Rund 150 Zuhörer verfolgten den Auftritt im Freudenstädter Kongresszentrum. Foto: Ortmann

Es war ein Frontalangriff auf Politik, Wissenschaft und Medien: Stefan Homburg, ein deutschlandweit aktiver Kritiker der Corona-Maßnahmen, holte bei seinem Auftritt im Kongresszentrum in Freudenstadt zum Rundumschlag aus.

Freudenstadt - Obwohl das Thema Corona zumindest in den Sommermonaten in den Hintergrund gerückt war, konnte Stefan Homburg rund 150 Zuhörer zu seinem Vortrag "Zwei Jahre Coronakrise – und nun?" im Kienbergsaal begrüßen. Schon zu Beginn des vom Weltbuch Verlag veranstalteten Vortrags wurde deutlich, was die Zuhörer an diesem Abend erwarten sollte: Mit den Worten "Es ist ein Tag des Lächelns, da keiner eine Maske trägt" wurde Homburg auf die Bühne geholt.

Was folgte, war eine Abrechnung mit zwei Jahren Corona-Politik. Zu Beginn wurde diese noch mit Statistiken zu Intensivbetten, R-Werten oder Sterberaten untermalt, doch je weiter der Abend fortschritt, desto öfter holte Homburg zu Frontalangriffen aus. Dabei scheute Homburg auch nicht vor scharfer Kritik an Karl Lauterbach oder Jens Spahn, an den Medien oder auch dem Bundesverfassungsgericht, das "völlig versagt" habe.

Damit äußerte Homburg seine Wut über Urteile wie das aus dem November vergangenen Jahres, bei dem das Bundesverfassungsgericht Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen als verfassungskonform eingestuft hatte.

"Wer falsch lag, wurde gefeiert"

Mit der Wissenschaft rechnete Homburg, selbst Finanzwissenschaftler im Ruhestand, ebenfalls ab. "Wer falsch lag, wurde gefeiert, wer richtig lag, diffamiert", urteilte der 61-Jährige. Zu letzteren zählte er die umstrittenen Mediziner Wolfgang Wodarg und Sucharit Bhakdi.

Viele der Aussagen von Wodarg und Bhakdi wurden in Faktenchecks allerdings widerlegt. Bhakdi muss sich zudem derzeit wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten.

Durch eine "Massenpsychose" sei der "Corona-Totalitarismus" möglich gewesen, sagte Homburg bei seinem Vortrag. Konkrete Vorschläge für eine alternative Corona-Politik machte er nicht, nannte aber immer wieder Schweden als Musterbeispiel.

Das Land ging einen Sonderweg und setzte dabei auf ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Für diese Strategie gab es Lob – anfangs sogar von der WHO –, aber auch viel Kritik. In einer im März dieses Jahres veröffentlichten Studie im Fachblatt "Nature" wurde der schwedische Weg als "wissenschaftlich fragwürdiger Laissez-faire-Ansatz" bezeichnet.

Diskussion mit Zuhörern

Im Anschluss an Homburgs Vortrag waren die Zuhörer dazu eingeladen, Fragen zu stellen. Auch hier wurden diverse Theorien geäußert und verschiedenste Schuldige ausfindig gemacht. Thematisch ging es allerdings nicht immer um die Pandemie selbst: Mal wurde gefragt, wie man die Einführung des in China verwendeten Sozialkredit-Systems in Deutschland vermeiden oder die Richter des Bundesverfassungsgericht loswerden könne, dann ging es um die Lecks in den Gas-Pipelines Nordstream 1 und 2.

"Dasselbe Problem wie 1945"

Einer der Zuhörer sagte, er wolle eine Entschuldigung der Verantwortlichen der Corona-Politik. Homburg erwiderte, die Bestrafung der Schuldigen sei schwierig, da es zu viele gebe. "Dasselbe Problem wie 1945", ergänzte er. Sein Vorschlag: "Nur die Haupttäter dingfest machen." Nicht das einzige Mal an diesem Abend, dass Homburg Parallelen zum Nationalsozialismus zog – und damit die Verantwortlichen der Corona-Politik mit den Massenmördern des dritten Reichs auf eine Stufe stellte. Durch Corona habe er verstanden, was in den 1930er-Jahren in Deutschland passiert ist, sagte Homburg, und bezog sich dabei erneut auf die von ihm diagnostizierte "Massenpsychose" der Deutschen.

Zudem äußerte er Misstrauen gegenüber den Geschichtsbüchern, da diese "nur von den Siegern geschrieben wurden". Immer wieder gab es Applaus für die Aussagen des 61-Jährigen.

Ein Angriff Chinas?

Bei der Frage, "wer uns Corona geschenkt hat", wollte Homburg sich nicht festlegen. Plausibel sei ein Angriff Chinas, auch die WHO und deren Finanzierung durch Privatpersonen wie Bill Gates beobachte er mit Skepsis.

Die WHO finanziert sich tatsächlich zu rund 80 Prozent durch Gelder von Privatpersonen und Stiftungen. Die Bill und Melinda Gates Foundation ist dabei der größte private Geldgeber – und kann damit auch einen gewissen Einfluss auf die Organisation ausüben. Basierend auf diesen Fakten wurden allerdings zahlreiche haltlose Vorwürfe – insbesondere zu Corona-Impfungen – in die Welt gesetzt, durch die Gates in der Pandemie zum Feinbild vieler Menschen wurde. Für den Ursprung von Sars-CoV-2 gibt es keine endgültigen Erklärung. Unter anderem weisen zwei in diesem Sommer veröffentlichte Studien im Fachmagazin "Science" darauf hin, dass ein Wildtiermarkt in Wuhan Ausgangspunkt der Pandemie war.

Auch bei der Frage, wie es nun weitergehe, wagte Homburg nur eine bescheidene Prognose: "Das Bewusstsein für die Pandemie lässt nach", sagte er – und nannte dabei den Ukraine-Krieg und die Corona-Politik in den anderen europäischen Ländern als Gründe.

Stadt nimmt Stellung

Homburg freute sich darüber, in Freudenstadt – im Gegensatz zu anderen Veranstaltungsorten – nicht "gecancelt", also kurzfristig ausgeladen worden zu sein. Die Stadt nahm dazu wie folgt Stellung: "Es gilt das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, was auch konträre und zugespitzte Meinungen beinhaltet, sofern die rechtlich zulässigen Grenzen eingehalten werden. Andererseits steht es der Stadt und ihrer Eigenbetriebe frei zu entscheiden, wem sie ihre Räume vermieten will. Im vorliegenden Fall wäre vor der Zusage sicher eine Prüfung angebracht gewesen, in welche Richtung sich die Positionen und Thesen des Autors zuletzt entwickelt haben."

Info: Zur Person

Stefan Homburg wurde am 10. März 1961 in Hellersen geboren. Von 1997 bis 2021 war er Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen der Leibniz Universität Hannover. Diese distanziert sich mittlerweile von seinen Äußerungen. Im Frühjahr 2020 wurde Homburg durch seine Kritik an den Corona-Maßnahmen deutschlandweit bekannt. Seither trat er bei diversen Demonstrationen gegen die Corona-Politik als Redner auf. Im April 2022 veröffentlichte er im Weltbuch-Verlag das Buch "Corona-Getwitter: Chronik einer Wissenschafts-, Medien- und Politikkrise". In den Medien wird ihm oftmals eine Nähe zur Querdenker-Szene attestiert sowie das Verbreiten von Falschinformationen vorgeworfen.