Sie ist eine gefragte Designerin mit grünem Gewissen und einem berühmten Vater – und macht kluge Mode mit viel Humor: Stella McCartney wird, eigentlich unfassbar, auch schon 50.
Stuttgart - Cooler, jünger und auf jeden Fall politisch korrekter als die Lagerfelds, Versaces und Gallianos, das wollte Stella McCartney schon immer sein. Es mag ein Widerspruch sein, doch der Britin gelang es tatsächlich: als feministische und umweltbewusste Modedesignerin dieser bisweilen zynischen und oft frauenfeindlichen Branche den Spiegel vorzuhalten – und trotzdem mit tragbarer Haute Couture auf den Laufstegen in Paris, London und New York über Jahrzehnte hinweg zu reüssieren.
Emanzipiert und umweltbewusst
Stella McCartney macht nicht einfach nur Mode, sie verkauft ihren Kundinnen auch eine Haltung, Selbstbewusstsein – und ein gutes Gewissen. Zwar haben auch Coco Chanel und Yves Saint Laurent schon feministische Mode geschaffen, doch McCartney verknüpft die weibliche Emanzipation mit dem Umweltgedanken. Sie ist eine Pionierin der Fair Fashion. Genau das wollen heute so ungefähr alle Absolventen einer Modeschule: so werden wie Stella McCartney. Doch die meisten Epigonen scheitern. Kein Wunder, denn alle behaupten mittlerweile, sie seien authentisch, ökologisch und wahnsinnig politisch, was dann irgendwann auch nur beliebig und anbiedernd klingt.
Die Kundinnen glauben ihr
Die überzeugte Vegetarierin und Tierschützerin aber, die für ihre Kollektionen seit den 90er Jahren auf Leder und Pelz verzichtet, gehörte zu den Ersten einer neuen Generation von Designerinnen und Designern, für die ein Umweltlabel nicht nur ein Verkaufsargument ist. 2014 kreierte Stella McCartney als erste Topdesignerin eine komplette Sonderkollektion (Capsule Collection) mit dem Ökozertifikat der Green Carpet Challenge.
Das bedeutet, dass alle Teile unter Berücksichtigung höchster Umweltstandards hergestellt wurden. McCartney setzt sich für die Verwendung biologischer und wiederverwendbarer Materialien ein. Und die Kundinnen? Sie glauben ihr. „Ich bedeute den Frauen etwas“, sagte McCartney einmal. „Ich genieße ihr Vertrauen, und das ist wichtig.“
Berühmter Daddy
Die Beziehungen ihres berühmten Vaters, des Ex-Beatles Paul McCartney, haben aber auch nicht geschadet beim Aufstieg zum immer noch männerdominierten Modeolymp. Dass sie es ohne ihren Vater schwerer gehabt hätte, weiß die Designerin: „In meinem Beruf überwiegen ganz klar die Vorteile, einen solchen Vater zu haben“, sagte sie einmal im Interview mit der „Zeit“. Dank der Fürsprache des berühmten und modeinteressierten Daddys bekam sie bereits als Teenager einen der begehrten Praktikumsplätze bei Modegott Christian Lacroix. Ein Wettbewerbsvorteil.
Ohne Fleiß kein Preis
Bloß: Ohne Talent und Durchhaltevermögen hilft einem auch das hoch dosierte Vitamin B nichts. McCartney hat beides. Seit sie das erste Mal in das mit Chloé-Kreationen vollgestopfte Ankleidezimmer ihrer Mutter Linda spazierte, wusste McCartney, was sie werden wollte. 1997 übernahm sie mit erst 25 Jahren die Kreativabteilung in dem Pariser Modehaus Chloé, und das nur zwei Kollektionen nach ihrem Abschluss an der vielleicht berühmtesten Modeschule der Welt, dem Central Saint Martins.
Lästernder Lagerfeld
Die Skepsis war groß in der Branche. Karl Lagerfeld lästerte, man hätte für den Job einen bekannten Namen nehmen sollen – allerdings aus der Mode, nicht aus der Musik. Doch Chloé profitierte von der Kreativität der jungen Frau, die sich eine Mode für ihresgleichen ausdachte. Sie ging auf die tollsten Partys, war und ist befreundet mit den ehemaligen Supermodels Kate Moss und Naomi Campbell, die wiederum McCartneys Mode nicht nur präsentierten, sondern auch gern trugen, weil die Sachen bei all der politischen Korrektheit witzig waren, selbstironisch.
Sexistisch oder ironisch?
McCartneys Entwürfe sind sexy – und humorvoll. Sie steckte Frauen in Vintagekleider, als das noch schäbig war. Sie verzierte T-Shirts mit schreienden Politslogans. Sie schneiderte perfekte Anzüge für ihre Models und setzte ihnen diamantbesetzte Pilotensonnenbrillen auf die Nase. Noch lustiger waren nur noch die Ananas-Bikinis, die sie für Chloé gemacht hatte. Hätte sich das seinerzeit ein männlicher Designer erlaubt, man hätte ihn als Sexisten beschimpft. Bei McCartney war es einfach bloß cool. So cool, dass sie zur Jahrtausendwende das Brautkleid für Madonna anlässlich der Hochzeit mit Guy Ritchie schneidern durfte.
Von wegen flüchtig
Das alles scheint eine Ewigkeit zurückzuliegen, die Aufregung um Madonna, Kate Moss und die Frage, was Karl Lagerfeld zu allem so denkt und über wen er lästert. Und die auch Mode ist längst nicht mehr das, was sie einmal war. Das Reich der Mode gilt üblicherweise als das Reich der Flüchtigkeit, so die Kulturwissenschaftlerin Barbara Vinken, ihre Zeit sei nicht die Ewigkeit, sondern der Augenblick. Stella McCartney sah aber früher als andere, das selbst die Modebranche nicht umhin kann, sich der Nachhaltigkeit zu widmen. Der nachhaltige Erfolg gibt Stella McCartney recht.