Werner Kinnast und Christine Haas-Matt vom NABU Mittleres Kinzigtal sprechen sich gegen "Interkom II" aus. Foto: Schwannauer

Im Kinzigtal werden neue Flächen dem Gewerbe geopfert. Nabu warnt vor versiegelten Flächen.

Steinach - Die Feuchtwiesen auf der Großmatt werden an diesem Morgen im Mai von einer milden Sonne beschienen. Die Gräser stehen hoch, am Himmel kreist der Bussard. Im hohen Gras versteckt sich ein Weiher. Weiter drüben lebt die Helmazurjungfer: eine Libellenart. Wo sie lebt, heißt es, ist die Natur intakt. Diese Flächen auf der Großmatt sind als besonders schützenswert ausgewiesen. Der NABU befürchtet, dass sie bald in direkte Nachbarschaft des Gewerbegebiets "Interkom II" rücken könnten.

Dagegen wehren sie sich. Sie sprechen sich gegen die Erweiterung des Gewerbegebiets aus und führen dabei nicht nur ökologische Gründe ins Feld.

"Wenn Sie da hinüberschauen", sagt Christine Haas-Matt und deutet über die kniehohen Wiesen in Richtung Ortsrand, "würden Sie da etwa ein Industriegebiet wollen?" Gleichzeitig verwahrt sie sich im Namen ihrer Organisation gegen den Verdacht, sie sei grundsätzlich gegen Gewerbeflächen eingestellt: "Natürlich sind wir nicht gegen Gewerbe – aber wir sind gegen unnötigen Flächenverbrauch, so lange es auch noch nutzbare Brachen im Kinzigtal gibt."

Christine Haas-Matt ist Schriftführerin beim Naturschutzbund (NABU) Mittleres Kinzigtal und erläutert zusammen mit Werner Kinnast, dem zweiten Vorsitzenden der Gruppe, worum es ihnen geht. "Jeder will am Wettkampf teilnehmen", sagt Werner Kinnast, "und im Moment wird entschieden zu viel zugebaut." Die Bundesregierung wolle den Flächenverbrauch zurückfahren -– "und was machen die Gemeinden?", fragt sich Kinnast, "die machen genau das Gegenteil davon". Ebener Ackerboden, der einmal versiegelt sei, sei für immer verloren, auch wenn die Verantwortlichen zuweilen behaupteten, eine Bebauung könne man auch rückgängig machen.

Nach Ansicht der Naturschützer ist es nicht notwendig, dass im Kinzigtal im Moment neue Flächen dem Gewerbe geopfert werden. Im Kinzigtal herrsche mit 1,8 Prozent Arbeitslosigkeit praktisch Vollbeschäftigung, "es gibt im Moment keine Not, da muss nicht zusätzlich noch Fläche versiegelt werden", sagt Christine Haas-Matt. Zudem sei das Verkehrskonzept ungelöst: "Hätten die Befürworter eine Lösung, dann würden sie damit werben", sagt Haas-Matt. Die Zufahrt zur geplanten Fläche sei ein Nadelöhr, der zu erwartende Verkehr würde die Attraktivität des Orts mindern.

Die Naturschützer befürchten Lärm und Luftverschmutzung, Verkehr und Flächenversiegelung, die mit noch mehr Platz fürs Gewerbe einhergehen würden. Bereits im Jahr 2013 führten sie ihre Einwände an: "Wir sind aber nicht gegen Gewerbe und könnten eine Planung mit höchstens drei Hektar mittragen", sagt Haas-Matt, "aber jetzt ist die Planung schon bei rund sieben Hektar, das ist zu viel."

Die Aktivitäten der Naturschützer mündeten in eine Bürgerinitiative, die nicht mehr nur aus NABU-Mitgliedern besteht. Es wollen nicht alle Bürger eine neues Industriegebiet für Steinach, sagt Haas-Matt: "Es hat doch jede Gemeinde ihr Gewerbegebiet – und auch in Steinach gibt es Industrie." Sie und Werner Kinnast plädieren dafür, vor der Erschließung neuer Flächen die vorhandenen Brachflächen zu nutzen: "Da gibt es noch ungenutzte Brachen wie das Hukla-Areal in Gengenbach."

"Steinach ist ein landwirtschaftlich geprägtes Dorf", sagt Werner Kinnast. Es gebe ja bereits Gewerbe. "Aber ein so irrer Flächenverbrauch in kurzer Zeit ist Wahnsinn. Da sollte man erst einmal innehalten und abwarten." Dass der befürchtete Flächenfraß per Salamitaktik immer weiter gehen könnte, macht den Naturschützern am meisten Sorge: "Wir haben halt Angst, dass alles Stück für Stück gefressen wird", bekennt Christine Haas-Matt. Zudem könne sie das Argument der Befürworter, Steinach brauche Arbeitsmöglichkeiten für die Einwohner im Ort, nicht ganz nachvollziehen: "Heute ist doch jeder mobiler denn je, die Kinder werden zur Mobilität erzogen, dass man zum Arbeitsplatz pendelt, ist normal."

Werner Kinnast nimmt den Besuch mit auf die Anhöhe über dem Ort, auf der der Pavillon steht. Von hier aus hat man einen Blick in beide Richtungen weit über Steinach und Haslach hinaus. Die Fläche, auf der sich Interkom II erstrecken würde, ist von hier aus gut zu überblicken. Interkom I steht schon, dort gibt es noch Lücken zu schließen. Von oben sieht das Gebiet friedlich und unspektakulär aus. Bis auf den letzten sind dort alle Plätze verkauft.

SERIE

> Das interkommunale Gewerbegebiet ("Interkom") liegt auf Steinacher Gemarkung und umfasst planerisch zehn Hektar. Die Gemeinden Haslach, Fischerbach, Hofstetten, Mühlenbach und Steinach beteiligen sich daran. Letztere erhält den größten Teil der grundsätzlich geteilten Einnahmen aus dem Gewerbegebiet. Eine Bürgerinitiative will einen "Ausverkauf" Steinacher Gemarkungen an die Umlandgemeinden verhindern und hat einen Bürgerentscheid durchgesetzt. Am 21. Juni stimmen deshalb die Steinacher Bürger über die Erweiterung von Interkom II ab. Der Schwarzwälder Bote startet heute seine Serie zu den unterschiedlichen Positionen zu "Interkom II".