Fast schon postapokalyptische Verhältnisse am Steinacher Haltepunkt bemängeln die Redakteurinnen. Foto: privat Foto: Schwarzwälder Bote

Bahnhofscheck: Lange Wege, unüberwindbare Treppen: Steinacher Haltepunkt hat wenig Positives zu bieten

Die Bahn hat für das Kinzigtal als Tourismus- und Industrieregion eine große Bedeutung. Und damit natürlich auch die Bahnhöfe. Aus diesem Grund checkt der Schwarzwälder Bote die Stationen im Kinzigtal. Heute nimmt er sich den Haltepunkt Steinach vor.

Steinach. Wie modern sind die Bahnhöfe im Kinzigtal? Wie gut kommt man mit einem Rollstuhl, einem Rollator und einem Kinderwagen zurecht? Und wie hoch ist die Aufenthaltsqualität? Diesen und anderen Fragen sind die Schwabo-Redakteure nachgegangen.

Lage: Der Bahnhof liegt direkt an der Steinacher Hauptstraße. Dort hält auch ein Bus. Parkplätze und Fahrradabstellplätze sind auf beiden Seiten des Bahnhofs vorhanden. Wer den Weg aus der Ortsmitte zu Fuß antreten will, ist in verhältnismäßig kurzer Zeit am Bahnhof angelangt. Tückisch wird’s allerdings, wenn der Reisende sein Auto bei der Hauptstraße abstellt und dann aufs Gleis in Richtung Villingen gelangen will – aber dazu später mehr. Mit dem Edeka schräg gegenüber können etwaige Wartezeiten immerhin genutzt werden, um noch ein Brötchen für die Reise zu kaufen.

Wege zu den Gleisen: Am Steinacher Haltepunkt gibt es zwei Gleise: eins für die Züge in Richtung Villingen und eins für die, die nach Offenburg fahren. Wer sein Auto auf dem Parkplatz abstellt und sich dann in Richtung der Gleise aufmacht, stößt mit Rollstuhl und Rollator auf die erste Schwierigkeit. Der Weg zum Bahnhof ist nicht ebenerdig. Man muss Kraft in den Armen haben. Danach ist aber schon Schluss, zumindest für denjenigen, der keine Treppen steigen kann. Zum Gleis nach Offenburg führt ausschließlich eine Treppe, die nur zu Fuß überwindbar ist. Eine Metallrinne hilft allein Radlern, ihr Gefährt nach oben zu befördern.

Auch wer in Richtung Villingen fahren will, muss sich auf Schwierigkeiten einstellen. Selbst wer nicht beeinträchtigt ist, stellt schnell fest, dass der zum entsprechenden Gleis ein langer ist. Er führt vorbei an Häusern zu einer Unterführung, die viele in den dunklen Stunden wohl eher meiden wollen.

Auf der anderen Seite angekommen sind es immer noch ein paar hundert Meter bis zum Gleis, zu dem wieder eine Treppe führt. Körperlich Fitte werden die 200 Meter bis dorthin gut zurücklegen können. Alle anderen müssen noch einmal mehrere hundert Meter zurücklegen, denn die Treppe auf dieser Seite ist genau so gestaltet wie die erste. Aber nicht nur, dass der Umweg lang ist, er ist auch noch steil. An einigen Stellen sogar so sehr, dass es selbst jemand mit Kraft in den Armen anstrengend ist. Bisweilen droht der Rollstuhl sogar nach hinten umzukippen. Oben angekommen sind die Schwierigkeiten immer noch nicht überwunden. Der weitere Weg ist zwar ebenerdig, dafür aber mit Schotter belegt. Und dann ist es immer noch nicht geschafft: Als letzte Hindernis gilt es ein altes, nicht mehr genutztes Gleis zu überwinden. Das stellt gerade Menschen mit einem Rollator vor eine Herausforderung. Die kleinen Räder verhaken sich dort leicht und man muss das Gerät anheben, um weiter zu kommen. Bis hierhin musste, wer die Parkplätze an der Hauptstraße nutzte, insgesamt rund 300 Meter zurücklegen.

Ticketautomat: Ticketautomaten sind an beiden Gleisen vorhanden. Mit dem Rollstuhl sind sie auch gut zu erreichen und auch die alle wichtigen Schaltflächen sind locker zu bedienen. Aber: Der Bildschirm spiegelt, sodass die Schrift darauf nur mit etwas Verrenkung zu lesen ist. Immerhin ist der Boden davor eben und dank der Wartehäuschen steht der Reisende zumindest im Trockenen, wenn er versucht, etwas auf dem Display zu erkennen

Bahneinstieg: In Steinach nichts Neues – ohne Hilfe ist ein Rollstuhlfahrer auch am dortigen Bahnhof aufgeschmissen, wenn er in die Bahn einsteigen will. Positiv sticht aber auch hier wieder hervor, dass die Menschen in der Bahn der SWEG hilfsbereit sind. Sofort fragt ein Fahrgast, ob er helfen kann. Auch der Schaffner steht schnell mit einer Rampe parat. Das wäre noch schneller gegangen, hätte der Rollstuhlfahrer sich vorher angemeldet, versichert der Schaffner. Aufenthaltsqualität: Das ist wohl keine gute Visitenkarte für Steinach – zumal der Bahnhof oft das erste ist, das Reisende vom Ort zu sehen bekommen. Weggeworfene Flaschen hier, eine Bierdose dort und Unrat wie Kaugummi oder Taschentücher überall. Da besteht mehr als nur Aufräumbedarf. Wartehäuschen an den Gleisen sind zwar vorhanden, aber einladend sind sie nicht gerade. Stattdessen sind sie eindeutig in die Jahre gekommen und teilweise kaputt. Zudem sind sie über und über mit Grafitti besprüht. Da der Bahnhalt rauchfrei ist, gibt es keine Aschenbecher und keinen Raucherbereich. Das hält aber auch hier viele Reisende aber anscheinend nicht davon ab, sich eine Zigarette anzuzünden – und anschließend achtlos auf den Boden zu werfen. Alles in allem wirkt das Ganze nicht nur ungepflegt, sondern fast vernachlässigt.

Infrastrukur: Der Haltepunkt in Steinach bietet mit überdachten Wartehäuschen auf beiden Seiten grundlegenden Komfort. Auch abgestellte Fahrräder werden bei Regen nicht nass. Stellplätze sind gerade so genügend vorhanden. Ähnlich sieht es für Autos aus. Parkplätze gibt es, aber sie sind zum größten Teil belegt. Eine freie Fläche muss der Fahrer ein bisschen suchen. Eine Toilette ist am Steinacher Haltepunkt nicht zu finden, übersteigt aber auch den Komfort, den die meisten anderen Einrichtungen dieser Art bieten.

Steinach (cr/kty/lmk). So bewerten die Schwabo-Redakteurinnen den Haltepunkt: Fünf bis sechs: Über den Steinacher Haltepunkt gibt es nicht viel Positives zu berichten. Die Wege sind sehr lang, eingeschränkte Menschen stellen die Gegebenheiten vor zig Probleme, es ist dreckig, unübersichtlich und wenig komfortabel. Allein, dass es Fahrradstellplätze mit Dach und ausreichend Parkplätze gibt, sind die wenigen Pluspunkte. Der Steinacher Haltepunkt fällt beim Check mit Pauken und Trompeten durch.                                                                           cr  Durchgefallen: Mit viel Wohlwollen ist zu loben, dass Reisende nicht im Regen warten müssen – ob es im besudelten Wartehäuschen unbedingt besser ist, sei dahingestellt. Und Menschen, die auf Rollstuhl oder Rollator angewiesen sind, haben schlicht keine Chance, ohne Hilfe ans Gleis zu kommen. Auch Ortsfremde stehen vor Problemen, denn die Beschilderung ist zwar groß, aber unübersichtlich. Wer nicht weiß, dass er zu Gleis 2 eine halbe Weltreise antreten muss, wird wohl dem abfahrenden Zug hinterherwinken müssen. Setzen, sechs!                                                                        kty   Sechs: Das ist unterirdisch. Der Zustand und die Gegebenheiten am Steinacher Bahnhof waren mir vom Hörensagen zwar bekannt – als zuständige Redakteurin habe ich das Thema spätestens durch Wortmeldungen in Bürgergesprächen, Frageviertelstunden und so weiter im Hinterkopf gehabt – aber bisher hatte ich den Bahnhof maximal auf der Durchreise wahrgenommen. Kann es so schlimm sein, wie die Bürger anmahnen? Ja. Die Wege sind lang, der Zugang steil bis unmöglich zu machen, die Unterführung ist eine Katastrophe (gerade für Arachnophobiker!), die Beschilderung mangelhaft und verwirrend ... Immerhin gibt es überdachte Wartehäuschen. Die müssten aber auch dringend mal wieder renoviert werden.              lmk

  Die Reihe: Im Rahmen der Reihe "Bahnhofscheck" nimmt die Redaktion die Bahnhöfe im Kinzigtal unter die Lupe. Als nächstes testen die Redakteure den Haltepunkt in Hornberg.

 Haltepunkt: Ein Haltepunkt ist eine Anlage, an der Passagiere Züge besteigen oder verlassen können. Die genaue Definition eine Haltepunkts ist von nationalem rechtlichen und betrieblichen Bestimmungen abhängig, daher werden Haltepunkte meist als minderwichtige Zugangsstellen eingestuft, die oft auch baulich für den Reisenden nur schwach erschlossen sind.