugelassenen Elektroautos auf chinesische Straßen. Gerade dort aber haben deutsche Hersteller einen schweren Stand.

Beschäftigungssicherung gefordert

Allerdings produzieren und entwickeln deutsche Firmen auch selbst in China. Das aber hilft der Beschäftigung in Deutschland längst nicht mehr in dem Ausmaß wie früher. Vor wenigen Monaten gab Bosch bekannt, in ein Forschungs- und Produktionszentrum nahe Shanghai knapp eine Milliarde Euro zu investieren. Es ist damit eine der größten Investitionen der Firmengeschichte. Schon heute beschäftigt das Unternehmen in China 55 000 Mitarbeiter. Das zeigt, wohin die Reise geht.

Mercedes-Betriebsrat Häberle ahnt bereits, dass Jobsicherungsverträge über kurz oder lang nicht mehr viel wert sein könnten. Er pocht daher schon jetzt auf eine Verlängerung für die Zeit nach 2030, damit Zusagen noch durch die bald anstehenden Standortentscheidungen unterlegt werden können. „Eine Beschäftigungssicherung ist nichts wert ohne die Zusage von Produkten, mit denen sie eingehalten werden kann.“ Durch entsprechende Festlegungen wolle man „von vornherein ausschließen, dass das Unternehmen auf die Idee kommt, sich irgendwo auf der Welt auszutoben, ohne dass die Beschäftigung in Deutschland abgesichert ist“.

Der Kampf um die Autojobs der Zukunft hat gerade erst begonnen – bei Mercedes, bei Bosch und in der gesamten Branche.