Stuttgart, Böblingen und andere Städte haben schon über eine Seilbahn nachgedacht. In Heilbronn könnte es nun erstmals in Baden-Württemberg tatsächlich zu einem Baubeschluss kommen.
Als erste Stadt in Baden-Württemberg könnte Heilbronn eine urbane Seilbahn als öffentliches Verkehrsmittel bekommen. Dem Gemeinderat liegt eine Machbarkeitsstudie des Stuttgarter Büros Drees & Sommer vor, die eine fast fünf Kilometer lange Strecke vom Hauptbahnhof und der Experimenta ausgehend zum künftigen KI-Innovationspark (IPAI) vorsieht. Auf dem kreisrunden Gelände, das sich nördlich von Heilbronn auf freiem Feld befindet, sollen einmal 5000 Menschen arbeiten.
Am Donnerstag muss der Gemeinderat darüber entscheiden, ob er das Seilbahn-Projekt weiterverfolgt. Der Baubürgermeister Andreas Ringle (Grüne) empfiehlt dem Gremium, dreieinhalb Vollzeitstellen zu schaffen, um das Projekt voranzutreiben. Demnach könnte eine so genannte Einseilumlaufbahn in jede Richtung pro Stunde bis zu 1500 Personen befördern. Das Betriebskonzept sieht insgesamt 77 Kabinen mit Platz für je zehn Personen vor.
Nicht über private Grundstücke
Alle 24 Sekunden würde eine Kabine auf die 4730 Meter lange Strecke gehen. Weitere Stationen wären der Bildungscampus West, der Zukunftspark Wohlgelegen und ein Park und Ride-Parkplatz am Campina-Areal. Auch eine spätere Verlängerung der Strecke sei nicht ausgeschlossen. Die Seilbahn solle nicht nur dem Innovationspark – einem Prestigeprojekt der Stiftung von Lidl-Gründer Dieter Schwarz –, sondern auch der Stadtbevölkerung einen verkehrlichen Nutzen bringen.
Die Planer empfehlen, die Trasse über öffentliche Verkehrsflächen und Gewerbeflächen zu führen. Über privaten Grundstücken könnte die Überfahrt hingegen wegen der Einblicke in die Privatsphäre zu Akzeptanzproblemen führen, heißt es. Eine Bürgerbeteiligung sei geplant. Größere Probleme könnte die Querung von Gleisen und Hochspannungsleitungen bereiten. Bei ausreichendem Sicherheitsabstand sei dies aber nicht ausgeschlossen.
Besser als Bus und Stadtbahn
Gegenüber einem alternativ geprüften Buskonzept punktet die Seilbahn nicht nur durch ihre enge Taktfolge, sondern auch durch eine kürzere Fahrzeit. Demnach rechnen die Planer damit, dass die Seilbahn die Strecke von End- zu Endstation in gut 14 Minuten bewältigt. Busse bräuchten hingegen 20 Minuten. Hinzu kommt, dass eine Seilbahn auch eine touristische Attraktivität besitzt.
Zunächst hatte das Stadtbauamt auch die Anbindung des neuen Stadtteils an das bestehende Stadtbahnnetz untersuchen lassen. Dies erwies sich allerdings als zu teuer und umständlich. Obwohl eine Seilbahn für das Heilbronner Nahverkehrsnetz ein Novum bedeuten würde, dürften hierfür die Investitionskosten niedriger liegen. Erste Schätzungen gehen von einem niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrag aus. Die Planer kalkulieren jährliche Abschreibungskosten für Stationen, Kabinen und Masten von 2,3 Millionen Euro.
Bund und Land geben viel Geld
Allerdings hofft die Stadt ohnehin darauf, den Großteil des Projekts nicht selbst schultern zu müssen. Der Bund bietet aktuell Zuschüsse von bis zu 75 Prozent der Bau- und Planungskosten. Weitere Gelder könnten vom Landesverkehrsministerium fließen. Aus Sicht von Drees & Sommer stehe einer Förderung nichts im Weg. Die Nutzen-Kosten-Untersuchung des Stuttgarter Beratungsbüros attestiert dem Projekt einen Faktor von 1,27. Das heißt, dass der volkswirtschaftliche Nutzen um 27 Prozent über den Kosten liegt. Ein Ergebnis oberhalb der Eins ist Bedingung für eine staatliche Förderung.
In den vergangenen Jahren hatten verschiedene Städte den Bau von Seilbahnen als Ergänzung zu ihrem Nahverkehrsnetz geprüft. Auch das Landesverkehrsministerium warb für die Idee. In der Folge gaben unter anderem Böblingen, Stuttgart und Heidelberg entsprechende Untersuchungen in Auftrag. Die Ergebnisse waren meist eher ernüchternd. Zu Baubeschlüssen kam es bisher nicht.
Standseilbahnen
Seilbahnen haben es zwar noch nicht in die Städte im Land geschafft. Allerdings gilt Baden-Württemberg als Land der Standseilbahnen. Sieben gibt es davon: in Stuttgart, Karlsruhe, Baden-Baden, Bad Wildbad, Künzelsau, Heidelberg und Freiburg.
Vorbilder
International sieht es ein wenig anders aus. So sind im öffentlichen Nahverkehr von London, Brest, Barcelona und Toulouse bereits Seilbahnen im Einsatz. In Deutschland gibt es in Koblenz eine Anlage, die in Teilen ÖPNV-Funktionen erfüllt.