Der Angeklagte im Schwurgerichtssaal mit seiner Dolmetscherin und seinem Verteidiger Bernhard Mussgnug im September 2020. (Archiv) Foto: Fritsche

Verurteilter will Revisionsantrag stellen. Bundesgerichtshof prüft Anwendung von Recht.

Zu sechs Jahren und zwei Monaten Haft hatte die Schwurgerichtskammer des Rottweiler Landgerichts im "Steige-Prozess" den 50-jährigen Angeklagten im November 2020 verurteilt, und zwar wegen versuchten Mordes, fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort.

Schramberg/Rottweil - Sein Verteidiger Bernhard Mussgnug, Fachanwalt für Strafrecht mit Büros in Tuttlingen, Meßkirch und Salem, hat jetzt auf Anfrage bestätigt, dass er für seinen Mandanten einen Revisionsantrag stellen wird. Die Revisionsbegründungsfrist läuft am 28. Januar ab. Weil das Landgericht Rottweil in erster Instanz verhandelt hatte, ist der Bundesgerichtshof und nicht das Oberlandesgericht für den Revisionsantrag zuständig.

Bundesgerichtshof prüft, ob Recht zutreffend angewandt wurde

"Das Urteil ist sehr eingehend und gut begründet worden. Da das Urteil in der Revision nur auf Rechtsfehler überprüft wird, wird sich der Bundesgerichtshof auch nur mit solchen möglichen Fehlern befassen. Tatfragen werden vom Bundesgerichtshof grundsätzlich nicht mehr aufgegriffen, sondern der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt zu Grunde gelegt. Der Bundesgerichtshof hat zu prüfen, ob auf diesen Sachverhalt das Recht zutreffend angewandt wurde", erklärte Mussgnug am Montag unserer Zeitung.

Die Urteile der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil seien "üblicherweise von sehr hoher Qualität", stellte Mussgnug weier fest. Urteile jedenfalls hätten in den letzten zehn Jahren fast ausnahmslos Bestand vor dem Bundesgerichtshof gehabt. "Nach Überprüfung des Urteils und unter Berücksichtigung der Statistik halte ich die Erfolgsaussichten der Revision für sehr gering. Dennoch werden wir natürlich die Revision durchführen", erklärte Mussgnug weiter.

Das Schwurgericht habe abweichend von der Verteidigung einen anderen, für seinen Mandanten ungünstigeren Sachverhalt angenommen. Dieser Sachverhalt sei nun für den Bundesgerichtshof maßgebend, wenn keine groben Fehler in der Beweiswürdigung nachgewiesen werden könnten. Würde das Urteil aufgehoben, ginge das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Rottweil zurück. Im übrigen sei sein Mandant aktuell in einer stabilen Verfassung und befinde sich in der Justizvollzugsanstalt Rottweil.

Angst vor einer Falle

Der Hauptvorwurf von Richter Karlheinz Münzer als Vorsitzender der Schwurgerichtskammer bei der mündlichen Urteilsbegründung am 12. November 2020 war gewesen: "Sie sind weitergefahren", hatte er an die Adresse des 50-jährigen Angeklagten gesagt. Und das, obwohl dieser gesehen habe, dass das Leben des Opfers in Gefahr war. Ein solcher Unfall könne jedem passieren, hatte Münzer weiter ausgeführt, allerdings habe der Angeklagte das Opfer mehr als 320 Meter mitgeschleift, habe dann sechs Meter zurückgesetzt und sei weitergefahren. "Das ist nicht nachvollziehbar", lautete Münzers Einschätzung, der sich in seiner Begründung auch auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs bezog.

Die Staatsanwältin hatte sich für ein Strafmaß von sieben Jahren und vier Monaten ausgesprochen, Verteidiger Mussgnug hingegen sah den Fall völlig anders und hielt eine viermonatige Bewährungsstrafe aufgrund mehrerer Gründe, darunter die "Angst vor einer Falle" für angemessen.