Seine Arbeit ist getan: der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn. Foto: dpa/Martin Schutt

Die Stasi-Unterlagen-Behörde wird aufgelöst, aber die Arbeit der Erinnerung ist nicht beendet.

Belin - Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, so der sperrige offizielle Titel, wird aufgelöst und in das Bundesarchiv überführt. Das ist ein Einschnitt in der Geschichte des wiedervereinten Deutschlands. Auf vielen Gebieten hat sie eine wertvolle und letztlich befriedende Arbeit geleistet.

Sie war nie gedacht als behördlicher Ankerpunkt eines Tribunals über die DDR, auch wenn mancher Westdeutsche das so missverstehen wollte. In erster Linie war die Stasi-Unterlagenbehörde eine Errungenschaft mutiger DDR-Bürger, die in den Tagen des untergehenden SED-Staates die Akten vor der Vernichtung retteten. So konnten sie in Zeiten eines oft traumatischen Radikalumbruchs als Quelle eines Selbstvergewisserungsprozesses dienen.

So viel nicht einzudämmenden Hunger nach Freiheit

Oft schmerzhaft, weil die Überwachungstätigkeit der Stasi auch das privateste Umfeld betraf. Mancher ehemaliger DDR-Bürger, der Akteneinsicht erhielt, musste erschüttert feststellen, dass enge Freunde oder sogar Familienangehörige ein doppeltes Spiel gespielt hatten. Aber über diese leidvollen Offenbarungen hinaus konnte die Behörde doch in einem allgemeineren Sinn auch eine Quelle des Stolzes sein: Die bewahrten Akten der Überwachungsbürokratie dokumentierten eben doch auch viel akribisch überwachten, aber doch nicht einzudämmenden Hunger nach Freiheit.

In einem noch höheren Sinne konnte die Stasi-Behörde aber auch eine Quelle des Verstehens sein. Was es heißt, in einem Willkürstaat zu leben, der politischen Widerspruch nicht duldet und unterbindet, in welche tragischen Verstricktheiten ein politisch waches Leben in der DDR führen konnte, wie nah Mut und Schwäche beieinanderliegen können – auch all das steht in den Akten.

Eine Quelle des Stolzes

Quelle der Selbstvergewisserung, Quelle des Stolzes, Quelle des Verstehens. Das ist kein nostalgisches Pathos. Und doch kann man nicht sagen, dass die Möglichkeiten tatsächlich ausgeschöpft worden sind. Weder ist im Osten die Errungenschaft, die ein Rechtsstaat darstellt, überall anerkannt, wie der regelmäßige Zulauf für die Feinde einer offenen Gesellschaft bei Wahlen zeigt. Noch ist im Westen das Verständnis für die Lebenswelt der DDR ausgeprägt. Die lässt sich nämlich nicht auf das Wirken der Stasi verkürzen. Auch in der DDR waren erfüllte, glückliche, kreative Lebenswege möglich – trotz der Bevormundung im öffentlichen Raum.

Die Stasi-Akten hätten zu einem von großer Wertschätzung getragenen Miteinander von Wessis und Ossis beitragen können. Das hat nicht funktioniert. Für die Menschen im Osten war die Wiedervereinigung mit zu vielen einschneidenden Veränderungen belegt. Und für die im Westen war es ja so leicht sich im falschen Glanz der besserwissenden Lehrmeister zu sonnen.

Gut, dass die Akten weiter zugänglich bleiben

Das zeigt, wie richtig es ist, dass die Akten nun beim Bundesarchiv zugänglich bleiben. In den fast dreißig Jahren der Stasi-Behörde hat sich das Interesse an ihnen langsam verschoben. Die Informationsbedürfnisse konkret und persönlich Betroffener sind weitgehend gestillt. Die Akten sollten heute als ein Zugang neben anderen betrachtet werden, um den DDR-Alltag genauer zu erfassen. Die Rolle der SED, der Betriebe und der Sportvereine, der FDJ – all das bedarf weiterer Forschungsanstrengungen. Je geringer die persönliche Last der Erinnerung wird, desto leichter kann das fallen.

Unter die Vergangenheit lässt sich kein Schlussstrich ziehen. Das sollten wir nicht erst im Zusammenhang mit dem Untergang der DDR gelernt haben.

norbert.wallet@stzn.de